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Münster (upm/kn)
Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen an der Universität Münster den Einsatz von nachhaltigen Bioressourcen.<address>© sonnensprosse.de</address>
Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen an der Universität Münster den Einsatz von nachhaltigen Bioressourcen.
© sonnensprosse.de

"Biopolymere sind ungiftig für Mensch und Tier"

Experten erforschen den Einsatz von nachhaltigen Bioressourcen in der Automobil-, Verpackungs-, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie

Mit dem Ende des Petrozeitalters – dem Ersatz von Erdöl durch nachhaltige Bioressourcen – werden nachwachsende Rohstoffe für die Industrie und Wirtschaft zunehmend wichtig. Sie können einen Beitrag dazu leisten, globale Probleme der Umweltbelastung, die zu gesundheitlichen Schäden, zum Klimawandel und Artensterben beitragen, zu lösen. Im Gespräch mit Kathrin Nolte erklärt Prof. Dr. Jochen Schmid vom Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität Münster, welches Potenzial in der „Biologisierung“ von Prozessen und Produkten steckt und welche interdisziplinären Forschungsschwerpunkte es dazu an der WWU gibt.

Welche Bedeutung haben sogenannte Biopolymere bei der Nutzung von nachhaltigen Ressourcen?

Biopolymere mit ihren hervorragenden Materialeigenschaften, ihren vielfältigen biologischen Funktionen und ihren vielversprechenden biomedizinischen Anwendungsmöglichkeiten haben ein enormes Potenzial für die „Biologisierung“ von Prozessen und Produkten. Das reicht von biologisch vollständig abbaubaren und gesundheitlich unbedenklichen Kunst- und Werkstoffen etwa für die Automobil-, Verpackungs-, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie bis zu nebenwirkungsarmen und umweltverträglichen Wirkstoffen für Medizin und Landwirtschaft. Sie sind bestens dafür geeignet, erdölbasierte chemische Polymere aus diesen Anwendungen zu verdrängen und langfristig vielleicht sogar zu ersetzen. Und Biopolymere sind ungiftig für Mensch und Tier, reichern sich in der Umwelt nicht an, weil sie leicht abbaubar sind, belasten weder Böden noch das Grundwasser, Meere oder die Atmosphäre.

Was genau sind Biopolymere?

Prof. Dr. Jochen Schmid<address>© WWU - Lukas Walbaum</address>
Prof. Dr. Jochen Schmid
© WWU - Lukas Walbaum
Biopolymere sind hochmolekulare Verbindungen, die von Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Tieren produziert werden. Bekannte Beispiele sind Zellulose, Naturkautschuk und Stärke. Es sind lange Ketten vieler kleiner Moleküle, den Monomeren. Damit ähneln sie künstlichen Polymeren, aus denen beispielsweise Kunststoffe und Dämmmaterialien bestehen. Aber Biopolymere, die von der Natur in Jahrmillionen der Evolution für viele verschiedene Zwecke optimiert wurden, sind vielfältiger als ihre viel jüngeren künstlichen Vettern. Je nach ihrer natürlichen Funktion sind sie sehr unterschiedlich aufgebaut. Sie können aus gleichen Monomeren bestehen, aber auch aus vielen verschiedenen, und diese können in unverzweigten Ketten und in verzweigten Formen auftreten. In dieser Vielfalt an Strukturen und Funktionen sind sie künstlichen Polymeren weit überlegen.

Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der WWU sind an der grundlegenden und anwendungsorientierten Forschung zu einer Vielzahl an Biopolymeren beteiligt. Welche Forschungsschwerpunkte gibt es an der Universität Münster?

Der Schwerpunkt der Biopolymerforschung liegt im Verständnis, wie Struktur und Funktion der Biopolymere zusammenhängen. Und wie die Organismen es schaffen, diese Vielfalt hervorzubringen. Wir – eine interdisziplinäre Gruppe von Biologen, Chemikern, Medizinern und Physikern – glauben, dass das Geheimnis das modulare Bauprinzip ist. Wir suchen nach den molekularen „Werkzeugen“, mit denen die Natur das schafft. In Zukunft wollen wir uns dabei gerade das modulare Baukastensystem zu Nutze machen, indem wir Eigenschaften verschiedener Biopolymere miteinander kombinieren, je nach Bedarf. Da wir uns natürlicher Prozesse bedienen, bleiben auch unsere Designer-Biopolymere umweltverträglich, egal ob es um Autoreifen oder um Pflanzenschutzmittel geht. Nicht vergessen sollte man die zahlreichen Kooperationen mit der Fachhochschule Münster und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie Max Planck, Fraunhofer und Julius Kühn, die maßgeblich zum Erfolg der Grundlagen- und angewandten Biopolymerforschung in Münster beitragen.

In welchen Prozessen und Produkten können Biopolymere künftig verwendet werden?

Die Funktionen von Biopolymeren können darin liegen, dass sie zum Beispiel antimikrobielle Eigenschaften besitzen, strukturgebend sind oder hohe Mengen von Wasser binden. Schon heute sind sie deshalb für eine Vielzahl an Anwendungen interessant, wie etwa die Hyaluronsäure in der Kosmetik, Alginate und Chitosane in der Medizin oder Naturkautschuk aus Löwenzahn im Fahrrad- und Autoreifen. Neue Möglichkeiten bieten auch moderne Nanotechnologien, um Biopolymere mit neuen Eigenschaften beispielsweise für die Anwendung in der Lebensmittelherstellung und Landwirtschaft, Pharmaprodukten, Medizintechnik sowie für die chemische Industrie und den Fahrzeugbau zu entwickeln – die Liste ist nahezu unendlich.

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