Neues Forschungsprogramm zur Dynamik von Religionen

Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Münster eröffnet am Freitag feierlich seine neue Förderphase – Sprecher Prof. Dr. Nils Jansen stellt neues Forschungsprogramm vor: „Dynamiken von Tradition und Innovation“ – Festvortrag von Luther-Biographin Lyndal Roper

Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 6. Mai 2019

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© Tasnim News Agency, CC BY 4.0 s. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ | Schlossmuseum, Weimar, Germany / Bridgeman Images | Andreas Kämper, Robert-Havemann-Gesellschaft

Der Exzellenzcluster „Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation“ der WWU eröffnet am Freitag in Münster mit einem Festakt seine neue Förderphase im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. „Seit 2007 erforschen wir das Verhältnis von Religion und Politik quer durch die Epochen und Kulturen. Wir freuen uns, dass wir als einer der wenigen Exzellenzcluster der ersten Stunde eine weitere Förderung einwerben konnten, und beleuchten in den kommenden Jahren besonders die Faktoren, die Religion zum Motor für politischen und gesellschaftlichen Wandel machen“, sagt der Sprecher und Rechtshistoriker Prof. Dr. Nils Jansen. „Es mag paradox erscheinen, aber Religionen entwickeln in Geschichte und Gegenwart Innovationen regelmäßig, indem sie sich auf Traditionen berufen.“ Als Festrednerin wird die renommierte Historikerin und Luther-Biographin Prof. Dr. Lyndal Roper von der Universität Oxford erwartet, die über „Cranachs Luther“ spricht. Die Eröffnungsfeier, auf der Nils Jansen das neue Forschungsprogramm zu religiösen Dynamiken vorstellt, beginnt um 18.00 Uhr in der Aula am Aasee an der Scharnhorststraße 100 in Münster (Anmeldung in der Geschäftsführung unter m.koenig@uni-muenster.de).

„Zahlreiche Beispiele führen die gesellschaftliche Kraft von Religionen vor Augen“, erläutert der Sprecher des Exzellenzclusters. „Kirchlicher Protest in der DDR, Evangelikale Kräfte in der US-Politik, Islamisierung in der Türkei, der Einfluss orthodoxer Juden in Israel, das Umweltengagement religiöser Gruppen, ganz allgemein die christliche Codierung westlicher Rechtsordnungen und die auch heute rechtsprägende Autorität christlicher Kirchen in Institutionen wie dem Ethikrat: Religionen spielen in Umbruchprozessen eine zentrale Rolle.“ Die Leitfragen des Exzellenzclusters lauten deshalb: „Auf welche Weise kann Religion gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen stimulieren, eindämmen und modifizieren? Worin liegt ihre dynamische Potenz begründet? Welche äußeren Bedingungen begünstigen ihre Mobilisierungsfähigkeit oder schränken sie ein?“

Die neue Förderphase des 2007 gegründeten Exzellenzclusters von 2019 bis 2025 wurde im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern mit einem Fördervolumen von 31 Millionen Euro bewilligt. Der interdisziplinäre Forschungsverbund ist der bundesweit größte dieser Art und unter den Exzellenzclustern in Deutschland einer der ältesten sowie der einzige zum Thema Religion. Die 140 Forschenden aus 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und 10 Nationen befassen sich mit den „Dynamiken von Religion und Politik“ in rund 80 Einzelprojekten. Um den komplexen Forschungsgegenstand systematisch untersuchen zu können, ist er in drei Forschungsfelder unterteilt: transkulturelle Ver- und Entflechtungen, Religiöse Vielfalt und rechtlich-politische Einheit sowie Religionskritik und Religionsapologie. Quer dazu verlaufen Theorieplattformen, in denen die Forschenden mit Theorien des Konflikts, der Emotionalität und Medialität sowie der gesellschaftlichen Ungleichheit und Differenzierung arbeiten. Hinzu kommen flexibel eingesetzte „Research Clouds“ zu übergreifenden Themen wie Theologische Glaubenslehre und gelebte Religiosität, Migration und Diaspora, Ambiguität und Entscheidung sowie Genesis und Geltung.

Wenn Religion Konflikte verstärkt oder bremst

„Mit der Untersuchung von Dynamiken“, führt Sprecher Nils Jansen aus, „lenken wir die Aufmerksamkeit auf den Eigensinn und die aktive Rolle von Religion in den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen von Gesellschaften. Damit grenzen wir uns von Säkularisierungstheorien und anderen Theorien ab, die bei der Erklärung der sozialen Bedeutung religiöser Gemeinschaften dazu neigen, Religion als traditionale Größe zu behandeln, die Umweltveränderungen lediglich reaktiv ausgesetzt ist.“ Demgegenüber wird in Münster untersucht, wie Religionen – auch unter Bedingungen zunehmender Konfessions- und Religionslosigkeit – gesellschaftlich-politischen Wandel initiieren und beeinflussen können und sich selbst dabei verändern.

Der Festakt am Freitag, 10. Mai, beginnt um 18.00 Uhr mit der Einführung des Rechtshistorikers Nils Jansen. Er hat zum Jahreswechsel das Sprecheramt im Exzellenzcluster von dem Religionssoziologen Detlef Pollack übernommen, der nun stellvertretender Sprecher ist. Münsters Bürgermeisterin Karin Reismann und WWU-Prorektorin für Forschung Prof. Dr. Monika Stoll halten ein Grußwort. Für Musik sorgt das Arthos Trio mit Nima Mirkhoshhal (Klavier), Till Müller (Klarinette) und Cornelia Emmert (Cello). Die australische Festrednerin Lyndal Roper, die „Regius Professor of History“ in Oxford ist, hat eine Biografie des vielmals von Lucas Cranach porträtierten Reformators vorlegt, die 2016 unter dem Titel „Der Mensch Martin Luther“ im Verlag S. Fischer erschienen ist und mehrfach ausgezeichnet wurde. Sie untersucht schwerpunktmäßig die Geschichte der Reformation und der Frühen Neuzeit in Deutschland und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat des Exzellenzclusters an. (sca/vvm)