Zu „wahrer Glückseligkeit“ anleiten
Franz von Fürstenberg gilt als Gründervater der ersten, „alten“ Universität. Von 1762 bis 1780 leitete er die Regierung des Fürstbistums. Auf dem Domplatz steht sein Denkmal, das Gebäude des Historischen Seminars ist nach ihm benannt. Gedacht wird seiner für eine fortschrittliche Bildungspolitik, in der die Universität in eine Reform des gesamten münsterschen Stadt- und Landschulwesens integriert war. Als Instanz der Münsteraner Aufklärung im Salon der Fürstin Gallitzin genoss er ebenso hohes Ansehen wie als Gesprächspartner von Zeitgenossen wie Goethe und dem Freiherrn vom Stein.
Damit Franz von Fürstenberg so passgenau den Weg in unsere Gegenwart zu bahnen scheint, muss man seine Wahrnehmung allerdings auf wenige Ausschnitte verkürzen. Wer ihn in den Zusammenhang seiner eigenen Zeit stellt, erhält ein sperrigeres Bild. Dann zeigt sich, dass er aus einer erfolgreichen Stiftsadelsfamilie kam. Über Generationen hatte sie ihre Söhne in die Domkapitel, einige Töchter in Nonnenklöster geschickt, auf dass sie zu kirchlichen Würdenträgern aufstiegen, um durch ihre Förderung die weltlichen Familienmitglieder voranzubringen. Von diesem Familienauftrag war auch Franz von Fürstenberg erfüllt. Seine Politik sollte die Stiftsadelsherrschaft erhalten. „Aufklärung“ hieß für ihn, die Bevölkerung zu „wahrer Glückseligkeit“ anzuleiten, sollte heißen: zu Gottesfurcht und Nächstenliebe. Deshalb lief bei ihm alle Bildung auf Religions- und Ethikunterricht hinaus, gehalten von den Pfarrern und Lehrern, für deren Ausbildung er die Universität gründete.
Aufsehen erregte, dass er sie als Volluniversität mit vier Fakultäten konzipierte: neben der philosophischen und theologischen auch einer medizinischen und einer juristischen. Wieder zielte dies auf die Erhaltung von Fürstbistum und Stiftsadelsherrschaft. Denn die Ärzte sollten über die Volksgesundheit die Wohlfahrt heben, die Staatsrechtslehrer der säkularisationsgefährdeten Mindermacht reichsrechtlichen Rückhalt verschaffen und die Beamten ausbilden. Somit handelte es sich um eine „Landesuniversität“ im doppelten Sinn: Getragen durch das Fürstbistum, sollte sie das Personal heranziehen und weltanschaulich prägen, von dessen Tätigkeit Fürstenberg den Fortbestand des Landes erhoffte.
Dass es anders kam und das Fürstbistum von außen aufgehoben wurde, musste er noch erleben. Folgenlos blieb seine Universitätskonzeption trotzdem nicht. Auch der neugegründete napoleonische Modellstaat Berg setzte auf die Universität Münster, um seine Beamten auszubilden. Selbst als Münster 1810 dem französischen Kaiserreich eingegliedert wurde, sollte die Universität – nun als Filiale der Université impériale – für fähige und loyale Staatsdiener sorgen. Zwei politische Systemwechsel und die Veränderung der weltanschaulichen Vorzeichen hat Fürstenbergs Universitätskonzeption also überlebt. Erst die Preußen haben 1818 durch den Ausbau der Universität Bonn die Entwicklung örtlich wie konzeptionell in eine andere Richtung gelenkt. Der Neugründung von 1902 lag abermals ein anderes Konzept zugrunde. Deshalb beginnt mit ihr eine neue Geschichte.
Autor Prof. Dr. Johannes Süßmann lehrt und forscht am Historischen Institut der Universität Paderborn zur Geschichte der Frühen Neuzeit.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 2. Februar 2023. Er ist Teil einer Themenseite zum 250-jährigen Vorlesungsbeginn an der Universität Münster.