"Unsere Auszubildenden sollen ihre Möglichkeiten, die ihnen bei uns geboten werden, nutzen"
Vom Gärtner bis hin zum IT-Systemelektroniker: Neben Studium und Forschung bietet die Universität Münster 19 verschiedene Ausbildungsberufe. Dazu zählt auch die Ausbildung zum Chemielaboranten im Organisch-Chemischen Institut, für die Karin Hassels und Peter Eggert seit 2009 beziehungsweise 2001 verantwortlich sind. Kathrin Nolte sprach mit den beiden Ausbildern über die schulischen Voraussetzungen und die Entwicklung weg von der handwerklichen Praxis hin zu mehr gefordertem Spezialwissen.
Was zählt zu Ihren Aufgaben als Ausbilder im Organisch-Chemischen Institut?
Karin Hassels: Als Ausbilder in unserem Institut ist es die wichtigste Aufgabe, die Auszubildenden in ihren Fähigkeiten zu fördern und zu stärken. Darüber hinaus bereiten wir sie nach den Vorgaben des Ausbildungsrahmenplans auf die Abschlussprüfung und das zukünftige Berufsleben möglichst optimal vor. Bei uns haben die Auszubildenden neben ausreichender Zeit für die Ausbildung auch die Möglichkeit, beispielsweise durch die Betreuung der Experimentalvorlesungen in das Chemiestudium reinzuschnuppern. Durch Kooperation mit verschiedenen Abteilungen und Nachbarinstituten decken wir die gesamte Breite der Ausbildung zum Chemielaboranten ab.
Peter Eggert: All dem kann ich nur beipflichten, möchte aber hinzufügen, dass man als Ausbilder des Öfteren über das Fachliche hinaus als Ratgeber bei Sorgen und Nöten der Azubis Hilfestellungen geben kann.
Welche Erfahrungen machen Sie im Umgang mit den Nachwuchskräften?
Hassels: Unsere Auszubildenden kommen aus unterschiedlichen Schulformen und haben somit unterschiedliche Voraussetzungen, die sie mitbringen. Sowohl im mathematischen als auch im naturwissenschaftlichen Bereich sind die schulischen Kenntnisse oft nur noch sehr theoretisch und weniger praxisorientiert. Typische mathematische Anwendungen wie der Dreisatz oder das Aufstellen und Lösen einfacher Gleichungen, die im Laboralltag benötigt werden, sind oft innerhalb der ersten Jahre an der weiterführenden Schule abgehandelt und müssen von uns wieder hervorgekitzelt werden. Bei den praktischen Aufgaben im Chemieunterricht bleibt es oft dabei, dass man in der Lage ist, einen Bunsenbrenner zu benutzen. Dies ist jedoch nicht dem fehlenden Engagement der Lehrer geschuldet. In der Regel ist es in der Schule eine Frage des geringen Etats für das Unterrichtsfach, der sowohl für die Beschaffung als auch für die Sicherheit und Entsorgung ausreichen muss.
Eggert: Dass jeder Auszubildende eine eigenständige Persönlichkeit ist, macht den täglichen Arbeitsablauf im Labor nicht immer einfach, aber äußerst interessant. Es gibt keine eingefahrene Routine, die oft in anderen Jobs auftritt. Das ist der gewisse Reiz, den diese Aufgabe mit sich bringt und keine Langeweile aufkommen lässt.
Haben sich die Qualifikationen der angehenden Chemielaboranten in den vergangenen Jahren verändert? Welche Entwicklungen nehmen Sie wahr?
Hassels: Wenn man die Entwicklung der Ausbildung zum Chemielaboranten im Laufe der Jahre betrachtet, so lässt sich ein eindeutiger Trend feststellen: Aus ehemals fünf praktischen Aufgaben in der Abschlussprüfung sind heute nur noch zwei geworden. Das rein „handwerkliche“ Geschick für die Labortätigkeit wurde zugunsten des in der heutigen Zeit bedeutenden Bereichs der instrumentellen Analytik in der Quantität zurückgenommen. Auch in der theoretischen Abschlussprüfung zeigt sich dies ganz deutlich. Die Fragen aus den sogenannten Wahlqualifikationen, eine ebenfalls neue Möglichkeit für die Betriebe, ihre Ausbildung in eine bestimmte Fachrichtung zu spezialisieren, haben teilweise ein Niveau erreicht, bei dem so mancher Bachelor-Studierender keine Antwort liefern könnte. Schade ist, dass sich der „Handwerksberuf“ zu einer Tätigkeit entwickelt hat, die ein zum Teil sehr spezielles und vom theoretischen Niveau sehr hoch angesiedeltes Fachwissen verlangt. Denn eigentlich ist ein Hauptschulabschluss für diese Ausbildung ausreichend, die bei diesen steigenden Anforderungen aber eine hohe Lernbereitschaft voraussetzt.
