Juni 2024 | Zwölf Monate, zwölf Menschen | Porträt über Prof. Dr. Karin Busch
Juni 2024 | Zwölf Monate, zwölf Menschen | Porträt über Prof. Dr. Karin Busch

Mehr Licht ins Dunkel bringen

Zellbiologin Prof. Dr. Karin Busch möchte verlässlichen Pfaden in der Forschung den Rücken kehren und Neues entdecken. Seit Juni 2024 leitet sie ein Verbundprojekt zur Gedächtnisforschung, das insgesamt rund 1,2 Millionen Euro über das „Human Frontier Science Program“ erhält.
Karin Busch erforscht die molekularen Prozesse in den Mitochondrien von Zellen und gewinnt Einblicke in die Energie-Maschinerie der Organismen.
© Nike Gais

So viel Zeit, sich in die Wissenschaft hineinzuknien, hatte Karin Busch vorher nie: Seit ihre drei Kinder erwachsen sind und studieren, kann sie sich noch intensiver in die Arbeit stürzen, zum Beispiel Förderanträge schreiben und neue Projekte einwerben. Gerne würden sie auch mit ihren Kolleginnen und Kollegen ein neues Graduiertenkolleg auf die Beine stellen …

Der Research Grant des „Human Frontier Science Program“ (HFSP), den die Zellbiologin mit einem Biochemiker aus Schottland und einer Neurobiologin aus den USA eingeworben hat, kam gerade recht. „Es ist wie ein Geschenk, ich bin glücklich. Manchmal hat man ja scheinbar spinnerte Ideen, die für die konventionelle Forschungsförderung nicht infrage kommen“, sagt sie. Das HFSP, ein internationales Programm zur Stärkung herausragender Forschung in den Lebenswissenschaften, fordert dagegen ausdrücklich, ausgetretene Pfade zu verlassen, um Neues zu entdecken. „Es erlaubt explorative Forschung, basierend auf Wissen, das wir über die Jahre gesammelt haben.“ Außerdem sei es fantastisch, dass sie sich exzellente Partnerinnen oder Partner von überall aus der Welt suchen konnte, mit denen sie ungelöste Rätsel angehen könne. „Besonders gefällt mir, dass der Grant Interdisziplinarität zur Bedingung hat, das bündelt Expertisen und erlaubt Synergien.“

Das deutsch-schottisch-amerikanische Team möchte verstehen, welche Bedeutung die Effizienz der Energieversorgung der Nervenzellen für die Bildung des Langzeitgedächtnisses hat – ein bislang kaum untersuchtes Terrain. Konkret erforscht die Gruppe, wie Ionenströme das zentrale Enzym des Energiestoffwechsels, die ATPSynthase, in den sogenannten Mitochondrien der Hirnnerven regulieren.

Mitochondrien sind Karin Buschs Steckenpferde. Wie kleine Organe im Inneren von Zellen sorgen diese manchmal mehr, manchmal weniger kugeligen Gebilde, „Organellen“ genannt, dafür, dass der Organismus mit der nötigen Energie versorgt wird. Die dabei ablaufenden Prozesse sind extrem komplex und haben schon Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Forschungsstoff geboten. Genügend offene Fragen gibt es immer noch. „Von Mitochondrien kann ich stundenlang erzählen“, schwärmt Karin Busch. Dass die molekularen Prozesse in den Mitochondrien heutzutage in lebenden Zellen erforscht werden können, ist auch ihr Verdienst. Junge Menschen aus der ganzen Welt kommen zu ihr nach Münster, um die von ihr entwickelte Technik der „Einzelmolekül-Mikroskopie in Mitochondrien“ zu erlernen. Mit dieser Methode lassen sich die Bewegungen von Proteinen in den zwei Membranen der Organellen verfolgen und somit tiefe Einblicke in die Energie-Maschinerie gewinnen.

Karin Busch ist im südhessischen Bensheim aufgewachsen, ohne akademische Vorbilder in ihrer Familie. Als Jugendliche wollte sie Reiseschriftstellerin werden – oder Entdeckerin. Nach dem Studium der Biochemie auf Diplom, dann Biologie und Chemie auf Lehramt schrieb sie Mitte der 1990er-Jahre ihre Doktorarbeit in der Pflanzenbiochemie an der Universität Tübingen und war begeistert. „Die Forschung hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt sie. Nach verschiedenen akademischen Stationen – darunter ein Postdoktorat am Weizmann Institute of Science in Israel sowie eine Gruppenleitung und anschließende Juniorprofessur in Osnabrück – wechselte sie 2015 an die Universität Münster. Ihr privater Lebensmittelpunkt ist nach wie vor in Osnabrück, wo ihr Mann, ebenfalls Professor, arbeitet.

Die nächsten Forschungsfragen neben dem HFSP-Projekt hat sie bereits auf der Agenda: Welche Rolle spielt die ATP-Synthase bei der Entstehung von Muskelschwäche und beim Altern? Und wie kann man die Effizienz des Enzyms beeinflussen? „Ich lasse ungern los. Wenn mich etwas packt, will ich es verstehen“, betont Karin Busch, die ihren Ausgleich im Garten und bei Hochgebirgstouren findet.

An einem Tag pro Woche mikroskopiert sie noch selbst, das lässt sie sich trotz ihrer Verpflichtungen als Hochschullehrerin nicht nehmen. Wenn sie im abgedunkelten Labor sitzt und die unter dem Mikroskop fluoreszierenden Zellen und Moleküle betrachtet, dann fällt ihr eine schöne Metapher ein für das, was sie am liebsten tut: Sie bringt Licht ins Dunkel.

Dr. Christina Hoppenbrock


Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2025.

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