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Münster (upm).
Bequem ist bei Kryptowährungen, dass – wie für Bargeld − kein Bankkonto nötig ist.<address>© Unsplash - Art Rachen</address>
Bequem ist bei Kryptowährungen, dass – wie für Bargeld − kein Bankkonto nötig ist.
© Unsplash - Art Rachen

(K)eine Zukunft für das Bargeld?

Andreas Pfingsten über Kryptowährungen im Zahlungsverkehr

Zahlungen mit Bargeld sind aus dem deutschen Wirtschaftsleben nach wie vor nicht wegzudenken. In Norwegen und anderen Ländern haben demgegenüber Zahlungen mit Debit- und Kreditkarten das Bargeld fast verdrängt – ein Trend, der auch in Deutschland seit der COVID-Pandemie stärker geworden ist. Welche Rolle werden der Bitcoin und andere Kryptowährungen zukünftig im Zahlungsverkehr spielen?

Bei der Wahl eines Zahlungsmittels und -weges spielen Kriterien wie Bequemlichkeit, Sicherheit und Kosten eine Rolle. Der gewählte Zahlungsmix hängt vom jeweiligen Bank- und Finanzsystem ab. So sind Kartenzahlungen dort besonders etabliert, wo zuvor unbequeme und teure Scheckzahlungen weit verbreitet waren. Überweisungen werden in Deutschland auch deshalb intensiv genutzt, da es leistungsstarke Gironetze gibt und fast alle Familien Bankkonten haben. Wo das nicht der Fall ist, gibt es auch ganz andere Zahlungswege. So ermöglicht beispielsweise M-Pesa Zahlungen zwischen Mobiltelefonen, ohne dass die Beteiligten Bankkonten haben.

Prof. Dr. Andreas Pfingsten<address>© WWU - Michel Möller</address>
Prof. Dr. Andreas Pfingsten
© WWU - Michel Möller
Barzahlungen haben den Vorteil, anonym zu sein. Das macht sie für Zahlungen in der Schattenwirtschaft attraktiv. Bei größeren Einzahlungen auf Konten, mit denen das Geld in den kontrollierbaren Kreislauf kommt, wird daher geprüft, ob Geldwäsche vorliegt. Nachteile von Bargeld sind der Aufwand für die Aufbewahrung, die nötige Sicherung gegen Diebstahl und die erforderliche Entscheidung, wieviel Bargeld man mitnehmen will, die aber auch das Kaufverhalten diszipliniert.

Bequem ist bei Kryptowährungen, dass – wie für Bargeld − kein Bankkonto nötig ist. Wenn man aber, um sich gegen Verluste abzusichern oder die Zahlungsabwicklung zu erleichtern, eine „Geldbörse“ (Wallet) eines Anbieters nutzt, ist dieser Vorteil weitgehend dahin. Kryptowährungen wie der Bitcoin haben für manche Marktteilnehmer überdies den Charme, anonym wie Bargeld zu sein, und werden daher auch für illegale Geschäfte im Darknet verwendet. Möglicherweise deswegen wurde der Bitcoin in China verboten. Kritisch ist bei Kryptowährungen die Umwandlung in Bargeld. Ebenso wie Bargeld können beispielsweise Bitcoin verloren gehen oder gestohlen werden, wie gehackte Kryptobörsen und Computer mit Bitcoin auf Müllkippen anekdotisch belegen.

Barzahlungen haben den Vorteil, anonym zu sein. Das macht sie für Zahlungen in der Schattenwirtschaft attraktiv.

Als weltweit nutzbare Instrumente ersparen Kryptowährungen den Nutzern die Mühen und Kosten des Wechsels zwischen klassischen Währungen. Konstruktionsbedingt sind beim Bitcoin, nicht aber zwingend bei anderen Kryptowährungen, die Transaktionen langsam. Deswegen eignet sich der Bitcoin nicht für eine große Zahl von Kleinbetragszahlungen von Konsumenten.

Wird der in der Menge begrenzte Bitcoin im Laufe der Zeit immer begehrter und wächst daher das Transaktionsvolumen beständig, ohne Anwendungsverbote wie in China und die Konkurrenz „besserer“ Kryptowährungen, so dürfte ein Anstieg des Bitcoin-Wertes unausweichlich sein. Damit kommt seiner Beliebtheit bei den Marktteilnehmern entscheidende Bedeutung zu und er ermöglicht beziehungsweise verlangt sogar Spekulation. Veränderungen der Einsatzmöglichkeiten – man denke an die Wirkung von Ankündigungen von Tesla und Amazon − führen zu einer geänderten Attraktivität.

Die mit Veränderungen in der Popularität einhergehenden Kursschwankungen gibt es bei sogenannten „stable coins“, die an feste Bezugsgrößen geknüpft sind, beispielsweise den US-Dollar oder den Goldpreis, nicht in gleicher Weise. Allerdings hat sich gezeigt, dass längst nicht alle Absicherungen funktioniert haben und die Werte derartiger Kryptowährungen ebenfalls nicht immer stabil sind.

Werden Kryptowährungen das neue Geld? Nun, Geld muss definitionsgemäß drei Merkmale haben: eine Recheneinheit sein, als gesetzliches Zahlungsmittel dienen und eine stabile Wertaufbewahrung ermöglichen. Als Recheneinheit sind Kryptowährungen, wie Glasperlen, zweifelsohne geeignet. Zahlungen werden mit Kryptowährungen abgewickelt, aber ein gesetzliches Zahlungsmittel verlangt einen Annahmezwang, wie es ihn in El Salvador mit seiner instabilen Landeswährung bereits gibt. Auch sogenannte CBDCs (central bank digital currencies) wie der geplante digitale Euro könnten von den Zentralbanken mit einem Annahmezwang versehen werden. Von einer stabilen Wertaufbewahrung kann zumindest beim Bitcoin keine Rede sein. Er ist also kein Zahlungsmittel, aber ein Vermögensgegenstand – ein Kryptoasset statt einer Kryptowährung.

Die einzelnen Zahlungsverkehrsinstrumente teilen sich auf einzelne Zwecke nach der jeweiligen Vorteilhaftigkeit auf. Wie wird das zukünftige Gleichgewicht aussehen? Der Bitcoin wird aufgrund seiner Merkmale nicht das dominante Instrument im Massenzahlungsverkehr werden. Bei anderen Kryptowährungen und speziell CBDCs hingegen ist das nicht undenkbar. Ob die Bedeutung des Bargeldes in Deutschland weiter zurückgeht oder seine Bedeutung zur Reduzierung von Technik- und Netzabhängigkeiten in anderen Ländern wieder zunimmt, ist eine spannende, aktuell noch offene Frage.

Autor Prof. Dr. Andreas Pfingsten lehrt und forscht am Institut für Kreditwesen der WWU. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Kreditgeschäfte, Bankenregulierung und Risikomanagement.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 16. November 2022.

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