Miniaturfabriken im Fokus
Blaues T-Shirt, Jeans, Turnschuhe – wer Prof. Dr. Till Ischebeck vor dem Institutsgebäude am Schlossplatz 8 stehen sieht, könnte ihn glatt für einen Doktoranden halten. Dabei hat er diesen Karriereabschnitt längst hinter sich. Till Ischebeck ist kürzlich einem Ruf an die WWU Münster gefolgt. Seit September ist er Heisenberg-Professor am Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen. Mit einem fröhlichen Lächeln empfängt er an einem sonnigen Septembermorgen seine Besucherin. Die ist heute hier, um ihn kennenzulernen und für die Unizeitung einen Artikel über ihn zu schreiben.
Ein Spaziergang durch den Botanischen Garten steht zu diesem Zweck an. Dabei stellt Till Ischebeck sich und seine Forschung vor: Verheiratet, zwei Töchter im Alter von 10 und 14 Jahren. 2008 bis 2010 Postdoktorat an der Universität Göttingen, anschließend – inklusive einigen Monaten Elternzeit – gut zwei Jahre an der Universität Wien, dann zurück an die Universität Göttingen, wo er ab Januar 2016 eine Nachwuchsforschergruppe leitete. Das sind in Kürze die Eckdaten seiner Vita. Und jetzt Münster.
Der Ruf an die WWU ist eine doppelt glückliche Fügung für Till Ischebeck, der in Münster aufgewachsen ist und dessen Eltern hier wohnen. „Wieder hier in der Stadt zu sein, ist klasse“, unterstreicht der passionierte Hobby-Gitarrist. „Außerdem ist die WWU einer der größten Pflanzenbiotechnologie-Standorte in Deutschland, mit hervorragenden Möglichkeiten zur Zusammenarbeit innerhalb der Fachbereiche Biologie sowie Chemie und Pharmazie.“
Er bleibt am Alpinum im Botanischen Garten stehen. Was er sich inhaltlich für die kommenden Jahre vorgenommen hat? „Mein Steckenpferd ist die grüne Biotechnologie. Vor allem möchte ich daran arbeiten, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Anwendung zu bringen.“ Stichwort Oleosomen: Diesen kleinen Bestandteilen pflanzlicher Zellen widmet Till Ischebeck besondere Aufmerksamkeit. Sie sind natürliche Produktionsstätten und Speicher von Pflanzenölen und anderer wasserunlöslicher Stoffe, quasi Miniaturfabriken und Lager in einem. Beim Löwenzahn beispielsweise wird in abgewandelten Oleosomen der Kautschuk produziert – dieser ist mittlerweile in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt als Rohstoff für umweltverträglich hergestellte Fahrrad- und Autoreifen. Till Ischebeck forschte bisher vor allem an der Ackerschmalwand, einer kleinen unscheinbaren Pflanze mit weißen Blüten, die in der Pflanzenforschung sehr häufig als Untersuchungsobjekt eingesetzt wird. Hier lassen sich grundlegende Prozesse gut erforschen. In der Zukunft wird er seine Forschungsobjekte aber auch auf Agrarpflanzen wie den Leindotter und die Tomate ausweiten.
Till Ischebeck interessiert besonders die Frage, ob sich die Oleosomen von Pflanzen so umfunktionieren lassen, dass sie neue, für die Anwendung interessante Substanzen produzieren wie zum Beispiel Isoprenoide, zu denen unter anderem Duft- und Abwehrstoffe von Pflanzen gehören und die auch Vorstufen mehrerer Vitamine sind. Eine andere Forschungsfrage betrifft die Möglichkeit, Nutzpflanzen über die Oleosomen vor Stress, beispielsweise durch Hitze oder durch Schädlinge, zu schützen.
