Februar 2024 | Zwölf Monate, zwölf Menschen | Porträt über Prof. Dr. Petra Dersch
Februar 2024 | Zwölf Monate, zwölf Menschen | Porträt über Prof. Dr. Petra Dersch

Von Weitblick und roten Fäden

Die Mikrobiologin Prof. Dr. Petra Dersch erforscht seit mehr als 30 Jahren Infektionen. Doch sie ist nicht nur Hochschullehrerin, sondern auch in mehreren wissenschaftlichen Gremien tätig, etwa im Wissenschaftsrat, in den sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Februar berufen hat.
Im Herzen ganz und gar Forscherin am Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung, nimmt Petra Dersch in ihrer Gremienarbeit immer wieder die großen Fragen und Linien der deutschen Wissenschaftslandschaft in den Blick.
© Nike Gais

Hoch hinaus geht es für Petra Dersch, als sie per Aufzug den Ostturm des Universitätsklinikums Münster erklimmt. Ihr Ziel ist das Café im 21. Stock mit Panoramablick. Der Ort ist bestens geeignet, um über ihr Leben zu sprechen – sie unterscheidet explizit nicht zwischen diesem und ihrer Arbeit. Nicht nur gehört sie, obwohl Biologin, dem Fachbereich Medizin an. Sie schaut auch seit Jahren über ihr Institut und die Universität hinaus, indem sie ehrenamtlich in verschiedenen Gremien und Einrichtungen arbeitet, etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Leibniz-Gemeinschaft und in der Leopoldina. Diese Beratungs- und Förderarbeit zieht sich wie der vielbeschworene rote Faden durch ihr berufliches Leben. Im Februar hat Petra Dersch diesen Faden weitergesponnen, als der Wissenschaftsrat sie in seine Reihen aufnahm. Damit wirkt Petra Dersch auf höchster nationaler Ebene daran mit, die Politik in übergeordneten Fragen der Wissenschafts- und Hochschulentwicklung zu beraten.

„Das empfinde ich als große Ehre“, betont sie. Wie genau es dazu kam, das kann die Wissenschaftlerin jedoch nicht beantworten. „Ich weiß nur, dass mich die DFG vorab kontaktiert hat, ob ich mir dieses Amt vorstellen kann.“ Monate später, die Nominierung hatte sie fast vergessen, traf besondere Post ein: der Ernennungsbrief des Bundespräsidenten. Obgleich das Engagement für Petra Dersch vor allem wegen des größer werdenden Drucks auf Demokratie und Wissenschaftsfreiheit immer wichtiger werde, geplant habe sie es so nie. Zwei Ereignisse gaben ihr aber wichtige Impulse. Erstens ein Rückschlag am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, wo sie zu früh zu große Verantwortung übernommen habe, „ohne die Arbeitsweise und Strategie durchschaut zu haben, weshalb ich ziemlich baden gegangen bin“. Zweitens die Berufung in das Fachkollegium der DFG. Petra Dersch zog aus beidem den Schluss, dass sie fachlich angesehen war, aber noch lernen musste, besser strategisch zu agieren.

Das ist ihr offenbar gelungen. In der DFG gestaltet sie die deutsche Forschungsförderung mit, kann Schwerpunkte setzen und Vorhaben sowie Strukturen im Sinne des Exzellenzprinzips unterstützen. Im Wissenschaftsrat, der anders als die DFG keine Förderinstitution ist und somit kein Geld vergibt, erarbeitet sie im Forschungsausschuss und im Fachausschuss Medizin datenbasierte Empfehlungen für die Politik, um die hiesige Wissenschaft weiterzuentwickeln. Die Vorbereitungen für diese Ehrenämter trifft sie vor allem abends oder am Wochenende, damit eines nicht zu kurz kommt: die Arbeit als Wissenschaftlerin.

„Mich fasziniert, mit welch ausgefeilten Tricks und welcher Effizienz krankheitserregende Bakterien unser hochkomplexes Immunsystem manipulieren und Infektionen auslösen“, erklärt die Mikrobiologin, die unter anderem in Boston, Berlin und Braunschweig forschte. Ihr wissenschaftliches Vorbild ist Marie Skłodowska Curie, die erkannt habe, dass Wissenschaft zwar langwierig und anstrengend sei, trotzdem die schönste Aufgabe der Welt. Langwierig, oder laut Petra Dersch „gründlich“, sei auch der Wissenschaftsrat, was zeitintensiv ist und dauert, doch sei die Arbeit des Rates sehr anerkannt. Darum hofft sie, dass die Politik vor allem mit Blick auf die Wissenschaft, auf Finanzierungs- und Systemfragen, innovativ, langfristig und verlässlich handele.

Angesichts dieses großen Engagements und ihrer Leistungen kommt eine Eigenschaft, die die 59-Jährige im Gespräch offenbart, unerwartet: Sie zweifelt gelegentlich an sich. Ob sie die Auszeichnungen und Berufungen verdient habe, und wie es dazu kommen konnte, mit dem Bundespräsidenten zu Abend zu essen oder dabei zu sein, als ihre Freundin und Kollegin Emmanuelle Charpentier den Chemie-Nobelpreis 2020 überreicht bekam. Petra Dersch ist durchaus in der Lage und willens, ihre Stärken zu benennen: Organisationstalent, Fleiß und Kreativität zum Beispiel. Aber ihre Selbstzweifel sind ein Beleg dafür, dass sie all das nicht einfach als selbstverständlich erachtet. „Ich komme nicht aus einer Akademikerfamilie und bin nicht mit dem Ziel, Professorin zu werden, in das Studium gestartet“, erklärt sie. Obwohl der beschriebene rote Faden also nicht klar vor ihr lag, so hat sie doch früh und immer wieder gespürt, Rück- und Schicksalsschlägen zum Trotz, was sie kann und was sie möchte: forschen, planen und sich für die Wissenschaft engagieren.

BU: Im Herzen ganz und gar Forscherin am Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung, nimmt Petra Dersch in ihrer Gremienarbeit immer wieder die großen Fragen und Linien der deutschen Wissenschaftslandschaft in den Blick.

André Bednarz


Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2025.

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