Vergleichende Studie zur Serienfertigung von Lithium-Ionen-Batterien und Alternativtechnologien
Die Forschung zur Batteriezellherstellung gewinnt an Dynamik – das muss sie auch, betrachtet man den zukünftigen Bedarf an Energiespeichern: Für das Jahr 2030 wird sich die weltweite Produktion wiederaufladbarer Batterien von heutigen 750 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr auf 1.500 GWh erhöhen. Ein Forscherteam unter der Federführung von Wissenschaftlern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) hat nun im Fachmagazin „Nature Energy“ einen Übersichtsartikel zu Fertigungsprozessen verschiedener Batterietypen veröffentlicht. Dieser legt nahe, dass die aktuell etablierte Lithium-Ionen-Batterie (LIB) den Markt wiederaufladbarer Hochenergiebatterien mittelfristig dominieren wird. Alternative Batterietechnologien, insbesondere Feststoffbatterien, aber auch Lithium-Schwefel- oder Lithium-Luft-Batterien, werden zwar intensiv erforscht, jedoch noch nicht industriell in Großserie produziert. Ausgehend von zahlreichen aktuell entstehenden Produktionskapazitäten für LIB, würde eine Umstellung auf sogenannte Post-Lithium-Ionen-Batterien (PLIB) mit neuen Prozesstechnologien, Fertigungsumgebungen sowie Kompetenzen einhergehen und erfordere deshalb Milliardeninvestitionen.
„In den kommenden zehn Jahren wird die Lithium-Ionen-Technologie den Markt für wiederaufladbare Hochenergiebatterien voraussichtlich weiterhin beherrschen. Denn sie vereint vorteilhafte Eigenschaften wie Energie- und Leistungsdichte, Sicherheit, Lebensdauer und niedrige Kosten in einem. Zudem werden durch die derzeit weltweit entstehenden Produktionsstätten bereits Tatsachen geschaffen, welche die Aufholjagd möglicher Folgetechnologien erschweren dürfte“, erklärt Dr. Richard Schmuch, stellvertretender Bereichsleiter Materialien am MEET Batterieforschungszentrum. Gemeinsam mit Dr. Fabian Duffner, Institut für betriebswirtschaftliches Management am Fachbereich Chemie und Pharmazie der WWU sowie Porsche Consulting GmbH, hatte er die Federführung für die Analyse inne. Zusammen mit weiteren Batterie- und Produktionsforschern arbeiteten sie heraus, dass Produktionsprozesse der LIB auf die meisten Folgetechnologien nicht eins zu eins übertragbar sind. Richard Schmuch konstatiert: „Hier warten zahlreiche technische Herausforderungen und hohe Investitionen auf die Zellproduktion.“
Intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erforderlich
Einzig die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien ist in vielen Prozessschritten vergleichbar mit der von Lithium-Ionen-Batterien. Da dieser Batterietyp aber bislang deutlich geringere Energieinhalte aufweist, stellt er aktuell keine Perspektive für den durch die Lithium-Ionen-Technologie bedienten Massenmarkt dar. Die Produktionsprozesse weiterer Post-Lithium-Ionen-Batterien wie Festkörper-, Lithium-Schwefel-, oder Lithium-Luft-Batterien unterscheiden sich deutlich von der Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien: Schritte wie Elektrodenherstellung, Zellbau oder Zyklisierung erfordern andere Techniken, Herstellungsumgebungen oder Maschinen.
Fabian Duffner erklärt: „Wir kennen aktuell weder alle erforderlichen Großserienmaschinen noch die dazugehörigen Prozessparameter für die Zellfertigung von Post-Lithium-Ionen-Batterien. Für ihre Industrialisierung sind intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erforderlich, die sich auf den Aufbau neuer Fertigungskompetenzen und die Entwicklung neuer Maschinen konzentrieren.“ Zudem müssten PLIB in Bezug auf alle wichtigen Leistungsparameter wie Energie, Leistung, Sicherheit, Lebensdauer und Kosten umfassend mit LIB konkurrieren, um eine Alternative auf dem Massenmarkt zu werden.
Die detaillierten Ergebnisse zum Status quo der Batteriezellproduktion haben Dr. Fabian Duffner und Dr. Richard Schmuch gemeinsam mit Prof. Dr. Jens Tübke, Fraunhofer Institut für Chemische Technologie, Prof. Dr. Jens Leker, Institut für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie der WWU, sowie Prof. Dr. Martin Winter, MEET Batterieforschungszentrum und Helmholtz-Institut Münster, als Übersichtsartikel im Fachmagazin „Nature Energy“ veröffentlicht.
Originalpublikation:
Fabian Duffner, Niklas Kronemeyer, Jens Tübke, Jens Leker, Martin Winter & Richard Schmuch (2021): Post-lithium-ion battery cell production and its compatibility with lithium-ion cell production infrastructure. Nature Energy (2021/01/28), 2058-7546, DOI: 10.1038/s41560-020-00748-8
Batteriezellen „Made in Germany“
Eine moderne und skalierbare Batteriezellproduktion in Deutschland und Europa vorantreiben soll künftig die im Aufbau befindliche Forschungsfertigung Batteriezelle, ein neuer Institutsteil des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT am Standort Münster. Sie stellt das Wissen und die Infrastruktur zur Verfügung, mit der kleine und mittlere Unternehmen, aber auch Großunternehmen und Forschungseinrichtungen, die seriennahe Produktion neuer Batterien erproben und optimieren können. Gemeinsam mit Partnern aus der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Lehrstuhl PEM der RWTH Aachen und dem MEET Batterieforschungszentrum der WWU soll durch Anwendungsforschung und Technologietransfer in die Großserienproduktion die Wettbewerbsfähigkeit an den internationalen Markt sichergestellt werden.