Physiker verbinden Bauteile von Quantentechnologien
Quanteneffekte entspringen der Welt der kleinsten Teilchen und Strukturen und ermöglichen viele neue technologische Anwendungen. Ein Quantencomputer zum Beispiel könnte in Zukunft Probleme lösen, die klassische Computer nur mit großem Zeitaufwand meistern. Weltweit tüfteln Forscherinnen und Forscher intensiv an den einzelnen Bauteilen von Quantentechnologien – dazu gehören Schaltkreise, die Informationen mithilfe von Lichtquanten anstelle von Elektrizität weitergeben, aber auch Lichtquellen, die einzelne Photonen produzieren können. Eine besondere Herausforderung ist es, diese beiden Bausteine miteinander zu verbinden und so integrierte quantenoptische Schaltkreise auf Chips herzustellen.
Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben jetzt eine Schnittstelle entwickelt, die Lichtquellen für einzelne Photonen mit nanophotonischen Netzwerken verbindet. Sie besteht aus sogenannten photonischen Kristallen – nanostrukturierten Materialien, die beim Durchgang von Licht einen bestimmten Wellenlängenbereich verstärken können. Solche photonischen Kristalle finden in vielen Forschungsbereichen Anwendung, waren zuvor aber noch nicht für diese Art von Schnittstellen optimiert worden. Die Wissenschaftler versprechen sich von den neu entwickelten photonischen Kristallen, dass sie sich unkompliziert mit gängigen Nanofabrikationsmethoden reproduzieren lassen.
„Mit unserer Arbeit zeigen wir, dass komplexe Quantentechnologien nicht nur in hoch spezialisierten Laboren und in einmaligen Versuchen hergestellt werden können“, sagt Nanophysiker Jun.-Prof. Dr. Carsten Schuck von der WWU, der die Studie gemeinsam mit Jun.-Prof. Dr. Doris Reiter aus der Festkörpertheorie leitete. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, Quantentechnologien skalierbar zu machen. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „Advanced Quantum Technologies“ erschienen.
Hintergrund und Methode:
Da sich einzelne Photonen im Quantenbereich bewegen, sprechen Wissenschaftler bei den entsprechenden Lichtquellen von Quantenemittern. Für ihre Studie betrachteten die Forscher Quantenemitter, die in Nanodiamanten eingebettet sind und Photonen aussenden, wenn sie mit elektromagnetischen Feldern angeregt werden. Um die angestrebten Schnittstellen herzustellen, war es das Ziel der Forscher, optische Strukturen zu entwickeln, die auf die Wellenlänge der Quantenemitter zugeschnitten sind.
Hohlräume beziehungsweise Löcher in photonischen Kristallen eignen sich dazu, Licht in winzigen Volumina einzusperren und mit Materie, wie hier den Nanodiamanten, wechselwirken zu lassen. Physikdoktorand Jan Olthaus in der Nachwuchsgruppe von Doris Reiter entwickelte theoretische Konzepte und spezielle computergestützte Simulationstechniken, um die Designs für diese photonischen Kristalle zu berechnen.
Die theoretisch entwickelten Designs stellten Physiker in der Nachwuchsforschergruppe um Carsten Schuck am Center for NanoTechnology und Center for Soft Nanoscience der WWU her. Doktorand Philipp Schrinner fertigte die Kristalle aus einem dünnen Film aus Siliziumnitrid. Er nutzte dazu unter anderem moderne Elektronenstrahlschreiber und spezielle Ätzverfahren an den Geräten der Münster Nanofabrication Facility und schaffte es, die Kristalle in hoher Güte direkt auf dem Basismaterial Siliziumdioxid herzustellen.
Bei der Strukturierung der Kristalle variierten die Forscher zum einen die Größe und Anordnung der Löcher und zum anderen die Breite des Wellenleiters, auf dem die Löcher platziert waren. Die Messergebnisse zeigten, dass sich photonische Kristalle, die eine spezielle Variation der Lochgröße aufwiesen, am besten für die Schnittstellen eigneten.
„Unsere Zusammenarbeit zwischen theoretischen und experimentellen Physikern ist ein Idealfall in der physikalischen Forschung. Solche Kooperationen sind nicht immer einfach, da sich unsere Arbeitsweisen oft gravierend unterscheiden. Daher freuen wir uns umso mehr, dass die Kooperation zwischen unseren beiden Nachwuchsgruppen so gut aufgegangen ist“, betont Doris Reiter. „Das Besondere an unserer Arbeit ist, dass unsere Designs keine zusätzlichen Verarbeitungsschritte erfordern, sondern mit der etablierten Dünnschichttechnologie für integrierte photonische Schaltungen kompatibel sind“, ergänzt Carsten Schuck. Das ist bei der Entwicklung von komplexen Quantentechnologien nicht selbstverständlich, denn häufig gelingt es zwar Forschern, einen wichtigen Baustein einmalig in hoher Güte herzustellen, aber nicht, den gleichen Baustein in vielfacher Ausführung erneut zu produzieren.
In ihren nächsten Schritten wollen die Wissenschaftler die in den Nanodiamanten eingebetteten Quantenemitter an bestimmten Punkten der photonischen Kristalle positionieren, um die Studienergebnisse anzuwenden. Dazu entwickelt die Arbeitsgruppe um Carsten Schuck bereits eine spezielle Nanofabrikationstechnik, die zum Beispiel einen 100 Nanometer kleinen Diamanten mit einer Genauigkeit von weniger als 50 Nanometern platzieren kann. Die Theoretischen Physiker um Doris Reiter wollen die Studien auf andere Materialsysteme und komplexere Geometrien der photonischen Kristalle ausweiten und zum Beispiel elliptische statt runder Löcher einsetzen.
Förderung:
Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Originalpublikation:
J. Olthaus, P. P. J. Schrinner, D. E. Reiter & C. Schuck (2019). Optimal photonic crystal cavities for coupling nanoemitters to photonic integrated circuits. Advanced Quantum Technologies; DOI: 10.1002/qute.201900084