Forschungsschwerpunkt I: Re-Defining the Public

Die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit spielt für moderne Gesellschaften eine fundamentale Rolle. Nicht nur die Geltung von Rechten, sondern auch der Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und Gütern hängt entscheidend davon ab, was als öffentliche und private Sphären verstanden wird und wer als öffentliche Person und Privatmensch gilt. Dieses Trennungsparadigma moderner Gesellschaften ist nicht starr, sondern ein transhistorisches, ökonomisches, transkulturelles, politisches (Hohendahl 2000) und auch vergeschlechtlichtes Phänomen (Dackweiler/Holland-Cunz 1991), das dem Wandel unterliegt. Galt die Öffentlichkeit mit der Entwicklung bürgerlicher Gesellschaften seit dem 18. Jhd. als männlich, waren Frauen primär der familialen Privatheit zugeordnet. Mit der Entwicklung des 20. Jahrhunderts ändert sich dieses Bild. Zunehmend werden Frauen in der Öffentlichkeit sichtbarer. Das gilt für alle gesellschaftlichen Teilbereiche des Rechts, der Wirtschaft, der Politik und der Kultur gleichermaßen.

Das Projekt will diesen Wandel zum Gegenstand interdisziplinärer Forschungen machen (Jansen/Priddat/Stehr 2007). Dabei gibt der Titel Re-Defining the Public der Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen eine gemeinsame Grundorientierung vor: Die Veränderungen der Öffentlichkeit daraufhin zu befragen, ob die zunehmende Sichtbarkeit von Frauen in der Öffentlichkeit gleichbedeutend ist mit einer Neuprägung der Öffentlichkeit: Sind Frauen nicht nur sichtbarer, sondern auch mächtiger? Prägen Frauen Öffentlichkeit neu und wenn ja inwiefern? Geht mit der Sichtbarkeit von Frauen eine Neudefinition, eine Re-Formulierung der Trennung öffentlicher und privater Bereiche einher? Verschieben sich mit der Sichtbarkeit von Frauen die Trennungslinien? Inwiefern verändern sich damit auch Geschlechterverhältnisse als gesellschaftliche Machtverhältnisse?

Diese Forschungsfragen sollen auf der Grundlage einer gesellschaftszentrierten Forschungsperspektive, die sowohl neue politische Partizipationsformen und Beteiligungsmuster als auch Prozesse der sozialen Integration, kulturelle Deutungsmuster und die politische Kultur der Gesellschaften zusammenfasst, in dem vorliegenden Forschungsprojekt untersucht werden. Mit dieser neuen Forschungsperspektive soll ein Beitrag zur Klärung der Grundlagen und Entwicklungsbedingungen demokratischer Gesellschaften sowie für wirksame Gleichstellungsprojekte in der europäischen Politik und internationalen Zusammenarbeit geleistet werden.

Geplante, durchgeführte und laufende Aktivitäten:

1. Interdisziplinäre Ringvorlesungen

 "Widerständige Praktiken im öffentlichen Raum" war der Titel der interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 2017. Die interdisziplinäre Ringvorlesung im Sommersemester 2015 thematisierte "Konzepte der Öffentlichkeit in der feministischen Theorie". Im Wintersemester 2014/15 fand eine interdisziplinäre Ringvorlesung mit dem Titel "Re-Defining the Public" statt.

 

2. Aufsätze

Wilde, Gabriele (2016): Civil Society and European Integration: The Re-Configuration of Gendered Power Relations in the Public Sphere. In: Abels, Gabriele / MacRae, Heather (Hg.): Gendering European Integration Theory, Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich. S. 257-278.

Wilde, Gabriele/ Abels, Gabriele (2016): Legitimationsprobleme europäischer Staatlichkeit. Parlamentarismus und Zivilgesellschaft als Strategien für eine europäische Öffentlichkeit, in: Bieling, Hans-Jürgen/Große Hüttmann, Martin (Hg.): Europäische Staatlichkeit: zwischen Krise und Integration. Bielefeld: Springer VS, S. 259 - 280.

 

3. Working Papers

Mushaben, Joyce Marie
“I’m here too, Girlfriend…”: Reclaiming Public Spaces for the Gender-ing of Civil Society in Turkey.
ZEUGS – Working Paper No. 7|2015.

4. Vorträge

Civil Society and European Integration: The Re-Configuration of Gendered Power Relations in the Public Sphere. Arbeitspapier für die SGEU Konferenz an der Universität Trento, 16-18 Juni 2016 im Rahmen des Panels „Gendering European Integration Theory“.