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Münster (upm/ps)
Nachhaltiges Trio in Sachen Mode: Nathanael Stöckle (l.), Nikola Krause und Bijan Honarmand betreiben das Online-Portal und das temporäre Ladenlokal „Freiraum Secondhand“. Das Konzept verfolgt eine nachhaltige Textilwirtschaft, wie sie auch an der Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft gelehrt wird.<address>© Freiraum Secondhand</address>
Nachhaltiges Trio in Sachen Mode: Nathanael Stöckle (l.), Nikola Krause und Bijan Honarmand betreiben das Online-Portal und das temporäre Ladenlokal „Freiraum Secondhand“. Das Konzept verfolgt eine nachhaltige Textilwirtschaft, wie sie auch an der Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft gelehrt wird.
© Freiraum Secondhand

Second-Hand-Mode neu gedacht

Nachwuchs-Gründer sorgen für eine nachhaltige Kleiderwirtschaft

Modetrends kommen und gehen, die Kleiderschränke vieler Menschen werden voller und voller, Millionen Kleidungsstücke landen alljährlich im Müll. Die Wohlstandsgesellschaft pflegt eine Wegwerfmentalität. Dieser Zustand ist den drei WWU-Studierenden Nikola Krause, Nathanael Stöckle und Bijan Honarmand schon lange ein Dorn im Auge. Bei ihrem theoretischen Ärger darüber wollten sie es nicht belassen – und gründeten das Start-up-Unternehmen „Freiraum Secondhand“. Damit verfolgen sie mehrere Ziele: einen sauberen, luftigen Kleiderschrank, ein Umdenken beim Kauf und beim Entsorgen von Kleidung, mehr Achtsamkeit mit Blick auf die Umwelt und auf die Bedürfnisse ärmerer Menschen.

Anfang dieses Jahres eröffneten die Psychologie-Studentin und die beiden BWL-Studenten, die sich vor einem Jahr beim Venture Club Münster kennenlernten, ihr Online-Geschäft www.Freiraum-Secondhand.de. Am 1. Oktober rückten sie sogar in Münsters allerbeste Einkaufslage vor: Am Roggenmarkt 15 eröffneten sie – begleitend zum Internetgeschäft – ein Ladenlokal. Für die Finanzierung konnten sie auf ein Gründerstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen setzen. Mit aussortierten und neu präsentierten Kleidungsstücken setzen sie auf Nachhaltigkeit, um die Langlebigkeit von modischer Kleidung zu fördern.

Und das funktioniert so: Wer seinen Kleiderschrank freigeräumt hat (= Freiräumer), bringt die überflüssigen Kleidungsstücke frisch gewaschen im Laden vorbei. „Bei uns finden Schrankhüter glückliche neue Besitzer“, betont Mitgründerin Nikola Krause. „Die Kunden tun etwas Gutes – für die Umwelt und für andere Menschen. Sie bekommen zudem einen Anteil am Verkaufserlös.“ Die Kleidung werde gebügelt, etikettiert, fotografiert sowie online und offline zum Weiterverkauf angeboten, ergänzt Nathanael Stöckle.

Bei „Freiraum Secondhand“ gibt es keine Massenware von der Stange, da es ständig neue Einzelstücke für Damen, Herren und Kinder gibt, „die jemand anderes schon mal geliebt hat“, wie es die drei Gründer formulieren. Natürlich kommt es vor, dass einzelne Kleidungsstücke nicht verkauft werden können. Also doch wegwerfen? Nein. Die drei Jungunternehmer haben auch für diese Fälle eine Lösung. Falls einzelne Kleidungsstücke nicht verkauft werden, spenden die drei Studierenden sie beispielsweise an das Haus der Wohnungslosenhilfe oder an den Münsterschen Sozialdienst katholischer Frauen.

Im hellen und geräumigen Ambiente ihres selbst ausgestatteten Ladens präsentiert das Freiraum-Trio Kleidung, die länger hält und nicht aus der oder wieder in Mode kommt. „Wir haben Kunden vom Teenager bis zum Senioren“, berichtet Nathanael Stöckle. „Eben weil wir Second-Hand-Mode nicht nur nachhaltig und preiswert, sondern auch individuell und stylisch anbieten", ergänzt Nikola Krause. „Wir zeigen, dass Second-Hand cool ist.“

Nathanael Stöckle hat bereits in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet. So hat er erste Erfahrungen in der Branche gesammelt. „Wir haben die Werbung und die Ausstattung für den Laden selbst in die Hand genommen und legen viel Wert auf direkte Kundenansprache“, betont er. Nikola Krause schätzt auch die Einkaufskultur im Laden. „Man kommt mit den Kunden ins Gespräch. Sie sind offen, freundlich und an unserem Konzept interessiert.“

Der Onlineshop und der Laden ergänzten sich gut, betonen die drei Geschäftspartner. Auch die Geschäftsleute in der Nachbarschaft hätten sie gut aufgenommen. Entscheidend seien jedoch die Reaktionen der Kunden und der damit verbundene Werbeeffekt. „Wir sorgen für ein nachhaltiges Glückserlebnis“, meint Nathanael Stöckle. Die Kunden würden einen typischen Second-Hand-Laden erwarten – „und finden sich stattdessen in einer modischen Boutique wieder.“ Die Sorgen und Zweifel am Erfolg, die Mitgründer Bijan Honarmand am Anfang hatte, sind längst verflogen. „Ich habe gelernt, dass man einfach mal etwas ausprobieren muss.“ Mittlerweile sind sie zuversichtlich, bald von ihrem Second-Hand-Shop leben zu können.

Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts hat Dr. Ansgar Buschmann übernommen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Innovation & Personal, sowie Mitglied der „Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft an der WWU. „Das Projekt ist gut angelaufen“, lautet sein Zwischenfazit. „Die drei Gründer sind als Einzelkämpfer gestartet und haben jetzt schon eigene Praktikanten eingestellt.“

Die nächsten Schritte zeichnen sich ab. Psychologiestudentin Nikola Krause schreibt möglicherweise ihre Masterarbeit über das Projekt, das genaue Thema ist noch offen. Ihren Laden in exponierter Altstadtlage wollen sie so lang wie möglich am Leben halten, mindestens bis zum Jahresende – der Onlineshop soll in jedem Fall erhalten bleiben. Für das kommende Jahr denken sie darüber nach, ein Ladenlokal auf Dauer anzumieten und Angestellte einzustellen. „Wenn es so weiterläuft wie bisher, sehe ich dafür gute Chancen“, betont Nikola Krause.

Autor: Peter Sauer

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 11. November 2020.

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