Wissenschaftliche Karriere: Der Weg zum eigenen Lehrstuhl
Die Idee, dass eine wissenschaftliche Karriere etwas für mich sein könnte, kam mir bereits im Studium. Ich studierte damals an der WWU, arbeitete als studentische Hilfskraft am damaligen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht und war fasziniert von dem Gedanken, die Befriedigung meiner Neugier zu meinem Beruf machen zu können. Dennoch war der Weg in die Wissenschaft alles andere als geradlinig. Nach Abschluss meines Staatsexamens zog ich zunächst von Münster nach Wiesbaden, um dort das juristische Referendariat zu absolvieren. Dieses bereitete mir überwiegend nur wenig Freude und bestätigte damit den Wunsch nach einer wissenschaftlichen Karriere.
Mit großen Erwartungen begann ich daher nach dem zweiten Staatsexamen meine Promotion. Die äußeren Bedingungen schienen hervorragend: Ich hatte ein spannendes Promotionsthema zur Demokratie im Völkerrecht, wurde mit einem Stipendium gefördert und hatte zugleich eine Viertelstelle am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Doch trotz dieser guten Rahmenbedingungen kamen mir bald Zweifel an meiner Berufung für die Wissenschaft. Je mehr ich las und forschte, desto mehr hatte ich ein Gefühl der eigenen Unvollkommenheit. Die Vertiefung in Theorien der Demokratie und die Grundlagen des Völkerrechts zeigten mir auf, wie wenig ich wusste. Zudem setzte ich mich selbst unter Druck: Wenn ich in die Wissenschaft wollte, musste – so meine Vorstellung – die Dissertation ein großer Wurf werden. Jeder Satz, den ich zu Papier brachte, genügte meinen eigenen Ansprüchen nicht. Ich merkte daher, wie ich mich langsam von dem Gedanken einer wissenschaftlichen Laufbahn verabschiedete, und sah mich aktiv nach Alternativen um: Ich informierte mich in Recruiting-Veranstaltungen über die Arbeit in Unternehmensberatungen und Kanzleien. Zudem nahm ich am Auswahlverfahren des Auswärtigen Amtes teil. Denn während meines Referendariats war ich bei der Deutschen Botschaft in Bangkok. Diese Station hatte mir am besten gefallen.
Für das zweite Jahr meiner Promotion hatte ich mir einen Forschungsaufenthalt an der New York University (NYU) organisiert. Dieser brachte die entscheidende Wende. Ich belegte an der NYU ein Seminar zu aktuellen Fragen des Völkerrechts. Die Diskussionen in dem Seminar waren so anregend, dass ich dieses jedes Mal mit dem Gefühl verließ, dass Wissenschaft der Beruf ist, der mich wirklich begeistert. Gleichzeitig gelang es mir, die Schreibblockade zu lösen und die Arbeit an meiner Promotion voranzutreiben.
Nach meiner Rückkehr aus New York und dem Einreichen der Doktorarbeit ging ich nach Bonn an das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. Ich habe insgesamt siebeneinhalb Jahre an dem Institut verbracht. Eine Zeit, die mich sehr geprägt und mein Verständnis von Rechtswissenschaft fundamental gewandelt hat. Ich habe mich mit sozialwissenschaftlichen Methoden vertraut gemacht und meine Forschung stärker auf beschreibende als auf normative Fragestellungen konzentriert.
Nach Abschluss der Habilitation im Jahr 2014 folgte eine Phase der Unsicherheit – die Suche nach einer Professur. Doch ich hatte Glück: Kurz nachdem ich meine Habilitationsschrift eingereicht hatte, schrieb die WWU eine Stelle aus, die gut zu meinem Profil passte. Das Interesse war gegenseitig, sodass ich seit Februar 2015 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie empirische Rechtsforschung an der WWU habe. Dass ich damit wieder an meinen Studienort zurückgekehrt bin, noch dazu auf den Lehrstuhl, bei dem ich während meiner Studienzeit als studentische Hilfskraft gearbeitet habe, ist eine der kuriosen Geschichten, die nur das Leben schreibt.
Prof. Dr. Niels Petersen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie empirische Rechtsforschung an der WWU.