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1997

Die Senatskommission 1997 widmet sich auch der Frage, ob die Universität Münster tatsächlich nach Wilhelm II. benannt ist.

1997 - Tatsächlich Wilhelm II.?

Soweit erkennbar wurde im Rahmen der Namensdebatte 1996/97 erstmals in größerem Kreise darüber diskutiert, ob denn eindeutig geklärt sei, welcher Kaiser im Namen der Universität Münster geehrt werde: Wilhelm II. oder sein Großvater Wilhelm I.?

Die Frage scheint in der Beobachtung begründet, dass Wilhelm II. mit der Erinnerung an seinen Großvater Politik gemacht hat: zahlreiche Denkmäler wurden errichtet und Wilhelm I. vom Enkel in Reden immer wieder verehrend als „der Große“ angesprochen. Damit wollte Wilhelm II. zum einen den Anteil seines Großvaters an der Gründung des Deutschen Reichs hervorheben, zum anderen wird vermutet, dass er – im Spiel mit der Namensgleichheit – seinen Zuhörer*innen den Schluss nahelegen wollte, er werde es seinem Großvater gleichtun, ihn vielleicht sogar übertreffen.

Tatsächlich heißt es in der Kabinettsordre zur Namensverleihung vom 22. August 1907 nur:

„[…], will Ich dieser Universität in Anerkennung ihrer bisherigen erfolgreichen Wirksamkeit den Namen „Westfälische Wilhelms=Universität zu Münster“ beilegen in dem Vertrauen, daß sie sich dieser Auszeichnung dauern würdig erweisen wird.“ (Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 2441) [vgl. Quellen 1907]

Ein erläuternder Zusatz, der eindeutig klären würde, auf welche Person sich das „Wilhelm“ im neuen Universitätsnamen bezieht, fehlt hier. Eine Untersuchung, ob sich z.B. aus den Regeln des Hofprotokolls eine eindeutige Lesart ableiten ließe, steht noch aus.

Bisheriger Kenntnisstand:

Die 1996/97 eingesetzte Senatskommission unter Leitung des Historikers Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer hat die Frage „Wilhelm I. oder Wilhelm II.?“ aufgegriffen, erhalten ist jedoch nur der Ergebnisbericht der Nachforschungen in Form einer Tischvorlage für die Senatssitzung am 22. April 1997. Dort heißt es:

„Es ist davon auszugehen, daß Wilhelm II. der Namensgeber der Universität ist. Diese Patronage entsprach dem damaligen Wunsch der Universität, Stadt und Provinz Westfalen. Der Name wurde der Universität am 22.08.1907 durch Kabinettsordere verliehen.“ (Universitätsarchiv Münster, Bestand 334, Nr. 118)

Da die Tischvorlage keine Quellen nennt, ist es nicht möglich, zu prüfen, auf welcher Basis die Kommission zu diesem Schluss gekommen ist. In der weiteren Befassung mit der Namensfrage 1996/97 folgte man jedoch der von den Fachwissenschaftler*innen der Kommission formulierten Einschätzung. [vgl. Quellen 1996/97]

2012 hat außerdem der Mathematiker Norbert Schmitz die Ergebnisse seiner Nachforschungen zum Ursprung und zur Klärung der Frage „Wilhelm I. oder Wilhelm II.?“ in einem Online-Aufsatz zusammengefasst. Auch er kam zu dem Schluss, dass es keinen Grund gebe, an Wilhelm II. als Namensgeber der Universität Münster zu zweifeln.

Neue Quellen:

Die fortschreitende Digitalisierung von Quellen und auch die Bereitschaft der Archive, ihre Findbücher online zu stellen, hat weitere Quellen zugänglich gemacht, die hier zusammengestellt sind:

Die früheste derzeit bekannte Quelle zur Namensfrage der neuen Universität Münster findet sich im Protokoll der Senatssitzung vom 15. Februar 1902:

„Der Vorschlag von Herrn Prof. Lehmann, sein Gesuch um Benennung der Universität an S. Majestät zu richten, ohne von Seiten des Senats einen besseren Namen vorzuschlagen wird genehmigt." (Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 23.) [vgl. Quellen 1902]

Am 28. Mai 1902 beriet auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Münster über die Benennung der Universität, denn die Stadt Münster hatte erhebliche Mittel bereitgestellt, um die Wiedererhebung der Akademie zur Universität finanziell abzusichern. Die Protokolle der Stadtverordnetenversammlung (Stadtarchiv Münster, Stadtverordnetenregistratur, Nr. 48) sind sehr kurz gehalten und geben lediglich darüber Auskunft, dass ein Antrag die Universität betreffend angenommen wurde. Im Münsterschen Anzeiger vom 30. Mai 1902 wurde – wie üblich – über die Versammlung ausführlich berichtet. Gezeichnet mit „Geheimrath Niehues“ kann man dort in Sachen Universität lesen:

„[…] Zweck des vorliegenden Antrags des Magistrats ist, Se. Majestät, unsern allergnädigsten Kaiser und König ehrfurchtsvoll zu bitten, der Akademie die Bezeichnung Universität zu verliehen; und der neu ins Leben gerufenen Universität als Gründer derselben allergnädigst den eigenen Namen zu geben. Ich bemerke hierbei, daß die gleiche Eingabe, wie die vorliegende des Magistrats, die ich gewiß nicht noch besonders zu befürworten brauche, in diesen Tagen vom Senat der königlichen Akademie und von der Provinzialverwaltung an Sr. Majestät wird übermittelt werden. Ich bitte deshalb, den Antrag des Magistrats einstimmig anzunehmen. Die Annahme des Antrags erfolgte einstimmig. […]“ (online einsehbar unter www.zeitpunkt.nrw)

Der oben bereits genannte Professor Richard Lehmann war im akademischen Jahr 1900/01 Rektor der Akademie Münster und maßgeblich an den Verhandlungen zur Erhebung der Akademie zu einer Universität beteiligt. In seinem Nachlass findet sich die nächste Quelle zur Namensfrage:

Am 14./15. Juni 1902 weilt Lehmann in Berlin, um mit Friedrich Theodor Althoff, Universitätsreferent im Kultusministerium, über die nächsten Schritte bei der Universitätserhebung zu beraten. In dem Gedächtnisprotokoll, das er vermutlich unmittelbar nach der Besprechung verfasst hat, notiert er zur Namensfrage stichwortartig folgendes:

„Althoff sagt anfangs, es werde in Münster „lauter Unsinn gemacht“, auf mein Befragen nennt er die Sache mit der Stadtverordneten-Beratung und die Zeitungen. Bei Strassburg sei seinerzeit erst vertraulich sondiert worden, ob in solches Gesuch Seiner Majestät auch genehm sei. Es sei doch auch die westfälische Verschlagenheit, es könnten auch daraus weitere Folgerungen gezogen werden für Erlangung von medizinischer Fakultät etc. Dergleichen könne auch erst erfolgen, wenn man gesehen, wie sich die Sache mache etc. […] A. meint, dergleichen sei eine Sache, die geeignet sei, wenn mal Majestät in die Provinz Komme. In dem Antrag des Ministers solle die Verleihung des Allerhöchsten Namens einfach weggelassen werden, nicht erwähnt werden.

Bei der Unterredung (am 15. ergänzte ich noch, was ich am 14. vor den Anderen nicht so ausgesprochen habe, dass dieser Beschluss der Stadtverordnung im Vergleich zu früherer Entwicklung u früheren Empfindungen in Münster sehr wichtig sei. Es hat/ist mir sehr wichtig geschienen, die Münst. Stadtvertretung zu diesem patriotischen Beschluss zu führen. Darauf erwiderte A. nichts.“ (Universitätsarchiv Münster, Bestand 007, Nr.11)

[In der Originalquelle nutzt der Verfasser zahlreiche Abkürzungen, diese wurden der Lesbarkeit halber aufgelöst.]

Ausführlicher äußert sich Lehmann in seinen handschriftlichen Erinnerungen an seine Aktivitäten für die Universität in den Jahren 1900 bis 1904, die er 1924 verfasste und zusammen mit seinem Nachlass dem Landesarchiv übergab (heute befindet sich der Nachlass im Universitätsarchiv):

„Mit dem Entwurf für neue Statuten unserer Hochschule (vgl. oben S. 20ff.) hatte ich natürlich auch Anlass, mich mit der Frage eines neuen Namens für dieselbe zu beschäftigen. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass es am wünschenswertesten sein werde, wenn sie nach dem Muster des Namens „Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität“ der im Jahre 1818 gegründeten Universität Bonn den Namen „Westfälische Wilhelms-Universität“ erhielte. […] Es schien mir aber aus mannigfachen Gründen wichtig, dass der Name der auf neuer Grundlage wieder errichteten Universität nicht an Erinnerungen aus der vergangenen bischöflichen Fürstenzeit verknüpft, sondern mit dem Namen Sr. Maj. des Königs verknüpft und dass die Verleihung dieses Namens direkt von Münster aus erbeten würde.“ (Erinnerungen Lehmanns, 1924, S.32; Universitätsarchiv Münster, Bestand 007, Nr. 12.)

