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Münster (upm/nor)
Die Wissenschaftler legen die Batteriezellen von außerhalb des Gebäudes in die Testkammern.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Die Wissenschaftler legen die Batteriezellen von außerhalb des Gebäudes in die Testkammern.
© WWU - Peter Leßmann

Kurzschlüsse provozieren, mit Nägeln quälen – alles dient der Sicherheit

Batterieforschung: In einem separaten Labor suchen Wissenschaftler nach Schwachstellen von Zellen

Die meisten Spaziergänger, die über den Leonardo-Campus laufen, werden dieses eingeschossige Gebäude kaum registrieren. Etwa 25 Meter lang und fünf Meter schmal ist der mit roten und weißen Streifen verzierte Bau, das Dach besteht aus einer Wellblech-Konstruktion, drum herum steht ein etwa 1,50 Meter hoher Maschendrahtzaun. Für Markus Börner ist es dagegen nicht irgendein Gebäude: „Dass uns dieser Bau zur Verfügung steht, ist ein Traum.“

Was hat es bloß auf sich mit diesem kleinen und eher unscheinbaren Komplex auf der grünen Wiese? Beim kurzen Rundgang löst sich das Rätsel schnell auf. Markus Börner schwärmt vom „Batterie-Sicherheitslabor“, in dem Spezialisten wie er Batterien mit Nägeln „quälen“, sie überladen, Kurzschlüsse provozieren –  sie kurzum auf ihre Schwachstellen beziehungsweise ihre Sicherheit testen. Und was genau ist daran nun so traumhaft? „Im MEET-Batteriezentrum der Universität stellen wir die Zellen selber her und wissen somit sehr genau, wie viel von welchem Element an jeder Stelle steckt. Wir können die komplette Prozesskette von der Herstellung der einzelnen Komponenten wie Aktivmaterialien, Elektroden oder den Elektrolyten bis zur Produktion reproduzierbarer Zellen mit industrierelevanter Kapazität abbilden – und gleich nebenan können wir all dies auch noch testen. Diese kurzen Wege helfen uns bei der Weiterentwicklung“, betont Markus Börner, der seit 2012 nach seinem Studium der Nanostrukturtechnik in Würzburg am MEET arbeitet.

Batterien sind allgegenwärtig, am Arbeitsplatz und zu Hause – deren Sicherheit ist für jeden Nutzer selbstverständlich. Mit der geplanten massenhaften Elektromobilität wird dieses Thema dagegen ungleich größer und wichtiger: In einer Batterie, die ein tonnenschweres Auto samt Insassen binnen weniger Sekunden auf 100 und mehr Stundenkilometer beschleunigt, steckt auf sehr kleinem Raum enorm viel Energie. Damit sind automatisch Risiken und Unsicherheiten verbunden.

Das gilt natürlich auch für Treibstofftanks und Verbrennungsmotoren. Aber an die Tatsache, dass sie mit mehreren Dutzend Litern brennbarem Treibstoff in einem nur wenige Millimeter dünnen Plastiktank durch die Gegend fahren, haben sich alle Autofahrer über die Jahrzehnte hinweg gewöhnt. Ein einziges Foto eines in Brand geratenen E-Autos lässt manche Bürger dagegen sehr grundsätzlich an der Batteriesicherheit zweifeln – zumal es alles andere als eine banale Aufgabe ist, eine brennende Batterie zu löschen.

Dr. Markus Börner demonstriert außerhalb der Testkammern, wie ein Nagel in eine Batteriezelle gebohrt wird.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Dr. Markus Börner demonstriert außerhalb der Testkammern, wie ein Nagel in eine Batteriezelle gebohrt wird.
© WWU - Peter Leßmann
Die Zahlen sprechen gleichwohl dagegen. Studien zufolge, berichtet Markus Börner, ereigneten sich in den USA bei Autos mit Verbrennungsmotoren 90 Brände pro einer Milliarde gefahrenen Meilen. Bei der mit Batterien angetriebenen Flotte des US-amerikanischen Unternehmens Tesla registrierten die Behörden nach der gleichen Laufleistung dagegen nur einen Brand. „Es ist die übliche Angst vor neuen Technologien, die uns an der Sicherheit anfangs zweifeln lässt“, meint der MEET-Experte. „Hinzu kommen sicherlich auch noch ungenügend viele Erfahrungswerte.“

Im 2015 fertiggestellten Batteriesicherheitslabor werden vor allem Zellen auf Herz und Nieren getestet, die größer als die in Handys oder Laptops sind. Wie beeinflusst das Alter deren Sicherheit? Was passiert an welcher Stelle im Falle einer Überladung? Wo ist die höchstreaktive Komponente einer Zelle, wenn man einen Nagel hineinhämmert? Im MEET arbeiten die Wissenschaftler in drei großen Gruppen: Materialien, Analytik und Zellsysteme – letztgenannte Gruppe sorgt sich auch um die Sicherheit. Die große Kunst besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Batterien auch dann noch sicher sind, wenn alle, vorwiegend elektronisch gesteuerten Sicherheitskomponenten ausgefallen sind. „Die Batterie soll intrinsisch sicher sein“, fasst Markus Börner zusammen.

Die Testkammern sind mit schmalen Scheiben aus Panzerglas gesichert.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Die Testkammern sind mit schmalen Scheiben aus Panzerglas gesichert.
© WWU - Peter Leßmann
Für diese Tests stehen im Batteriesicherheitslabor vier sogenannte Kammern zur Verfügung, die jeweils mit einer etwa einer Meter hohen und 50 Zentimeter breiten Panzerglasscheibe gesichert sind und die von außerhalb des Gebäudes mit den Testzellen bestückt werden. Die Kammern drei und vier sind mit „Überladung/Kurzschluss“ beschriftet, wo die Batteriesicherheit bei elektronischen Fehlfunktionen getestet wird. In der Kammer zwei („Presse“) prüfen die Forscher die Zellen im Fall einer mechanischer Beschädigung. Die erste Kammer ist mit „Kalorimeter“ überschrieben – hier untersuchen sie den Einfluss erhöhter Temperaturen. Durch die Glasscheiben können die Wissenschaftler ihre Tests beobachten. Zur Ausstattung des Labors gehört schließlich eine Art Nebengebäude mit einem Gasabsorber, wo die Abgase vor dem Austritt gereinigt werden, einer Kühlung und einem Zyklisierraum, um gegebenenfalls die elektrochemische Leistung der Batterien unter einem Dach vor und nach einem Sicherheitstest untersuchen zu können.

In der ersten Kammer lässt sich gut beobachten, was passiert, wenn die Forscher einen fest installierten Nagel langsam in eine 13 mal acht Zentimeter große Lithium-Ionen-Batteriezelle hineinbohren. Kurzschluss! Eine Art Standardtest, um das Zellverhalten unter ständig wechselnden Bedingungen zu beobachten. „Wissenschaftlich betrachtet, ist dieser Test wenig aufschlussreich. Aber er kommt halt in vielen Normen vor“, meint Markus Börner. „Wir können hier glücklicherweise eine ganze Reihe von Tests praktizieren, die wesentlich aufschlussreicher sind.“

Norbert Robers

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