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Kaffeeproduktion braucht klare Regeln
Kaffee, das beliebteste Getränk der Deutschen, wird weltweit von rund 20 Millionen Kleinbauern angebaut, die häufig unter der Armutsgrenze leben. Private Nachhaltigkeitsstandards, beispielsweise Rainforest Alliance oder Nespresso AAA, versprechen Konsumenten ein fair gehandeltes und ökologisch nachhaltiges Produkt. Viele solcher Standards werden jedoch nicht konsequent eingehalten, hat Dr. Janina Grabs in ihrer Dissertation an der „Graduate School of Politics“ des Instituts für Politikwissenschaft der WWU offengelegt. „Die rapide Hochskalierung von Nachhaltigkeitsstandards bedeutet ein starkes Marktwachstum an zertifizierten Kaffeeprodukten sowohl unter Produzenten als auch im Handel. Das wiederum führt oft zu einer flexibleren Definition von Nachhaltigkeit, einem Preisprämienverfall und einer unvollständigen Umsetzung von nachhaltigen Produktionspraktiken unter Kaffeebauern. Nachhaltigkeitsstandards benötigen daher klarere Regeln“, erklärt die Politikwissenschaftlerin.
„Viele Bauern müssen ihren Kaffee unter Wert verkaufen und entkommen der Armutsfalle nicht. Daher können bessere Anbau- und Handelsbedingungen zu globalen Nachhaltigkeitszielen beisteuern“, sagt Janina Grabs, die auf Basis einer quantitativen Felddatenerhebung von über 1.900 Kaffeebauern in Honduras, Kolumbien und Costa Rica sowie anhand von mehr als 60 Experteninterviews die Umsetzung solcher Standards im Feld und in der Wertschöpfungskette ausgewertet hat.
In Deutschland gibt es rund 350 mit einem Nachhaltigkeitssiegel gekennzeichnete Kaffeeprodukte. Nach einer Studie des Forums Fairer Handel e.V. gehört Kaffee mit einem Anteil von über 30 Prozent am Gesamtumsatz des fairen Handels zum weltweit umsatzstärksten fair gehandelten Produkt. Allein in Deutschland hat Röstkaffee aus fairem Handel einen Marktanteil von fünf Prozent. „Freiwillige Nachhaltigkeitsstandards haben sich zu wichtigen politischen und wirtschaftlichen Instrumenten entwickelt, um die internationalen Märkte an die Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung zu binden“, sagt Thomas Dietz, Professor für Internationale Beziehungen und Recht am Institut für Politikwissenschaft der WWU. Er leitet das vom Land NRW geförderte Forschungsprojekt „TRANSSUSTAIN“, in dem auch die Dissertation von Janina Grabs entstanden ist. „Das internationale Interesse an unseren Forschungsergebnissen ist groß, da wir zu den wenigen Forschungsprojekten weltweit gehören, die empirisch untersuchen, wie es um die Wirksamkeit von Nachhaltigkeitsstandards in der globalen Kaffee-Wertschöpfungskette bestellt ist – und was tatsächlich bei den Bauern ankommt“, erklärt der Experte. Die Studienergebnisse legen offen, dass der Erlös und die Prämienzahlungen zu gering sind, um nachhaltiges Wirtschaften sowie soziale und ökologische Standards einzuhalten.
Denn je nach Standard können Bauern oft zwischen erforderlichen Nachhaltigkeitskriterien wählen oder müssen diese nur nach und nach erfüllen. Daher sei es schwierig nachzuvollziehen, welche Art von Kaffeeanbau das zertifizierte Produkt tatsächlich repräsentiert. Daneben wird aus Effizienzgründen nur ein Bruchteil von Bauern überprüft. Besonders wichtig sei der Aspekt, dass es vielen Bauern schwerfällt, strenge Regeln einzuhalten, wenn sie keine adäquate Entlohnung für ihren Mehraufwand erhalten. „In Zeiten vom Verkauf von Kaffee mit Nachhaltigkeitssiegeln in Discountern hat sich leider auch im zertifizierten Markt der Preiskampf durchgesetzt, und Preisprämien für Bauern sind rapide gesunken“, erläutert Janina Grabs. Der Erlös decke oft lediglich die Anbaukosten, und viele Bauern könnten nur einen Teil ihrer Ernte in den zertifizierten Markt abgeben.
Allerdings bieten nur wenige andere Standards verlässliche Preisprämien, die solche finanziellen Anreize setzen könnten. Und eine Absatzgarantie könne der faire Handel nicht geben. Daher sind viele Bauern auf die zusätzliche Unterstützung durch Nicht-Regierungsorganisationen oder den Staat angewiesen, um Nachhaltigkeitsstandards zu erreichen. „Aus meiner Sicht ist es unabdingbar, dass private und öffentliche Gesetzgebung und Regeln bestmöglich ineinandergreifen“, erklärt Janina Grabs.
Autorin: Kathrin Kottke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, Mai 2020.