Eggert: Würde man nur die Noten auf den Zeugnissen zugrunde legen, müsste man sagen: Nein, die Zugangsqualifikationen haben sich nicht geändert. Betrachtet man jedoch manche Dinge genauer, wie zum Beispiel die Ergebnisse unseres Einstellungstests, wundern wir uns schon ein wenig, wie dieser – diplomatisch ausgedrückt – oft nicht gut ausfällt. Über die Jahre gesehen fällt insbesondere der zunehmende Mangel an mathematischen Grundkenntnissen auf. Die Bewerber können oft einfachste Rechenaufgaben wie beispielsweise Bruch- oder Prozentrechnen und Dreisatz nicht korrekt beantworten. Oder sie versuchen es erst gar nicht, sie zu lösen. Ähnlich verhält es sich bei den Deutsch-Kenntnissen. Bei Protokollen treten häufig große Mängel in der Rechtschreibung und Ausdrucksweise auf. In einem technischen Beruf wie dem des Chemielaboranten spielen beide Fächer eine große Rolle.
Worauf legen Sie als Ausbilder besonders Wert?
Hassels: Mir ist es wichtig, dass unsere Auszubildenden sich bei uns wohl fühlen und sich gut ins Team einfinden. Dieser Aspekt spielt eine sehr bedeutende Rolle in der persönlichen Entwicklung und damit verbunden auch für den eigenen Erfolg. Spaß und Interesse an diesem Beruf sind natürlich ebenso wichtig, denn man hat sich dazu entschieden, als Chemielaborant in den nächsten Jahren seines Lebens tätig zu sein. Eigene Lernbereitschaft, umsichtiges und sorgfältiges Arbeiten sollten ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Ein soziales Miteinander, Ehrlichkeit anderen und sich selbst gegenüber sowie Hilfsbereitschaft sind Aspekte, die nicht nur im Labor von besonderer Bedeutung sind, sondern eine Sozialkompetenz, die wir gerne fördern, da sie jeder für sein gesamtes Leben gebrauchen kann.
Eggert: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Was wünschen Sie sich von Ihren Auszubildenden?
Hassels: Dass sie ihre Möglichkeiten nutzen und annehmen, glücklich und zufrieden sind und irgendwann an uns zurückdenken und sich sagen können: ,Meine Lehrzeit war super und hat mich gut auf mein Berufsleben vorbereitet. Dadurch hatte ich viele Möglichkeiten, mich weiterzuentwickeln.‘ Das würde uns stolz machen.
Eggert: Ich würde mich ebenfalls sehr darüber freuen, wenn unsere Auszubildenden die Möglichkeiten, die wir ihnen bieten, erkennen und nutzen. Wenn sie dann, in ihrer Persönlichkeit gereift, zum Ende der Ausbildung eine ordentliche Prüfung ablegen, kann man sich als Ausbilder kaum mehr wünschen. Kurz gesagt: Wenn die Azubis uns mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht verlassen und sie uns irgendwann einmal wieder besuchen mit genau diesem Lächeln im Gesicht, dann weiß man, dass man nicht alles falsch gemacht hat.
Das Berufsbild des Chemielaboranten
Chemielaboranten bereiten chemische Untersuchungen und Versuchsreihen vor und führen diese durch. Sie analysieren Stoffe, trennen Stoffgemische und stellen chemische Substanzen her. Darüber hinaus werten sie die Ergebnisse aus. Sie arbeiten in erster Linie in Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionslaboratorien der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Farben- und Lackindustrie oder der Nahrungsmittelindustrie. Sie sind auch in naturwissenschaftlichen und medizinischen Instituten von Hochschulen beschäftigt. Darüber hinaus können sie unter anderem in Firmen der chemischen Untersuchung und Beratung oder bei Umweltämtern tätig sein.