EU-Forschungsrat zeichnet Lydia Sorokin und Christian Weinheimer mit "Advanced Grant" aus
Die Biochemikerin Prof. Dr. Lydia Sorokin und der Teilchenphysiker Prof. Dr. Christian Weinheimer von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben jeweils einen der begehrten „Advanced Grants“ des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) erhalten. Die Förderungen in Höhe von zusammen fast sechs Millionen Euro ermöglichen die Realisierung herausragender Forschungsprojekte. „Die Grants sind in erster Linie eine persönliche Auszeichnung der Forscher und ein Beleg dafür, dass an der WWU Spitzenforschung betrieben wird“, unterstreicht Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels. „Spitzenforschung ist jedoch ohne talentierten Nachwuchs nicht möglich. Daher ist es auch von großer Bedeutung, dass die Förderung es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, die Forschung mitzugestalten und voranzubringen, beispielsweise durch die Finanzierung von Doktoranden sowie Postdoktoranden, die eine akademische Karriere anstreben.“
Lydia Sorokin leitet das Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie an der Medizinischen Fakultät. Sie erforscht die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM) der Blutgefäße, insbesondere derjenigen des Gehirns. Diese Gefäße sind undurchlässig für Zellen, Gifte und Krankheitserreger und bilden die sogenannte Blut-Hirn-Schranke (BHS). Eines der wichtigsten Projekte von Lydia Sorokin befasst sich mit Multipler Sklerose und der Frage, wie bei dieser Erkrankung Leukozyten („weiße Blutkörperchen“) über die BHS in das Gehirn eindringen und dadurch die Krankheitssymptome hervorrufen. Der Fokus richtet sich auf einen besonderen, vom Team Sorokin entdeckten Raum, der die zerebralen Blutgefäße umgibt und von Strukturen der EZM gebildet wird. Dies ist ein beliebter Aufenthaltsort der Leukozyten, bevor sie bei entzündlichen Hirnerkrankungen in das Gehirn eindringen. Ziel des durch den ERC-Grant finanzierten Projekts ist es, die molekularen Prozesse zu untersuchen, die einerseits für die Aufrechterhaltung der BHS erforderlich sind und es andererseits ermöglichen, dass die Immunzellen diese Barriere durchdringen. Dazu möchte Lydia Sorokin mit ihrem Team die wesentlichen Bestandteile der BHS in vitro (im Labor) dreidimensional nachbilden. Kombiniert mit Untersuchungen an genetisch veränderten Mäusen wollen die Forscher herausfinden, wie die Leukozyten es bei entzündlichen Erkrankungen schaffen, in das Gehirn einzudringen. Die Nachbildung der BHS im Labor wird es ermöglichen, verschiedene Substanzen zu testen, um neuartige Medikamente gegen Entzündungen oder Tumore im Gehirn zu entwickeln.
Christian Weinheimer, geschäftsführender Direktor des Instituts für Kernphysik, forscht mit seiner Arbeitsgruppe im Fachbereich Physik an zwei internationalen Großprojekten zur Bestimmung der Neutrinomasse und zur Suche nach der Dunklen Materie, zwei der großen Rätsel der Physik. Mit seiner Gruppe ist er nicht nur an den Messungen und der Datenanalyse beteiligt. Die Münsteraner sind zudem international dafür bekannt, dass sie essenzielle Komponenten selbst entwickeln, um die empfindlichen Messungen möglich zu machen. Bei der Suche nach Dunkler Materie mit dem Experiment XENONnT, das im unterirdischen Gran-Sasso-Nationallabor LNGS im Gran-Sasso-Gebirge in den Abruzzen in Italien steht, fahnden die Wissenschaftler nach „WIMPs“ (weakly interacting massive particles). Diese hypothetisch vorhergesagten Teilchen sind sehr aussichtsreiche Kandidaten, aus denen Dunkle Materie bestehen könnte. Die internationale XENON-Kollaboration sucht nach Kollisionen von WIMPs mit Atomen des Edelgases Xenons. Um diese Messungen zu ermöglichen, haben die Münsteraner spezielle Anlagen entwickelt, die in zuvor nie da gewesener Reinheit störende Spuren von radioaktiven Isotopen der Edelgase Krypton und Radon aus dem flüssigen Xenon entfernen. Für das geplante Nachfolge-Experiment „DARWING/G3“ will das Team vor allem die Reduktion der Edelgas-Isotope mit den Mitteln des ERC Advanced Grant nun noch einmal deutlich verbessern und gleichzeitig neue Diagnosemethoden entwickeln, um die übrig bleibenden extrem geringen Spuren der Edelgase überhaupt nachweisen zu können. Zu den geplanten Forschungen gehören auch Arbeiten im Bereich der Neutrinophysik.
Die Förderlinie "Advanced Grants" richtet sich an etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den vergangenen zehn Jahren ein herausragendes wissenschaftliches Werk erbracht haben. Weitere Förderlinien sind beispielsweise "ERC Starting Grants" und "ERC Consolidator Grants". Insgesamt gibt es rund 25 Angehörige der WWU, die im Laufe ihrer Karriere mindestens einen Grant der EU-Kommission erhalten haben.