© Klara Austermann

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Gewalt in interpersonalen Beziehungen im Sport, bei denen auf der einen Seite Trainer*innen oder weitere Verantwortliche, auf der anderen Seite Athlet*innen stehen, aber auch Gewalt von Athlet*innen untereinander, sind schon länger ein dringendes Thema im Leistungssport. Es steht außer Frage, dass geeignete Präventionsmaßnahmen auf verschiedenen verbandlichen Ebenen entwickelt und implementiert werden müssen.

Das vorliegende vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderte Projekt soll sowohl unmittelbar unterstützend zur Entwicklung und Implementierung von besonders praxisnahen Präventionsmaßnahmen beitragen sowie durch empirisch Begleitforschung auf einer breiteren Ebene nutzbare Erkenntnisse liefern. Im Fokus stehen dabei partizipativ entwickelte Verhaltensregeln für Trainer*innen, Athlet*innen, Eltern und Funktionär*innen, die die allgemein-abstrakten Formulierungen im aktuellen Trainer-Ehrenkodex auf einer praxisnahen Ebene konkretisieren und ergänzen.

Das Projekt besteht aus vier aufeinander aufbauenden Modulen:

  • Modul A

    Entwicklung eines Katalogs von Verhaltensregeln im Deutschen Turnerbund, der künftig von anderen Gliederungen für die eigene partizipative (Weiter-)Entwicklung genutzt werden kann

    Verhaltensregeln legen einen Verhaltensstandard fest, der dazu beiträgt, eine Verbands-/Vereinskultur der Beziehungsgestaltung in kooperativen wie konflikthaften Interaktionsprozessen aufzubauen und klare Erwartungen für alle Beteiligten zu schaffen. Ein Katalog von Verhaltensregeln für Trainer*innen sollte begleitet werden von ebensolchen Katalogen für Sportler*innen, für Eltern und für Offizielle der Verbände/Vereine.

    Ein besonderes Anliegen ist es, die Akteure über ihre legitimen Rechte zu informieren. Dies kann wirksam dazu beitragen, dass sie Grenzüberschreitungen wahrnehmen und richtig einordnen, und sie darin bestärken, effektive Bewältigungsformen zu realisieren. Die in der Sportpraxis besonders einschlägigen Rechte sollten deshalb ausdrücklich, verständlich und auf die Trainingspraxis bezogen thematisiert werden:

    - das Recht auf Schutz gegen alle Formen von Gewalt,

    - das Recht auf angemessene Fürsorge,

    - das Recht auf Schutz vor Diskriminierung,

    - das Recht auf Gehör und altersangemessene Berücksichtigung des Willens,

    International liegen bereits elaborierte Beispiele für solche Verhaltenskodizes vor (z.B. Codes of Conduct von Sport Ireland (Sport Ireland, 2019) und SPCC Child Protection in Sport Unit (NSPCC Child Protection in Sport Unit, 2021). Für das Ziel, zusätzlich Verhaltensstandards zu formulieren, die darüber hinaus auf positive, entwicklungsfördernde Aspekte des Trainings zielen, liegen bereits umfassende Vorarbeiten im Rahmen von durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten Projekten vor.

  • Modul B

    Konzeption einer strukturierten Vorgehensweise zur Weiterentwicklung von Verhaltensregeln mit unterschiedlichen Stakeholdern, die hier erprobt und als klar umrissene Bausteine bei späteren Prozessen genutzt werden können (Workshops)

    Zur partizipativen Weiterentwicklung des in Modul A erstellten Katalogs von Verhaltensregeln, werden zielgruppenspezifische Workshopformate konzipiert. Dabei werden getrennt die Stakeholder Trainer*innen, Offizielle, Eltern, und Sportler*innen betrachtet.

    In diesen Workshops sollen die Teilnehmer*innen für definierte Mindeststandards des Verhaltens in pädagogischen Beziehungen sensibilisiert werden: Was bedeutet (sexualisierte und) psychische Gewalt konkret, welche Verhaltensweisen verletzen Mindeststandards des Gebots der Gewaltfreiheit? Hierbei bringen Trainer*innen, Eltern, Sportler*innen und Funktionär*innen ihre eigenen Wissensbestände und ihr Erfahrungswissen über Verhaltensweisen ein, die sie als förderlich und wirksam für die leistungssportliche, psychosoziale und motivationale Entwicklung von Sportler*innen ansehen. Es werden darauf aufbauend Kenntnisse über wissenschaftliche Befundlagen zu Verhaltensweisen, die als effektiv im Sinne der Förderziele gelten können, vertieft. Vor diesem Hintergrund werden partizipativ klar formulierte Verhaltensregeln für die jeweiligen Zielgruppen auf Grundlage der Erarbeitung in Teil a) vorgelegt und weiterentwickelt. Die Stakeholder erhalten die Gelegenheit, ihre Bedenken und Anmerkungen zu allen Regeln zu formulieren, individuell Stellung zu beziehen und gemeinsam zu diskutieren, um ggf. mögliche Alternativen zu entwickeln. Auch Ergänzungen hinsichtlich spezifischer Besonderheiten der Verbände/Stützpunkte sollen an dieser Stelle berücksichtigt werden.

