
Wie die Praktikumswahl bei der Jobsuche hilft
Konzentriert arbeiten elf Schülerinnen und Schüler an zwei Tischgruppen mit ihren Tablets. Wenn überhaupt, wird nur leise im Klassenraum gesprochen. Die Jugendlichen der neunten Klasse der Realschule Wolbeck sollen überlegen, was sie selbst ausmacht. Freunde, Schule, Familie und die Freizeit stehen dabei im Mittelpunkt. „Ihr könnt auch gegenseitig abgucken, das ist heute erlaubt“, sagt Lars Budde und lächelt verschmitzt. Zusammen mit Eva Döll gestaltet der 37-Jährige an einem Tag im November den Unterricht. Beide studieren an der Universität Münster und wollen Lehrkräfte am Berufskolleg werden. Statt Mathematik, Deutsch oder Geschichte lernen die 14- bis 15-Jährigen an dem Projekttag ihre persönlichen Interessen, Stärken und Schwächen kennen, um gut vorbereitet einen passenden Praktikumsplatz zu finden.
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Personalabteilung der WWU, der Realschule Wolbeck und der Arbeitsgruppe Berufspädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft. Es integriert das Universitätsseminar „Berufliche Laufbahnentwicklung mit Diagnostik und Beratung fördern“ und findet im Wintersemester 2022/23 zum ersten Mal statt. Es soll die Jugendlichen bei der Berufswahl unterstützen. „Die 16 Studierenden erwerben wissenschaftliche Grundlagen und das Handwerkszeug, um Jugendliche gezielt auf berufsorientierende Angebote vorzubereiten“, erläutert Prof. Dr. Katja Driesel-Lange vom Institut für Erziehungswissenschaft der WWU. Doch nicht nur die Studierenden profitieren davon, praktische Erfahrungen im Schulalltag zu sammeln. Auch die Schule und die Universität als Ausbildungsbetrieb haben einen Nutzen. „Wir versprechen uns durch den Einsatz der Studierenden an unserer Schule eine bewusstere Entscheidung für ein bestimmtes Berufsfeld. Das von uns häufig beobachtete Motto ‚Hauptsache, ich habe einen Praktikumsplatz‘ soll mit der Unterstützung nicht mehr vorkommen“, schildert Guido Wiggerink, Lehrer und Berufswahlkoordinator an der Realschule Wolbeck.

In dem projektbegleitenden Seminar setzen sich die Studierenden mit laufbahntheoretischen Grundlagen, Konzepten von Diagnostik und Beratung sowie Ansätzen der Intervention in der schulischen Berufsorientierung auseinander. Auf Grundlage der Forschung zur Laufbahnentwicklung sollen die Lehramtsstudierenden ihr Wissen und ihr Können in der Praxis nutzen, um pädagogische Erfahrungen in der beruflichen Orientierung zu sammeln. Dabei wird auf die individuellen Bedürfnisse der Jugendlichen eingegangen. Während einige noch keine Idee und keinen Platz haben, können andere genaue Vorstellungen oder bereits eine Zusage vorweisen. „Eine weitere Chance liegt darin, allgemeine und berufliche Bildung zusammenführen zu können. Die Lehramtsstudierenden mit ihrem Fokus auf die berufliche Bildung können nicht nur mit ihrer Expertise in diesem Bereich nachschulische Bildungswege authentisch vertreten. Sie treffen zudem an der Realschule möglicherweise auf die Jugendlichen, die später das Berufskolleg besuchen wollen und erkennen im Dialog mit ihnen, warum sich Jugendliche sehr bewusst für konkrete berufliche Perspektiven entscheiden sollen“, betont Katja Driesel-Lange. Bei einem weiteren Schulbesuch im Januar sollen die Schülerinnen und Schüler unter anderem ihre Ziele für das Berufspraktikum im März definieren und Fragen über den Beruf formulieren, die sie während des Praktikums beantwortet haben möchten.
„Mich hat die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern interessiert – und auch das Thema der Berufsorientierung an sich“, erläutert Eva Döll. Die Masterstudentin hat nach ihrem Bachelor-Abschluss bereits als Vertretungslehrerin gearbeitet: „Viele Jugendliche sind bei der Berufswahl überfordert und verloren. Ich möchte lernen, wie ich ihnen als Lehrerin helfen kann.“ Das Projekt ist also eine Win-Win-Win-Situation für die Jugendlichen, die Studierenden und die Betriebe, die Praktikumsplätze anbieten.
Autorin: Kathrin Nolte
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 21. Dezember 2022.