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Münster (upm/ch).
Valeriia Ahlborn (r.) hat sich dafür eingesetzt, dass das Projekt „MINT4all“ für Kinder aus der Ukraine angeboten wird.© WWU - Peter Leßmann
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Gegen Sprachbarrieren und für mehr Selbstvertrauen

WWU-Doktorandin initiiert Workshops für Kinder aus der Ukraine

Wo vorher Schwarz war, ist es jetzt bunt – und der Fisch sieht nun aus wie eine Blume: Fünf Mädchen und drei Jungen im Grundschulalter sitzen an einem frühen Mittwochabend Ende Oktober an Tischen im Schülerlabor „MExlab ExperiMINTe“ der WWU. Sie staunen darüber, wie das Wasser, das in bemaltes Filterpapier zieht, die Bilder in fantasievolle Formen spült und dabei die Filzstift-Farben in ihre Farbkomponenten zerlegt. Spielerisch lernen sie das Prinzip der Chromatographie kennen.

Der Workshop findet regelmäßig an der WWU statt. Doch diesmal gibt es eine Besonderheit: Die Hauptsprache ist Russisch. Jesco und Wiebke, die beiden studentischen Koordinatoren, sprechen zwar Deutsch, aber ihre Kollegin Valeriia Ahlborn übersetzt in ihre Muttersprache Russisch. Denn die Kinder stammen aus der Ukraine und sind vor dem Krieg nach Münster geflohen. „Viele von ihnen können kaum Deutsch. Das macht es sehr schwer, ihnen etwas zu erklären – außer man spricht Ukrainisch oder Russisch. Ein großer Teil der Geflüchteten kommt aus der Ostukraine, und dort wachsen die meisten Kinder zweisprachig auf und können Russisch zumindest verstehen“, berichtet Physik-Doktorandin Valeriia Ahlborn.

Dass die „MINT4all“-Workshops angeboten werden, geht auf das Engagement der 29-Jährigen zurück. Sie stammt aus Moskau und ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe „Nichtlineare Photonik“. „Als der Krieg anfing, wollte ich die Ukrainer, die ihre Heimat aufgrund der bewaffneten Aggression von Russland verlassen mussten, unterstützen“, erinnert sie sich. Da sie bereits während ihrer Studienzeit in Moskau und beim Girls‘ Day Erfahrungen damit gemacht hat, Kindern naturwissenschaftliche Inhalte zu vermitteln, lag für sie das Format „MINT-Workshop“ nahe, also ein Experimentierkurs für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. In Zusammenarbeit mit „MExLab ExperiMINTe“, der Dachorganisation der MINT-Experimentierlabore an der WWU, und der Kinder- und Jugenduni „Q.UNI“ wurde die Projektidee konkret. Mit Unterstützung der Universitätsförderung fand sich über die Wertestiftung Münsterland und eine private Spenderin eine Finanzierung, die nun die Umsetzung des Projektes ermöglicht.

„Wir möchten mit ‚MINT4all‘ den Kindern nicht nur naturwissenschaftliche Phänomene näherbringen, sondern auch dazu beitragen, Sprachbarrieren zu mindern und das Vertrauen der Kinder in sich selbst nach der Fluchterfahrung zu stärken“, erklärt Dr. Dörthe Masemann, Geschäftsführerin des MExLab ExperiMINTe. Viele der Workshops finden künftig vor Ort in den Unterkünften der Geflüchteten statt.

Valeriia Ahlborn übersetzt seit Kriegsbeginn ehrenamtlich für Flüchtlinge und dolmetscht nun auch in den Workshops gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Helfern. Irritiert es die Kinder oder ihre Eltern, dass eine Russin die Workshops betreut? „Nein“, stellt Valeriia Ahlborn klar. „Mich hat hier noch nie jemand gefragt, wo ich herkomme. Im Gegenteil: Die Kinder sind dankbar für das Angebot und freuen sich, wenn die erste Sprachbarriere zur Verständigung genommen ist.“

Autorin: Christina Hoppenbrock

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 16. November 2022.

 

Ehrenamtliche gesucht:

Für das Projekt „MINT4all“ sucht das Projektteam weitere Studierende, WWU-Mitarbeiter oder Alumni, die bei den Workshops ehrenamtlich mitmachen und den Kindern und Jugendlichen naturwissenschaftliche Phänomene näherbringen möchten. Insbesondere Menschen mit ukrainischen oder russischen Sprachkenntnissen sind willkommen. Interessierte können sich unter mint4all@uni-muenster.de melden.

 

 

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