"Durch unsere akademische Ausbildung haben wir uns einen wertvollen Erfahrungsschatz erarbeitet"
Der „FrachtPilot“ – eine digitale Komplettlösung für den landwirtschaftlichen Direktvertrieb – ist das erste Produkt des Start-ups FlexFleet Solutions. Für diese Idee erhielt das dreiköpfige Gründerteam in diesem Jahr bereits den Start-up-Preis der Internationalen Grünen Woche und die Auszeichnung für innovative Agrarinformatik der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft. Gründer Dr. Sebastian Terlunen hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) Wirtschaftsinformatik studiert und promoviert. Im Interview mit Kathrin Nolte spricht er über die Vorteile einer akademischen Ausbildung als Gründer, den Weg von der ersten Idee hin zum eigenen Unternehmen und die Unterstützungsangebote an der WWU.
Welche Rolle spielt Ihre wissenschaftliche Ausbildung für Sie als Gründer?
Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Als Wirtschaftsinformatiker, promoviert im Bereich Logistik, war es bei der Ansprache von Neukunden bisher von Vorteil. Ich habe immer einen Vertrauensvorschuss bekommen – dadurch, dass ich sowohl Software entwickeln kann als auch den logistischen Kontext beherrsche. Außerdem habe ich mir durch meine akademische Ausbildung einen wertvollen Erfahrungsschatz erarbeitet, wie ich strukturiert Probleme angehen und lösen kann. Aber um in der realen Wirtschaftswelt zu bestehen, braucht es mehr. Und darauf wird man an der Universität nicht vorbereitet. Die Wirtschaft tickt anders, die Kunden ticken anders als in der Theorie. Insbesondere bei einer Gründung gibt es viele Herausforderungen: Man muss sein Produkt weiterentwickeln. Das Thema „Entrepreneurship“ ist wichtig und wie man sich um seine sogenannten Business Angels kümmert, also erfahrene Unternehmer, die einen bei der Gründung unterstützen. Die finanzielle Präsentation des Start-ups ist von Bedeutung. Die Kunden müssen von dem Produkt überzeugt werden. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser.
Wie beschreiben Sie den Weg von der Idee über die Gründung bis hin zum eigenen Unternehmen?
Die Idee des FrachtPiloten kommt daher, dass ich auf dem Land groß geworden bin. Ich wohne auch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb. Beruflich habe ich mich aber gegen die Landwirtschaft entschieden und Wirtschaftsinformatik an der WWU studiert. Nach meiner Promotion konnte ich diese beiden Bereiche miteinander vereinen. Während meiner Zeit am Institut für Wirtschaftsinformatik habe ich festgestellt, dass die Routenoptimierung von Produkten aus landwirtschaftlichen Betrieben nicht weitverbreitet ist und es Verbesserungspotenzial gibt. Die Routenoptimierung ist aber nur ein Problem. Vielmehr ergab unsere Analyse, dass der gesamte landwirtschaftliche Direktvertrieb mit einer Software-Komplettlösung abgedeckt werden sollte – die es noch nicht auf dem Markt gab und ein Alleinstellungsmerkmal ist. Nach vielen Diskussionen, insbesondere mit unserem wissenschaftlichen Mentor Prof. Dr. Stephan Meisel vom Institut für Wirtschaftsinformatik, war der nächste Schritt, ein EXIST-Gründerstipendium zu beantragen. Mit Jan-Hendrik Fischer, der ebenfalls Wirtschaftsinformatik studiert hat und derzeit promoviert, und mit meinem ehemaligen Studienkollegen Dr. Stefan Fleischer habe ich ein hoch professionelles und harmonisches Team gefunden. Im Rahmen des EXIST-Gründerstipendium, das über ein Jahr läuft, haben wir ab Oktober 2018 zusammen mit vier Landwirten den FrachtPiloten entwickelt. Am 1. Oktober 2019 sind wir mit der Software an dem Markt gegangen und haben sie bei unseren vier Kunden eingesetzt. Im November 2019 gründeten wir die FlexFleet Solutions GmbH. Stand Mitte Februar 2020 sind bereits 55.000 Bestellungen über den FrachtPiloten abgewickelt.
Wie beurteilen Sie die Unterstützung durch die WWU?
Wir honorieren besonders die Infrastruktur der WWU, die wir mitnutzen können. Wir haben beispielsweise für die Dauer des EXIST-Gründerstipendiums zwei Büros am Leonardo-Campus erhalten. Auch ist der Kontakt zu neuen Hilfskräften sehr schnell aufgebaut. So studieren alle unsere Hilfskräfte an der WWU. . Das EXIST-Gründerstipendium haben wir über die Arbeitsstelle Forschungstransfer der Universität Münster mithilfe von Janita Tönnissen beantragt. Die Zusammenarbeit war sehr hilfreich, da wir bei Fragen und Problemen immer eine Ansprechpartnerin hatten.
Passt Universität und Gründen aus Ihrer Sicht gut zusammen?
Ja, auf jeden Fall! Ich halte es für sehr sinnvoll, einen universitären Background zu haben. Im Studium lernt man, nicht triviale Sachverhalte und Probleme strukturiert anzugehen und zu lösen. Das ist ein großer Vorteil.
Welche Tipps können Sie Gründungswilligen geben?
„Einfach mal machen“ ist ein guter Tipp. Natürlich hat man gerade am Anfang große Bedenken, weil eine Unternehmensgründung auch immer ein Risiko birgt. Aber mehr als Scheitern kann man nicht. Dann beendet man das Projekt und hat eine hohe Lernkurve. An dem Spruch „Einfach mal machen“ muss man jedoch zwei Sternchen setzen: Zum einen sollte sich jeder genau überlegen, ob er bereit dazu ist, auch lange Durststrecken zu erleben. Nicht jeder Tag ist ein Erfolg. Zum anderen braucht man einen ausgereiften Geschäftsplan. Es bringt nichts, eine schnelle Idee zu haben. Das Entscheidende – ob man erfolgreich ist oder nicht – ist, dass man sich alle Eventualitäten gut überlegt. Wenn man einen solchen Masterplan entwickelt hat, sollte man ihn verfolgen.