Überblick über das geplante Projekt
Das Projekt „Partnerhochschule des Spitzensports“ wurde im Jahr 1999 initiiert und hatte zum Ziel, Bedingungen zu schaffen, die es studierenden Spitzensportler*innen ermöglichen, sowohl ihren Sport auf spitzensportlichen Niveau auszuüben als auch ein erfolgreiches Studium zu absolvieren.
Im Jahr 1999 traten initial drei Universitäten dem Vertragswerk bei und verpflichteten sich, studierenden Spitzensportler*innen eine Vereinbarkeit von Studium und Spitzensport zu ermöglichen. Eine Evaluation des Projekts aus dem Jahr 2005 (vgl. Tabor & Schütte) wies seitdem eine zunehmende Anzahl beteiligter Hochschulen (N = 64) nach. Stand 2023 sind über 110 Hochschulen mit rund 1200 Athlet*innen „Partnerhochschule des Spitzensports“ (vgl. adh, 2023). Diese Hochschulen verpflichten sich vertraglich, verschiedene Fördermaßnahmen anzubieten, die es den studierenden Athlet*innen vereinfachen sollen, in beiden Systemen exzellente Leistungen zu zeigen. Die Hochschulen können nach juristischer Prüfung überwiegend eigenständig entscheiden, welche Fördermaßnahmen sie anbieten. Demnach hat jeder Standort das Recht, die Ausgestaltung des Projekts der jeweiligen Politik des Standorts entsprechend vorzunehmen.
Ausgestaltet und gelebt wird das Projekt in der Regel nicht nur von den jeweiligen Hochschulen, sondern auch von beteiligten, bestenfalls vernetzten Partnern innerhalb und außerhalb der Universitäten und Fachhochschulen. Gängige Partner sind innerhalb der Hochschulen die Studierendenwerke und Studienberatungen, außerhalb die sich in der Nähe befindlichen Olympiastützpunkte sowie Landes- und Bundesstützpunkte und Vereine, an und in denen Athlet*innen auf spitzensportlichem Niveau trainieren (vgl. Halberschmidt & Strauß, 2020).
Gefördert werden Athletinnen und Athleten mit Kaderstatus (Olympia-, Perspektiv-, Ergänzungs- und NK1/2 Kader) sowie Spielerinnen und Spieler der 1. und 2. Bundesliga. Für die Athlet*innen stellt die Vereinbarkeit von Studium und Spitzensport eine sehr besondere Herausforderung dar. Neben zeitlichen Herausforderungen spielen insbesondere auch finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle. Das Studium im besonderen Setting der Hochschule mit den dem System immanenten Anforderungen, Abläufen und Besonderheiten muss mit dem ebenfalls relativ starren System Sport so vereinbart werden, dass trotz finanzieller und zeitlicher Belastung, exzellente Leistungen erbracht werden (Halberschmidt & Strauß, 2019). Diese beiden relativ unabhängigen Systeme miteinander in Einklang zu bringen und für die Studierenden zu harmonisieren, ist das ausgewiesene Ziel der Dualen Karriere im Setting Hochschule.
Spätestens nach der Bologna-Reform ist das Studium geprägt durch einen stark formalisierten Rhythmus von in Modulbeschreibungen festgeschriebenen Leistungs-parametern mit engen Zeitfenstern für die jeweils eingeforderte Leistungserstellung. Dass dies bei den insgesamt engen Zeitressourcen für jede*n Spitzensportler*in ein besonderes, letztlich immer wieder fragiles Ausbalancieren seiner oder ihrer Investitionen in den Spitzensport sowie in das Studium erfordert, ist unmittelbar einsichtig. Angesichts der sich seit einigen Jahren stark verändernden Trainings- und Wettkampfkontexte im Bereich des Spitzensports und der Förderbedingungen auf der einen Seite und im Bereich von Hochschule auf der anderen Seite (gestuftes Studienmodell, erhöhte Nachfrage nach Studienplätzen etc.) ist es unerlässlich, dieses Modell der Dualen Karriere im Hochschulsetting einer (erneuten) Evaluation im Sinne einer Stärken-Schwächen-Analyse zu unterziehen. Insbesondere ist dies notwendig, um für eine evidenzbasierte (Sport-)Politikberatung auf aktuelle und generalisierungsfähige empirische Ergebnisse zurückgreifen zu können.
