"Is ne Erziehungsaufgabe für Grufties"
"Jugendsprache – eine Einführung" heißt das neue Buch von Dr. Nils Bahlo, das er mit sechs weiteren Autoren im Metzler-Verlag herausgegeben hat und das seit wenigen Tagen im Handel erhältlich ist. Für das Interview mit Norbert Robers ließ sich der Germanist der Universität Münster gerne und spontan auf ein Experiment beziehungsweise auf einen Versuch ein: auf ein Gespräch, das in Teilen auf genau jenen Jugendslang zurückgreift, der für viele Erwachsene heute eher befremdlich klingt. Es sollte halt möglichst krass werden...
Gute Interviews leben von knorke Fragen und astreinen Antworten. Beim Thema Jugendsprache müssen wir beide natürlich darauf achten, dass auch die Kids und der fux von heute sagen: Das war swag. Das müsste Ihnen als Sprachexperte doch leichtfallen, oder?
Gute Interviews feier ich krass ab ...
... es soll möglichst tight werden, ich schwöre!
Meine Homies (ȘimȘek, Kalkavan-Aydın, Marx, Lotze, Schwarz und Becker) sind krasse Checker, wir haben das Entsnowden von Jugendsprache zu unserem Beruf gemacht, läuft also.
Kann Jugendsprache so absonderlich sein, dass nur noch Jugendliche wissen, was gemeint ist? Ich checke jedenfalls nicht, was Parmesanregen (Schuppen) oder Streberburg (Bibliothek) bedeuten ... Sie wahrscheinlich schon, ich will Sie schließlich nicht dissen ...
Jugendsprache geht schon mal steil. Grundsätzlich kann man sagen, dass Jugendsprache total easypeasy deutsch ist. Mögen die Wörter und Sprüche auch zeitweise unverständlich daherkommen, kann man sagen, dass die richtig krassen Bomben (die, die keiner versteht und die wir hier so inflationär verwenden) wohl eher Erfindungen der Gammelfleisch-Generation sind. Viele Jugendliche haben diese Wörter nie erreicht. Jugendsprache ist aus öffentlicher Sicht eine Fiktion und aus wissenschaftlicher Sicht notwendig. Die Oberfläche ändert sich, der Kern chillt auf Basis bekannter Regeln.
KB auf Eure prollige Ausdrucksweise, halten manche Kritiker den Jugendlichen entgegen. Chill Deine Basis und laber mich nicht an, lautet deren Antwort. Was sagen Sie: Ist Jugendslang assig oder einfach nur gefährlich fürs Deutsche?
Der deutschen Sprache geht es echt geil. Die weltbekannte Anthropologin Penelope Eckert hat mal rausgehauen: „Adolescents are the linguistic movers and shakers [...]“. Jugendsprache disst die deutsche Sprache auf keinsten. Jugendsprache renoviert sie, rüttelt sie auf, passt sie der Umgebung an. Allerdings ist Jugendsprache auch nicht für jeden der Burner. Die jungen Britneys, Gangstaz, Schlampen und die Nerds müssen lernen, wann man wie mit wem reden kann – im Fachjargon heißt das situative Angemessenheit. Is ne Erziehungsaufgabe für die Grufties. Man muss einfach nicht alles porno finden, machen wir einfach den Chillinger und konzentrieren uns auf das Vermitteln von Werten und Normen, die wir für richtig erachten. Dann lanzen wir uns auch bei der kommenden Generation mit unserem Flow ein. Und sie machen es nach – sagen zumindest die Shell-Studien.
Yolo, sagten sich auch schon die DDR-Kids und pflegten ihre eigene Jugendsprache – beispielsweise mit Begriffen wie affenstark und Zuckerpuppe. Oder ist das Niveaulimbo heute besonders galaktisch?
Bei vielen Begriffen machen wir Alten und auch andere Jugendgruppen eine Gesichtspalme. Jugendsprache wurde früher als Jargon oder Sondersprache abgestempelt. Heute wissen wir, dass jede Generation, sogar jede Gruppe individuelle Sprachstile ausprägt, die für die jeweilige Gruppe voll tight sind. Das sind Zeichen von Identität, das muss so.
Wir alle können heute noch nicht wissen, ob sich beispielsweise „Datenzäpfchen“ für einen USB-Stick oder „sozialistisch umlagern“ als Synonym für klauen im Sprachgebrauch halten werden. Aber gibt es Beispiele für Begriffe, die es aus der Jugendsprache in den normalen Sprachgebrauch geschafft haben?
Auf etwas stehen, ein Fass aufmachen, Kumpel, abgebrüht sein, Flamme (für Freundin), halbes Hemd, toll: Das sind alles Jugendwörter aus den 60ern. Über Gerinnung oder Dropout entscheidet die Prominenz der Verwendung und ihre Alltagstauglichkeit.
Wenn man sich so intensiv mit Jugendsprache beschäftigt, ist man doch sicher gediegen drauf – und ewig jung, oder?
Jo. Der Babo weiß, wie die Chabos ticken.