|
Münster (upm/hd)
Prof. Dr. Harald Hiesinger<address>© WWU - Heiner Witte</address>
Prof. Dr. Harald Hiesinger
© WWU - Heiner Witte

"Die Mondlandungen sind in mein Gedächtnis eingebrannt"

Weltraumexperte Prof. Dr. Harald Hiesinger vom Institut für Planetologie der WWU:

Erinnern Sie sich an irgendein besonderes Erlebnis oder Ereignis im Zusammenhang mit dem Mond?

Wenn man sich täglich wissenschaftlich mit dem Mond beschäftigt, gibt es natürlich viele solcher Momente. Eingebrannt in mein Gedächtnis sind die Mondlandungen, die ich als kleiner Junge mit meinen Eltern am Schwarz-Weiß-Fernseher meiner Großeltern mitverfolgen durfte. Jahre später war ich beim Start der Lunar Reconnaissance Orbiter Mission in Cape Canaveral dabei und sah "unser" Raumschiff von der Startrampe abheben. Ein paar Tage später bekamen wir die ersten Bilder – beides unvergleichliche Erlebnisse nach langen Jahren der Vorbereitung und des Zitterns. Schließlich erinnere ich mich an die totale Sonnenfinsternis vor vielen Jahren, die ich bei Nieselregen auf einer Wiese im Schwäbischen erlebt habe. Ein wirklich eigenartiges Gefühl, wenn es am helllichten Tag plötzlich dunkel wird. Erlebnisse der völlig anderen Art sind die Wintervollmondnächte bei klirrender Kälte am Staffelsee. Auf dem zugefrorenen See zu stehen, wenn der Mond die Berge und die Eisoberfläche hell beleuchtet: Das ist einfach nur schön!

Welche Rolle spielt der Mond in Ihrem Fachgebiet?

Für mich als Planetologen ist der Mond ein extrem wichtiger Körper, der uns nicht nur unser Erde-Mond-System besser verstehen lässt, sondern auch die Geschichte und Entwicklung des gesamten Sonnensystems. Viele wichtige Erkenntnisse wurden aus den Proben der Apollo- und Luna-Proben abgeleitet. So wissen wir, dass der Mond durch eine Kollision eines marsgroßen Körpers mit der frühen Erde entstanden ist, dass die äußersten 400 bis 500 Kilometer einst von einem glutflüssigen Magmaozean bedeckt waren und die Einschlagrate in der Frühphase des Sonnensystems um ein Vielfaches höher war als heute. Auch ist der Mond der einzige Körper im Sonnensystem, der es uns erlaubt, die Anzahl von Kratern mit den Gesteinsaltern der Proben zu kalibrieren. Dies ermöglicht uns auch, Gebiete zu datieren, die nie von einem Astronauten besucht wurden und sogar Oberflächen auf anderen planetaren Körpern zu datieren. Generell fasziniert mich auch die ungeheure geologische Komplexität des Mondes.

Verraten Sie uns ein Mond-Detail aus Ihrem Fachgebiet, das Sie besonders erstaunlich finden…

Die hellen Flecken auf dem Mond sind das Produkt der Kristallisation des Magmaozeans. Als dieser fast vollständig erkaltete, bildete sich die leichte kalziumreiche Kruste, die auf dichteren magnesium- und eisenreicheren Mineralen des Mondmantels wie ein Korken im Wasser aufschwamm. Dies geschah vor mehr als 4,3 Milliarden Jahren, und es ist für mich immer wieder erstaunlich, dass wir die sehr alten Gesteine dieser primären Kruste noch heute sehen können. Zudem fasziniert mich das sogenannte Südpol-Aitken-Becken, ein Einschlagkrater mit einem Durchmesser von mehr als 2200 Kilometern. Solch ein großer Krater könnte die gesamte Mondkruste durchschlagen haben und Material von der tiefen Kruste oder eventuell sogar dem Mondmantel an die Oberfläche gebracht haben. Sind diese Dinge schon schwer zu greifen, ist noch schwerer vorstellbar, dass die Kraterböden nahe den Polen kein Sonnenlicht empfangen und damit zu den kältesten Gebieten im gesamten Sonnensystem zählen, in denen sich Wassereis und andere leichtflüchtige Elemente ansammeln können. Die Erkundung und die eventuelle Nutzbarmachung des Wassers für zukünftige Mondbasen ist Gegenstand vieler international geplanter Missionen zum Mond.

Hatten oder haben Sie ein Lieblings-Buch oder –Lied oder etwas anderes Persönliches, in dem der Mond vorkommt?

Das 1973 "Pink Floyd"-Album "Dark side of the Moon" – ganz klar! Es ist einfach genial. Auch wenn es keine "dark side" des Mondes gibt und der Mond im Laufe einer Umdrehung um die Erde überall gleichmäßig beschienen wird, mit Ausnahme der polaren Kraterböden.

Wichtig sind für mich in dieser Beziehung aber vor allem die persönlichen Kontakte zu einigen Apollo-Astronauten, die tatsächlich auf dem Mond waren und dort geologisch gearbeitet haben. Es ist immer wieder faszinierend, ihnen zuzuhören – das ist durch nichts zu ersetzen.

 

Podcastfolge mit Prof. Harald Hiesinger vom 15.12.2020

Prof. Dr. Harald Hiesinger vom Institut für Planetologie berichtet unter anderem im WWU-Cast, was die Wissenschaft schon über den Mond weiß, ob der Mond eigentlich jemandem gehört und wie es ist, den Start einer Raumfahrtmission aus nächster Nähe zu beobachten.

Links zu dieser Meldung