Glücklich am Bodensee

Es erinnert atmosphärisch nichts an den von sommerlichem Sonnenlicht funkelnden Bodensee, als Dr. Mohan Muralikrishna Garlapati an einem kalten Novembernachmittag zum münsterschen Schloss kommt, um über seinen Werdegang und die von ihm im Juli besuchte 73. Lindauer Nobelpreisträgertagung zu reden. Das hiesige Wahrzeichen ist eingehüllt in dicken Nebel. Die Laune des Materialphysikers ist dennoch gut, er freut sich auf das Gespräch und bringt eine frohe Kunde mit: „Mir wurde eine Stelle als Professor am Indian Institute of Technology Patna angeboten, die ich schon bald antreten werde.“
Eine frohe Kunde für Mohan Garlapati ist nicht zwangsläufig eine frohe Kunde für die Universität Münster, die mit dem erst 30-jährigen Physiker einen begabten und ambitionierten Wissenschaftler verliert. Doch obwohl diese Beförderung vor allem eine persönliche Auszeichnung ist, so weist er auf die Bedeutung der Universität Münster hin: „Sie hat mich zu dem Wissenschaftler gemacht, der ich heute bin – ich bin ihr und dem Institut für Materialphysik sehr dankbar, hier mehrere Jahre hochprofessionell arbeiten und mich weiterentwickeln zu dürfen.“ Schon auf der Nobelpreisträgertagung hob Mohan Garlapati die Universität Münster hervor, als er erklärte, sie habe ihm diesen „größten Glücksmoment seiner Laufbahn“ ermöglicht.
Der Weg vom indischen Dorf zum Treffen mit Nobelpreisträgerinnen und -trägern war ein langer, den Mohan Garlapati früh und stets mit großem Interesse an der Natur und ihren Wissenschaften, an Erfindungen und technischem wie menschlichem Fortschritt beschritt. Einen Teil des Weges hat er als DAAD- sowie Humboldt-Fellow und als Gruppenleiter an der Uni Münster zurückgelegt, wo er im „Radiotracer Labor“, dem „weltweit einzigen seiner Arbeit“, wie er sagt, synthetische Materialien erzeugt und untersucht hat. Die Neugier paart Mohan Garlapati bei aller Demut, die er zeigt, seit jeher mit Ambitionen und Disziplin: „Es gab Zeiten, in denen ich zu ehrgeizig war und es vielleicht heute noch bin, etwa als ich promovierte. Währenddessen starb mein Vater und aufgrund der Arbeit habe ich viele schöne Momente mit ihm verpasst“, erklärt der Wissenschaftler. Heute wisse er, dass es wichtig sei, auch das Leben fernab der Arbeit zu genießen.
Seine Ambitionen, Neugier und Beharrlichkeit brachten ihn nach Lindau, wo er mit mehr als 630 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus 90 Ländern eingeladen war, mit fast 40 Nobelpreisträgerinnen und -trägern zusammenzukommen und von ihnen und -einander zu lernen. Der Dekan hatte ihn auf Empfehlung von Prof. Dr. Gerhard Wilde bei der Lindauer Auswahlkommission vorgeschlagen, die ihn schließlich einlud.
„Der erste Eindruck ist der beste Eindruck“, betont Mohan Garlapati, als er über seinen fünftägigen Aufenthalt in Lindau spricht und den Begrüßungsabend beschreibt. „Ich habe diese Vibrationen gespürt, diese große Motivation in mir und um mich herum, als ich umgeben war von mehr als einem Dutzend Nobelpreisträgern sowie Mitgliedern der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.“ Er habe in den Gesprächen gemerkt, dass auch diese Koryphäen nur Menschen seien, die sich allerdings vor allem durch zwei Dinge auszeichneten: Beharrlichkeit und Ausdauer. So habe ein Nobelpreisträger erzählt, dass er 22-mal nominiert gewesen sei, ehe er den Preis im fortgeschrittenen Alter bekommen habe. Trotz dieser größtmöglichen Auszeichnung würden seine Frau und er sich aber vor allem an die vielen Jahre harter Arbeit und finanzieller Schwierigkeiten vor dem Preis erinnern. „Das hat mich sehr inspiriert“, sagt Mohan Garlapati.
Diese Inspiration wird er mit in seine Heimat nehmen, um als Professor zu arbeiten und dabei der „sozialen Verantwortung für die Menschheit und die Umwelt“, die er als Wissenschaftler habe, gerecht zu werden. „Ich versuche noch immer, etwas im Leben zu erreichen“, ergänzt er – ein 30-jähriger Physiker, der Nobelpreisträger traf, mehrere Hundert Experimente in Münster durchgeführt und mehr als zwei Dutzend Paper veröffentlicht sowie Patente angemeldet hat und schon bald seinen (beruflichen) Lebenstraum erfüllt haben wird. So glücklich er über all diese Leistungen ist, vergisst er aber nicht, auf die große Unterstützung und den fortwährenden Zuspruch seiner Frau Sai Meghana und seiner Mutter Lakshmi hinzuweisen, ohne die sein Erfolg nicht möglich gewesen wäre.
André Bednarz
Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2025.
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