"Transparenz erhöht unsere Glaubwürdigkeit"
Ob es um die jüngste Brandschutzvorschrift im Hörsaal geht, um Rahmenbedingungen für Tierversuche in der Forschung oder um die aktualisierte Dienstreisepauschale: Universitätsangehörige müssen in ihrem Arbeitsalltag unzählige Regeln beachten. Das neue „Compliance Office“ (dt.: Einhaltung, Erfüllung) unter der Leitung von Prof. Dr. Theresia Theurl hilft, den Überblick zu behalten. Im Gespräch mit Brigitte Heeke erläutert die Wirtschaftswissenschaftlerin ihre Aufgabe und was sie denjenigen anbieten kann, die Rat suchen.
Gibt es nicht bereits genug Regeln, an die sich die Forscher und Beschäftigten halten müssen?
Das ist richtig: Wir alle müssen immer mehr Regeln beachten. Die Dichte von Vorschriften und Gesetzen von außen, aber auch von Vereinbarungen, zum Beispiel in Kooperationsverträgen oder im Hochschulentwicklungsplan, nimmt zu. Gleichzeitig ist die Öffentlichkeit sensibler gegenüber Fehlverhalten aus dem akademischen Umfeld geworden. Das gilt sowohl für die Wissenschaft als auch für die Verwaltung. Die Menschen werden in diesem Regelgeflecht unsicher und fragen sich, was sie überhaupt noch dürfen. Daher möchten wir – Ann-Kathrin Bilda als Geschäftsführerin des Compliance-Büros und ich – sie in die Lage versetzen, sich einen Überblick zu verschaffen und sicher innerhalb der Regeln und Werte zu handeln.
Was bieten Sie den Ratsuchenden konkret an?
Wir verstehen uns als eine Art Trichter. Wir sammeln Fragen oder auch Verzweiflung. Zudem richten wir eine Mailadresse ein, an die sich Ratsuchende und Hinweisgeber anonym wenden können. Wir stehen aber auch für diejenigen zur Verfügung, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen. Im ersten Schritt erstellen wir einen kurzen ,Compliance Guide‘, der bestehende Regeln zusammenfasst, sowie Checklisten für Standard-Situationen. Es muss schließlich nicht bei null angefangen werden. Sollten wir dabei auf Themen stoßen, die einfachere Prozesse oder mehr Kommunikation erfordern, werden wir uns in enger Abstimmung mit den fachlich zuständigen Bereichen entsprechend einbringen.
Also müssen Wissenschaftler und Mitarbeiter künftig ein zusätzliches, übergreifendes Regelwerk beachten?
Nein, wir recherchieren lediglich den Bestand, beraten und vermitteln die Ratsuchenden an die richtigen Ansprechpersonen in den Fachbereichen oder in der Verwaltung. Ein typisches Beispiel ist die Bewirtung von Tagungsteilnehmern, denen man als Gastgeber selbstverständlich etwas anbieten möchte. Allerdings sollte man vorab klären, welche Kosten in welcher Höhe abgerechnet werden dürfen. Denn alle Universitätsangehörigen sollten sich immer wieder vor Augen halten, dass wir es mit Steuergeld zu tun haben.
Wer profitiert von dem neuen Angebot?
Wir verstehen uns als Service-Einrichtung der WWU und stehen deswegen allen Angehörigen zur Verfügung. Darf ich als Prüferin Geschenke von dankbaren Absolventen entgegennehmen? Lieber nicht. Kann ich mit meinem Privatauto zu einer Tagung am anderen Ende der Republik anreisen? Es kommt darauf an. Um solche und ähnliche Fragen kümmern wir uns. Sobald unser Compliance Guide fertig ist, werden wir zusätzlich einzelne Themenbereiche für neue Mitarbeiter aufbereiten, vielleicht in Form von Schulungen oder Webinaren. Auch Studierende können sich melden, wenn sie unsicher sind oder einen Verdacht auf ein Fehlverhalten haben. Wir drängen uns aber nicht auf – es gibt ja bereits Anlaufstellen für Studierende.
Inwieweit profitiert die WWU von einem Compliance Office?
Wenn Menschen wissen, woran sie sind, ergreifen sie eher die Initiative und handeln eigenverantwortlich. Eine ,Ermöglichungskultur‘ erhöht die Motivation, erleichtert die Zusammenarbeit und vermeidet unbeabsichtigtes Fehlverhalten. Wir arbeiten präventiv, um mögliche finanzielle oder Image-Schäden von der WWU abzuwenden. Auch Wirtschaftsprüfer schauen darauf, ob ein gutes Compliance Management vorhanden ist. Von unschätzbarem Wert ist die gesellschaftliche Wirkung: Eine transparente Struktur erhöht die Glaubwürdigkeit und trägt dazu bei, Wissenschaftsskepsis zu begegnen. Ich finde das Thema seit Langem faszinierend – und es ist schön, ein solches Projekt aufzubauen.
Compliance an der WWU ist mehr als die selbstverständliche Einhaltung gesetzlicher Regeln, sie beinhaltet auch die Berücksichtigung interner Selbstverpflichtungen und Werte. Mehr Transparenz und einfachere Prozesse schränken unbeabsichtigtes Fehlverhalten ein und fördern Verantwortung. Dieser präventive Ansatz soll zur erfolgreichen Entwicklung der WWU beitragen.
Dieses Interview stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 5, 14. Juli 2021.