Hinzukommt an dieser Stelle, dass es vor dem Hintergrund der Pandemiejahre (2020-2022) sinnvoll erscheint, den Einfluss der Covid-19 Pandemie auf nicht nur die sportlichen, sondern auch die Leistungen im Studium zu untersuchen. Aufgrund der zahlreichen Einschnitte, die die Pandemie verursacht hat, ist anzunehmen, dass sich sowohl in den sportlichen (kein Zugang zu den Sportstätten, kein gemeinsames Training, ggf. Erkrankungen und ihre (schlimmstenfalls langfristigen) Folgen, keine Wettkämpfe) als auch in den studentischen Leistungen (Ausfall der Seminare und Vorlesungen, Umstellung der Veranstaltungsformate, veränderte Prüfungsbedingungen etc.) Veränderungen und Einschnitte im Hinblick auf die Duale Karriere im Kontext Hochschule zeigen. Die unsicheren Zeitplanungen, ungewohnte Trainingsbedingungen, soziale Isolation, Sorgen (und ggf. Trauer) um nahestehende Personen, Anpassungen der Ausbildungssituation, weniger finanzielle Mittel, Einschränkungen bei (inter-)nationalen Reisen usw. sind Belastungen, denen sich die Spitzensportler*innen nun stellen mussten (vgl. Stambulova & Henriksen, 2024). Explizite Analysen, die studierende Spitzensportler*innen fokussieren, fehlen. Aktuell scheint es keine nationale Studie zum Einfluss der Pandemie speziell auf die Duale Karriere im hochschulischen Setting zu geben.
Die letzte Evaluationsstudie zum Modell der Dualen Karriere von studierenden Spitzensportler*innen stammt aus dem Jahr 2005 (Tabor & Schütte, 2005) und arbeitet mit Daten, die sich auf die inzwischen vom Bachelor- und Masterstudium abgelösten Studiengangstrukturen des Diploms, Magisters etc. beziehen. Die Befunde aus dieser Studie müssen als nicht mehr aktuell und passend auf die Situation eingeschätzt werden.
Mit der Ausrichtung der FISU Word University Games 2025 in Deutschland wird das Augenmerk der internationalen und der nationalen Öffentlichkeit auf den Leistungen der studentischen Athlet*innen liegen und es wird im Vorfeld von besonderer Bedeutung sein, Gelingensfaktoren der Dualen Karriere zu identifizieren und eine gelingende Duale Karriere im Hochschulsetting zu fördern. Die Befunde sollen aber nicht nur aktuell, sondern auch langfristig der „Weiterentwicklung des Hochschulsports und (der) Stärkung seiner Rolle im Sportsystem“ dienen (adh, 2023, S. 2).
Der adh wird in dem geplanten Projekt eine ganz zentrale Rolle einnehmen. Neben der inhaltlichen Projektausgestaltung, wird es über die zentralen Kontakte des adh möglich sein, die Universitäten, die dort arbeitenden Spitzensportbeauftragten und weitere Partner*innen sowie natürlich die zentrale Zielgruppe des Projekts – die studierenden Spitzensportler*innen, die eine Duale Karriere verfolgen – zu kontaktieren. Ein ganz wesentlicher Aspekt der Zusammenarbeit wird ein zu gründender Projektbeirat sein, der aus wesentlichen Ansprechpersonen des adh, der Universität Münster und weiteren wichtigen beteiligten Personen bestehen wird. Angefragt werden hier ein*e Athletenvertreter*in, ein*e Laufbahnberater*in eines Olympiastützpunkts, der Vertreter der Olympiastützpunktleiter*innen für den Bereich duale Karriere, ein*e Vertreter*n der Fachverbände mit Expertise im Bereich duale Karriere, der DOSB und ggf. weitere.