Im Gespräch fällt mehrfach das Stichwort „Biotechnologie“. Till Ischebeck wird dabei nachdenklich. „Das Thema ist gesellschaftlich nicht en vogue, wenn es um den Einsatz biotechnologischer Methoden in der Landwirtschaft geht“, sagt er. „Im medizinischen Bereich dagegen sind biotechnologische Methoden akzeptiert. Es ist wichtig, in der Forschung jetzt die Weichen zu stellen, damit Deutschland im Hinblick auf die grüne Biotechnologie nicht abgehängt wird. In anderen Ländern weltweit werden solche modernen Methoden bald selbstverständlich eingesetzt werden, zum Teil werden sie es ja längst.“ Beispielsweise ließen sich in Zukunft mithilfe biotechnologischer Methoden pflanzliche Rohstoffe produzieren, die für die Herstellung von Produkten eingesetzt werden können, die derzeit aus Erdöl hergestellt werden. Oder Erträge könnten umweltschonend gesteigert werden. „Es ist auch so, dass die Herstellung von interessanten Substanzen in Pflanzen kostengünstiger ist als im Fermenter“, unterstreicht Till Ischebeck. „Aber es gibt sicher auch biotechnologische Ansätze, die man sehr kritisch sehen kann.“ Was aus seiner Sicht daher entscheidend sein sollte: die kritische Beurteilung jedes einzelnen möglichen Anwendungsfalls. „Es sollte dabei aber um das Produkt gehen und nicht um die Methode, mit der es entstanden ist.“
Dass der 41-Jährige bei der Biologie gelandet ist, hat auch mit Zufällen zu tun. Eigentlich wollte er Mathematik-Professor werden. „Mein Vater war Matheprofessor an der WWU. Als Kind habe ich ihn manchmal in sein Büro begleitet. Dort stand auch eine Couch, ich fand das einfach klasse. Damals war für mich klar, dass ich auch Mathe-Professor werden wollte, idealerweise mit einer solch tollen Couch im Büro“, sagt Till Ischebeck und lacht. „Mathe war in der Schule mein Lieblingsfach.“
In der 12. Klasse stand ein neues Studienziel fest: Medizin. Es kam wieder anders. Till Ischebeck nahm in der 13. Klasse an den Auswahlrunden zur Bioolympiade teil, schaffte es, sich für die Mannschaft zu qualifizieren und gewann in Schweden eine Silbermedaille. „Das war wie eine Initialzündung.“ Till Ischebeck studierte Biochemie in Berlin. Der Bioolympiade ist er treu geblieben – nicht als Teilnehmer, aber als Mentor. „Bei diesem Wettbewerb möchte ich mich auch künftig engagieren“, unterstreicht er.
Der Spaziergang neigt sich dem Ende zu, das Institutsgebäude ist wieder in Sicht. Gleich muss Till Ischebeck per Zoom an der Verteidigung einer Doktorandin teilnehmen, ein Nachtrag aus seinen Aufgaben in Göttingen. Außerdem ist die Liste seiner „Antrittstermine“ in Münster lang. Drei Doktorandinnen und Doktoranden betreut er noch in Göttingen, vier weitere Mitarbeiter werden demnächst an der WWU dazukommen. Till Ischebeck wirkt sehr zufrieden, dass er in die Fußstapfen seines Vaters gestiegen ist. „Eins ist klar: Professor ist der tollste Beruf der Welt“, sagt er und ergänzt schmunzelnd: „Eine Couch fürs Büro werde ich mir aber vorerst nicht zulegen. Zum Beine hochlegen ist gerade wenig Zeit.“
Christina Hoppenbrock
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 6. Oktober 2021.
Die Heisenberg-Professur
Die Heisenberg-Professuren der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gelten als besonders prestigeträchtig. Mit diesem Programm unterstützt die DFG exzellente junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über einen Zeitraum von fünf Jahren. Danach wird die Heisenberg-Professur von der Hochschule in eine reguläre Professur umgewandelt. Eine Heisenberg-Professur setzt eine Berufung durch die Hochschule voraus.