  • Modul C

    Erstellung von Material zur Implementation und Dissemination von Verhaltensregeln (Rahmung in „Codes of Conduct“, Informations-Materialien für unterschiedliche Stakeholder)

    Innerhalb von Stützpunkten/Verbänden sind unterschiedliche organisationale Abläufe zur verbindlichen Implementation von Verhaltensregeln in Satzungen und Ordnungen notwendig. Ziel ist es deshalb, über die Homepage des Deutschen Turnerbundes Materialien bereitzustellen, die Verbände bei der individuellen Implementation unterstützen können.

    Hierfür werden wiederum Mustertexte erstellt, die die Verhaltensregeln rahmen, wie Formulierungen zur Verbindlichkeit der Regeleinhaltung, zur Reichweite der Regeln und zu möglichen Konsequenzen bei (wiederholten) Regelverstößen. Die Regeln sollen gemeinsam mit ihren Rahmungen auf diese Weise so verfügbar gemacht werden, dass sie von Stützpunkten und Verbänden mit den eigenen Anpassungen genutzt werden und von den jeweiligen betroffenen Stakeholdern als Selbstverpflichtung unterschrieben werden können. Es werden auch Empfehlungen formuliert, wie z. B. die Verpflichtung, um Teil eines Trainer*innenteams einer Organisation oder eines Vereins zu werden, die Vereinbarung über die Einhaltung des Verhaltenskodexes zu unterzeichnen. Darüber hinaus werden Informationsmaterialien für Eltern entwickelt, die ebenfalls über die Website des DTB abgerufen werden können. Hierzu zählt eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen aus dem Eltern-Workshop. Im Sinne einer Peer-to-Peer-Education werden kurze Videoclips produziert, in denen Stakeholder anderen Mitgliedern ihrer Gruppe (Sportler*innen an Sportler*innen, Trainer*innen an Trainer*innen usw.) altersgerecht Rechte und Pflichten in ihrem Training erklären. Zur Transparenz und Kommunikation der Regeln im täglichen Trainingsablauf wird für Sportler*innen zusätzlich ein Regel- und Rechteplakat erstellt, das die wichtigsten Verhaltensregeln kindgerecht mit grafischer Untermalung darstellt.

  • Modul D

    Entwicklung von Fragebogeninstrumenten für ein fortlaufendes Monitoring, das niederschwellige Zugänge zu Gewalterfahrungen von Sportler*innen liefert und damit frühe Indikatoren für Handlungsbedarfe aufzeigt

    Ereignisse von Gewalt, insbesondere im Bereich psychischer Gewalt, sind nicht allein abhängig von stabilen Haltungen und Merkmalen von Personen, sondern häufiger noch werden sie beeinflusst von Eskalationen von Konflikten, belastenden Situationen (z. B. Zeit-/Handlungsdruck) und Fehlen von entlastenden Ressourcen. Die Aufrechterhaltung einer hohen pädagogischen Qualität und die Gewährleistung von Mindeststandards erfordert deshalb auch ein regelmäßiges Monitoring, um möglichst rechtzeitig korrektiv eingreifen zu können. Im Rahmen des Moduls D sollen deshalb Fragebögen für anonyme Online-Umfragen entwickelt werden, die ein regelmäßiges Monitoring sicherstellen können. Erneut sind die Perspektiven unterschiedlicher Stakeholder einzubeziehen:

    Es sollen folgende Aspekte regelmäßig erhoben und dokumentiert werden:

    - Informationen über Wohlbefinden, Stressbelastung, Motivation und Konfliktanlässe bei Athlet*innen

    - Elternwahrnehmung von Förderung, aktuellen Defiziten, Motivation ihrer Kinder und Konfliktanlässen

    - Wahrnehmung von Trainer*innen zu Anerkennung/Wertschätzung, Zufriedenheit, Motivation und Konfliktanlässen

    Für die Zielgruppe der Athlet*innen sind für das Kindesalter alternative Erhebungsformen/Fragemethoden zu entwickeln.