Verstärkung bei ‚Asking the Pope for Help’

Exzellenzcluster finanziert Forschungsstelle zur sogenannten ‚Brasilienaktion‘

© SMNKG - Matthias Daufratshofer / privat

Der Historiker Dr. Alessandro Grazi verstärkt ab sofort das Projektteam von ‚Asking the Pope for Help‘ rund um den Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf. Finanziert vom Exzellenzcluster forscht der in Italien geborene Historiker in einem Teilprojekt zur sogenannten ‚Brasilienaktion‘: Einigen als jüdisch verfolgten Menschen bot sich während der Shoa die Hoffnung, mit Unterstützung des Vatikans nach Südamerika fliehen zu können: Brasilien hatte dem Heiligen Stuhl 3000 Visa für getaufte Menschen jüdischer Herkunft zur Verfügung gestellt. In seiner Forschung wird Grazi den Ablauf der Visavergabe rekonstruieren und den Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen dieser sogenannten ‚Brasilienaktion‘ richten.  

Der Historiker promovierte 2012 mit einer Arbeit zum Thema „Patria ed Affetti. Jewish Identity and Risorgimento Nationalism in the Oeuvres of Samuel Luzzatto, Isaac Reggio, and David Levi“. Nach mehreren Forschungsaufenthalten unter anderem in Jerusalem und Amsterdam war er von 2018 bis 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für digitale Jüdische Studien am Leibniz Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die moderne jüdische Kultur- und Geistesgeschichte, insbesondere die Geschichte jüdischer Intellektueller im Italien des 19. und 20. Jahrhunderts. 

Im Brasilien-Teilprojekt wird sich Alessandro Grazi in den nächsten beiden Jahren mithilfe der seit März 2020 zugänglichen Akten zum Pontifikat Pius’ XII. in den vatikanischen Archiven mit einer Gruppe beschäftigen, die als „Getaufte Juden“, „jüdische Katholiken“, „katholische Juden“ oder „nichtarische Katholiken“ nicht nur aus der Sicht von Zeitgenossen nirgendwo richtig einzuordnen war. Bis heute ist die Gruppe der Katholiken jüdischer Herkunft und die Problematik ihrer Zugehörigkeit in der Forschung massiv unterrepräsentiert. Auf Basis der neuen Quellen ist erstmals eine differenzierte Rekonstruktion möglich, die nicht nur die Einzelschicksale der Bittsteller in den Fokus rückt, sondern auch Aussagen über den Umgang Pius’ XII. und der Römischen Kurie mit jüdisch-stämmigen Katholiken zulässt. 

Über das Projekt „Asking the Pope for Help“

Tausende jüdische Menschen aus ganz Europa baten während des NS-Regimes Papst Pius XII. und den Vatikan um Hilfe. Emotional schildern sie Gräuel, Verfolgung und Todesangst. Im Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ erfassen der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf und sein Team der Universität Münster diese Bittschreiben, die in den vatikanischen Archiven lagern, und bereiten sie in einer kommentierten digitalen Edition für die Öffentlichkeit auf. (exc/tec)