Forscher untersuchen Zugang zu Kultur und Digitalisierung in mittelgroßen Städten
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert eine neue Forschungsgruppe und eine neue Kolleg-Forschungsgruppe der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster – beide befassen sich mit Aspekten und Konsequenzen der Digitalisierung. Deutschlandweit unterstützt die DFG neun neue Gruppen mit einem Gesamtvolumen von rund 38,4 Millionen Euro für eine erste Förderperiode.
„Die digitale Mittelstadt der Zukunft“
Die Forschungsgruppe „Die digitale Mittelstadt der Zukunft“ untersucht, wie Mittelstädte den Herausforderungen der Digitalisierung begegnen, zudem will sie digitale Instrumente zur Stärkung der Lebensqualität entwickeln. Im Zentrum stehen Städte außerhalb von Metropolregionen, die bestimmte Spezifika aufweisen und im ländlichen Raum für ihre in der Regel 20.000 bis 100.000 Bewohner einen starken Identifikationscharakter besitzen. Die neue Forschungsgruppe nimmt mit den Aspekten „Zivilgesellschaft und soziale Leistungen“, „Verwaltung und Politik“, „Wirtschaft und Energie“ sowie „Bildung und Kultur“ vier Aspekte in den Fokus. Dabei geht es um die Frage, wie Mittelstädte die digitalen Möglichkeiten aktiv zum Wohl der Stadt ausschöpfen können. Beispielsweise untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie Angebote in der Jugend- und Erwachsenenbildung von der Digitalisierung profitieren können. Die Beteiligten sprechen von „smart town“ statt „smart city“, weil es sich bei Letzteren um Metropolen handelt. Die Forschungsgruppe hat bereits Zusagen von Kommunen aus Deutschland, um dort Interviews und Umfragen durchzuführen. In allen Projekten sollen konkrete Lösungen entwickelt und in den Städten implementiert werden. Beteiligt sind Prof. Dr. Jörg Becker (Sprecher), Prof. Dr. Thomas Hupperich, Dr. Hendrik Scholta und Dr. Bettina Distel vom Institut für Wirtschaftsinformatik, der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Marcelo Parreira do Amaral, der Soziologe Prof. Dr. Matthias Grundmann, der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Kersting und der Volkswirtschaftsexperte Prof. Dr. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschungsgruppe wird mit rund 2,2 Millionen Euro gefördert.
„Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“
Kulturelle Teilhabe ist ein Menschenrecht - der Zugang zur Kunst, zu Archiven, Sammlungen und Museen ist dafür eine entscheidende Voraussetzung. Die Digitalisierung eröffnet einerseits neue Möglichkeiten des Zugangs, andererseits neue Möglichkeiten der Zugangsbeschränkung, beispielsweise durch Kopierschutztechnologien. Die Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel: Kunstwissenschaftliche, kuratorische und ethische Aspekte“ nimmt sowohl die Chancen und Perspektiven als auch Konflikte in den Blick, die sich aus der durch die Digitalisierung bedingten Veränderung von Zugangsbedingungen ergeben. So können beispielsweise Filme, wenn sie gestreamt werden, auch Orte ohne eigenes Kino erreichen. Andererseits können das sogenannte Geoblocking oder Kopierschutztechnologien und Paywalls dafür sorgen, dass Online-Inhalte nur zu hohen Kosten oder in einigen Regionen der Welt nicht zugänglich sind. Ist das in allen Fällen gerecht? Und wie lassen sich Zugangsbeschränkungen zu kulturellen Gütern legitimieren? Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Bedeutung der Zugang zu digitalen Technologien für die Kunstproduktion und -rezeption hat. Ziel ist es nicht zuletzt, die rechtspolitische Debatte um eine ethische Perspektive auf Konflikte zu bereichern, die den Zugang zu Kunst und anderen kulturellen Gütern betreffen. Der neue Forschungsverbund wird Gastwissenschaftler aus 16 Ländern nach Münster einladen. Antragsteller des Projekts sind Prof. Dr. Ursula Frohne vom Institut für Kunstgeschichte der WWU und Prof. Dr. Reinold Schmücker (Sprecher) vom Philosophischen Seminar. Von der WWU sind in der ersten Förderphase außerdem beteiligt: der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Gutmann, Prof. Dr. Lioba Keller-Drescher vom Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie, der Mittelalterhistoriker Prof. Dr. Jan Keupp, Dr. Eberhard Ortland vom Sonderforschungsbereich „Recht und Literatur“ sowie die Ethnologin Prof. Dr. Dorothea Schulz. Die Forschungsgruppe wird in den nächsten vier Jahren mit etwa 3,9 Millionen Euro gefördert. Reinold Schmücker ist der erste WWU-Wissenschaftler, der zum zweiten Mal als Mitantragsteller an einer Kolleg-Forschungsgruppe der Universität beteiligt ist.
Zum Hintergrund
Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Kolleg-Forschungsgruppen sind speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten.