Jahrbuch 14 (2003)
Erschienen 2005 beim Aschendorff Buchverlag, 216 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-402-04202-1, 20,40 Euro
Im Jahr 2002 wurden die Niederlande von den größten innenpolitischen Turbulenzen heimgesucht, die es seit 1945 im Land gegeben hatte. Bei den Kommunalwahlen im März 2002 erreichte die Bewegung des politischen Quereinsteigers Pim Fortuyn in Rotterdam auf Anhieb 35 Prozent der Stimmen, und viele rechneten damit, daß er bei den darauffolgenden Parlamentswahlen sogar die größte politische Kraft in den Niederlanden werden könnte. Kurz vor den Wahlen wurde Fortuyn ermordet, und seine rechtspopulistische Bewegung wurde mit gut 17 Prozent die zweitstärkste Fraktion im niederländischen Parlament. Was war geschehen in den Niederlanden, einem Land, das bis dahin vor allem durch politische Stabilität, Kontinuität und - in den Augen vieler ausländischer Beobachter - durch Toleranz und Liberalität gekennzeichnet war? Auch in Deutschland schienen 2001/2002 populistische Politiker wie Ronald Schill und Jürgen Möllemann erfolgreich zu sein. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stehen im vorliegenden Jahrbuch eine Reihe von Aufsätzen über den Vergleich von Parteien, Populismus und politischer Kultur in den Niederlanden und in Deutschland im Mittelpunkt. Sie gehen auf eine Tagung zurück, die am 4. und 5. Juli 2003 am Zentrum für Niederlande-Studien stattgefunden hat. In den Beiträgen über Parteien und politische Kultur. Die Niederlande und Deutschland im Vergleich geht es um politische Führungsstile, um Wahlverhalten und um die Bedeutung, die populistische Bewegungen wie die von Fortuyn oder Schill für die Demokratie besitzen. Was bedeutet politische Führerschaft in der heutigen Demokratie, in der die früheren Bindungen zwischen den politischen Parteien und den Wählern verschwunden sind und die Instabilität durch Rechtspopulismus zuzunehmen droht? Wie reagieren die ‚traditionellen' Parteien hierauf, und welche politisch-kulturellen Veränderungen sind zu erwarten? Auf diese und andere Fragen gehen namhafte niederländische und deutsche Politikwissenschaftler und Historiker in diesem Jahrbuch ein und bilden damit den Anfang eines neuen Forschungsschwerpunktes im Zentrum für Niederlande-Studien, der in den nächsten Jahren zu weiteren vergleichenden Studien über die politische Kultur in Deutschland und in den Niederlanden führen wird.
Weitere Beiträge dieses Jahrbuches beschäftigen sich mit dem langwierigen Kampf um Anerkennung der ehemaligen niederländischen Zwangsarbeiter in der Nachkriegsgesellschaft der Niederlande, mit dem für die deutsch-niederländischen Beziehungen wichtigen Staatsbesuch des Bundespräsidenten Gustav Heinemann in den Niederlanden 1969 und mit einem Vergleich der niederländischen und der deutschen Wirtschaft seit 1945. In diesem letzten Beitrag wird ausführlich auf die in Deutschland in den zurückliegenden Jahren oft gestellte Frage eingegangen, inwiefern die niederländische Wirtschaft als ein Vorbild für Deutschland dienen kann.
Wie jedes Jahr umfaßt auch dieses Jahrbuch schließlich einen ausführlichen Überblick über die Aktivitäten des Zentrums für Niederlande-Studien während des Jahres 2003, eine Bibliographie von deutschsprachigen Neuerscheinungen über die Niederlande und Flandern sowie eine Reihe von Buchbesprechungen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Henk te Velde
Drees und Fortuyn. Der Stil politischer Führerschaft in den Niederlanden seit 1945
Klaus Schubert/Marc Raschke
Führungsstile der deutschen Bundeskanzler
René Cuperus
Vom Poldermodell zum postmodernen Populismus. Die Fortuyn-Revolte in den Niederlanden
Frank Decker
Von Schill zu Möllemann. Über die Chancenlosigkeit des Populismus in der Bundesrepublik
Ton Nijhuis
Rechtspopulismus in Deutschland und in den Niederlanden. Betrachtungen zum unterschiedlichen Erfolg rechtspopulistischer Parteien
Paul Dekker
Politisches Engagement und Politikverdrossenheit in den NiederlandeBeiträge
André Beening
Der Kampf um Anerkennung. Ehemalige Zwangsarbeiter aus den Niederlanden
Marc Drögemöller
Eine Reise in die Vergangenheit? Der Staatsbesuch von Bundespräsident Gustav Heinemann in den Niederlanden 1969
Kees van Paridon
Die wirtschaftliche Position der Niederlande - wirklich besser als die deutsche?Projekte
Guido Topoll
Das landeskundliche Schulprojekt
Ilona Riek
Forschungsdatenbank Niederlande-Belgien
Ilona Riek
Nachfolgeprojekt Forschungskooperationen NRW-Benelux
Katrin Arntz
NiederlandeNet
Markus Wilp
Strategien zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von jugendlichen Migranten in Deutschland und den NiederlandeBerichte
Johannes Koll
Lehre am Zentrum für Niederlande-Studien
Loek Geeraedts
Veröffentlichung
Loek Geeraedts
VeranstaltungenLiteratur
Buchbesprechung
Johannes Koll
J. Janssens, De Belgische natie viert. De Belgische nationale feesten (1830-1914), Löwen 2001
Otto Dann
M.-Th. Leuker, Künstler als Helden und Heilige. Nationale und konfessionelle Mythologie im Werk J.-A. Alberdingk Thijms (1820-1898) und seiner Zeitgenossen, Münster u.a. 2002
Friso Wielenga
F. Boterman/M. Vogel (Hrsg.), Nederland en Duitsland in het interbellum. Wisselwerking en contacten: van politiek tot literatuur, Hilversum 2003
Dietrich Thränhardt
F. Eckardt, Pim Fortuyn und die Niederlande. Populismus als Reaktion auf die Globalisierung, Marburg 2003
(Friso Wielenga) D. Vogel (Hrsg.), Einwanderungsland Niederlande - Politik und Kultur, Frankfurt a.M./London 2003
Friso Wielenga
J.L. Kleuters/M. Ragg (Hrsg.), Christdemokratische Positionen in den Niederlanden, der Bundesrepublik und Europa - Christendemocratische Posities in Nederland, Duitsland en Europa, Nimwegen 2003Bibliographie
Stephanie Tewaag
Bibliografie deutschsprachiger Literatur über Flandern und die Niederlande für das Jahr 2003