[Die heutige Universität Bonn wurde 1818 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. neu gegründet (die Vorgängeruniversität war 1798 geschlossen worden) und erhielt 1828 nach ihrem Gründer den Namen „Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität“ (vgl. K.T. Schäfer: Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818-1960. Bonn 1968, S. 100.]

Der Besuch Wilhelms II. in Münster vom 29. August bis zum 1. September 1907 nahm in den Tageszeitungen breiten Raum ein, sogar die gehaltenen Reden von Amts- und Würdenträgern wurden im Wortlaut abgedruckt. Gerade viele der Reden Wilhelms II. sind in zwei (oder mehr) Fassungen überliefert: ein offizieller Entwurf und die tatsächlich gehaltene Rede, die im Zeitungsdruck auf der Basis von Mitschriften verbreitet wurde. Da Wilhelm II. sich häufig zu unbedachten Äußerungen hinreißen ließ, die Reichskanzlei die offizielle Rede-Fassung also immer wieder auch zur Schadensbegrenzung nutzen musste, wird diesen Zeitungsdrucken in der historischen Forschung ein hoher Quellenwert beigemessen (vgl. hierzu z.B. M.A. Obst: „Einer nur ist Herr im Reiche.“ Kaiser Wilhelm II. als politischer Redner. Paderborn 2010).

Die Rede, die der preußische Kultusminister Holle anlässlich der Überreichung der Kabinettsordre zur Namensverleihung an die Universität Münster am Vormittag des 29. August hielt, ist wortgleich im Münsterschen Anzeiger sowie im Westfälischen Merkur vom 30. August 1907 überliefert. Zum Universitätsnamen heißt es dort:

„[…] Mit Rücksicht hierauf haben Se. Majestät der Kaiser und König die Gnade gehabt, einem vor Jahren bereits geltend gemachten Wunsch des akademischen Senats und der Vertretung der Stadt Münster und des westfälischen Provinzialverbandes stattzugeben, der überaus strebsamen Universität Allerhöchst seinen Namen zu verleihen.“ (online einsehbar unter www.zeitpunkt.nrw)

Als Vertretung der preußischen Regierung nennt Kultusminister Holle hier also ausdrücklich den regierenden Kaiser und König als denjenigen, der der Universität Münster seinen Namen verliehen habe. 

Nach seinem Eintreffen in Münster am Nachmittag des 29. August wurde Wilhelm II. von Bürgermeister Jungeblodt mit einer Huldigungsrede begrüßt, deren Wortlaut am 30. August 1907 im Westfälischen Merkur abgeduckt wurde. Dort heißt es:

„[…] Ew. Majestät haben in wahrhaft kaiserlicher Huld und Gnade dem Westfalenlande und der neu aufblühenden Stadt Münster die Universität wieder geschenkt und am heutigen Tage haben wir die hochbeglückende Kunde vernommen, daß unsere Hochschule das stolze Recht besitzen soll, den kaiserlichen Namen ihres erlauchten Gründers als „Westfälische Wilhelms-Universität“ führen zu dürfen. Nimmer vergehender Dank wird dem Schöpfer und huldvollen Förderer unserer alma mater für alle Zeiten preisen.“ (online einsehbar unter www.zeitpunkt.nrw)

Die Wiedererhebung der Akademie zur Universität wurde damals als Gründungsakt verstanden. 1902 war Wilhelm II. regierender Landesherr und wird daher hier als Gründer der Universität angesprochen.

In seiner ebenfalls im Westfälischen Merkur überlieferten Antwort an den Bürgermeister erwähnte Wilhelm II. die Universität nicht. Nach den vorliegenden Quellen zum Kaiserbesuch erwähnt er die Universität und auch das Thema Wissenschaft während seines Münster-Besuchs auch sonst an keiner Stelle.

Am 28. Januar 1908 hielt die Universität wie jedes Jahr zum Kaisergeburtstag eine Feier ab. In der Festrede des Rektors, die in der Universitätszeitung vom 1. Februar 1908 überliefert ist, heiß es:

„Wie unsers Kaisers Majestät in den letzten Tagen des August vorigen Jahres unsere westfälische Hochschule, die unter seiner Regierung zu neuem Leben erblühte, durch Uebertragung seines Namens ausgezeichnet hat, lebt in unser aller dankbaren Gedächtnis.“ (online einsehbar hier)

Die bisher bekannten Quellen geben also keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Universität Münster nach Wilhelm II. benannt wurde.

Diese Quellensammlung wird laufend ergänzt. Anregungen und Hinweise sind jederzeit willkommen!