Online-Semester: Gute Noten für die digitale Lehre
Die große Mehrheit der Studierenden und Dozenten der Universität Münster hat sich mit den speziellen Herausforderungen des seit Beginn der Corona-Pandemie etablierten Online-Studiums arrangiert. Die Begeisterung hält sich zwar in Grenzen, allerdings weniger aufgrund der digitalen Rahmenbedingungen und Technik, die sie meist positiv bewerten, sondern vor allem wegen des fehlenden Austausches mit Kommilitonen und Kollegen als Folge der Einschränkungen. Auf die generelle Frage, wie zufrieden sie mit der digitalen Lehre im Sommersemester 2020 waren, antworten bei einer schriftlichen Befragung 80 Prozent der Studierenden mit „(sehr) zufrieden“ – bei den Dozenten waren es sogar 90 Prozent.
1.020 Lehrkräfte und 5.335 Studierende kamen Ende letzten Jahres dem Wunsch der WWU-Abteilung „Akademisches Controlling und Evaluation“ nach und beteiligten sich an der Umfrage „Erfolgsfaktoren digitaler Hochschullehre“, die das Kasseler „Institut für angewandte Statistik“ (ISTAT) an elf deutschen Hochschulen initiiert hatte. Der Fragebogen, der sich ausschließlich auf das Sommersemester 2020 bezog, umfasste 13 Kapitel – beispielsweise zur Kommunikation, zu Hindernissen und zur Bereitschaft einer Fortsetzung des Online-Studiums. „In den sogenannten Freitext-Kommentaren fiel auf, wie häufig die Studierenden und Dozenten darauf hinwiesen, dass sie trotz der schwierigen Umstände motiviert waren und die Lehrveranstaltungen schätzten“, berichtet Julia Schmidt, die an der WWU die Umfrage mit Johannes Friederich verantwortete und auswertete.
Ein Aspekt, dem die Befragten im Sommer 2020 eine große Bedeutung beimaßen, war erwartungsgemäß die Kommunikation rund um Corona. Kamen die Informationen zu Änderungen oder Anpassungen rechtzeitig, waren sie verständlich aufbereitet, gut auffindbar und boten eine gute Orientierung? Bei den Studierenden stimmten jeweils rund 80 Prozent diesen Aussagen zu oder beurteilten sie neutral, unter den Dozenten lagen die entsprechenden Werte zwischen 70 und 80 Prozent. Beim Thema Hindernisse bemängelten 20 Prozent der Studierenden und 35 Prozent der Dozenten, dass sie nicht ausreichend Zeit für die Umstellung auf digitale Formate hatten. Für die Technik und die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen gaben sie wiederum mehrheitlich gute Noten.
Und wie bewerteten die Studierenden ihre „Möglichkeiten“ in diesem Zeitraum? Während nur wenige monierten, dass sie möglicherweise ihre Studien-Ziele oder Leistungen nicht erreichen würden, ergab sich (erwartungsgemäß) eine Mehrheit bei der Einschätzung, dass es nicht ausreichend direkten Austausch mit den Dozenten und anderen Studierenden gab. Ein ähnliches Bild ergab sich bei dieser Frage bei den Dozenten. 55 Prozent von ihnen bejahten dagegen die Frage, ob sie ihre Lehrziele erreicht hätten, weitere 30 Prozent beantworteten diese Frage mit „neutral“.
Die Bereitschaft, unter den Corona-Bedingungen die digitale Lehre fortzusetzen, war zum Zeitpunkt der Befragung sowohl unter den Studierenden mit 75 als auch unter den Dozenten mit 85 Prozent sehr groß. Allerdings unter einer Bedingung: „in einer verbesserten Form“, wobei offenblieb, was beide Gruppen darunter konkret verstanden.
Seit dem ersten „Lock down“ thematisieren die Medien häufig die Frage, ob viele Studierende ernsthaft erwägen, ihr Studium aufgrund der außergewöhnlichen Situation abzubrechen. Die Antwort der WWU-Studierenden dazu war eindeutig: 86 Prozent verneinten diese Frage, neun Prozent legten diesen aufkeimenden Gedanken wieder ad acta. Nur fünf Prozent waren tatsächlich unsicher, ob sie ihr Studium fortsetzen würden – eine gesicherte Abbrecherquote gibt es nicht.
Bei den Antworten zu den grundsätzlichen Belastungen fällt auf, dass die Studierenden und Dozenten im Positiven wie im Negativen dicht beieinanderlagen. Beide Gruppen gaben der Technik und der Organisation auf einer Skala von ein bis fünf eine Bewertung zwischen zwei und drei ab - die persönliche Situation und die Notwendigkeit zur Selbstorganisation stellten sich gleichermaßen als größte Belastung dar.
Julia Schmidt und Johannes Friederich werden die Ergebnisse interessierten Fachbereichen und anderen Einrichtungen wie dem Career Service und International Office zur Verfügung stellen – inwieweit sich aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen ergeben, steht noch nicht fest. Das ISTAT wird allen Hochschulen, die teilgenommen haben, einen Gesamt-Ergebnisbericht vorlegen, so dass sich daraus ein deutlich über die WWU hinausgehendes Bild ergeben wird und die Hochschulen sich zudem miteinander vergleichen können.
Norbert Robers
Der Text ist in der Universitätszeitung wissen|leben am 14. April 2021 erschienen.