„Praktiken des Nichtentscheids“
Gastwissenschaftler Christian Windler über Normkonflikte frühneuzeitlicher Missionare
Der Frühneuzeit-Historiker Prof. Dr. Christian Windler von der Universität Bern forscht im Herbst als Gastwissenschaftler am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Während seines Aufenthaltes setzt er seine Arbeit am Buchprojekt „Katholische Missionare als lokale Akteure im Iran der Safavidenzeit“ fort. Darin untersucht er Missionare als Mittelsleute im Spannungsfeld unterschiedlicher normativer Systeme der Frühen Neuzeit. Damit befasst sich auch sein Vortrag im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung „Religion und Entscheiden“ des Exzellenzclusters und des Sonderforschungsbereiches „Kulturen des Entscheidens“ am 15. November. Unter dem Titel „Praktiken des Nichtentscheids: Wahrheitsanspruch und Grenzen der Normdurchsetzung“ erörtert Christian Windler, wie die römische Kurie mit „unvermeidlichen Normkonflikten“ umging, die sich in der Mission ergaben.
Der Wissenschaftler gilt als Pionier einer Sozial- und Kulturgeschichte frühneuzeitlicher diplomatischer Praxis. Er kommt auf Einladung der Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger und der Historiker Prof. Dr. André Krischer und Prof. Dr. Ulrich Pfister vom 1. bis 30. November nach Münster. Er steht mit ihnen seit einigen Jahren im wissenschaftlichen Austausch.
Zur Studie über die Missionare der Frühneuzeit führt der Wissenschaftler aus, die Kirchenmänner seien in translokale und lokale Beziehungsnetze eingebunden gewesen, hätten ihrem Handeln in Abhängigkeit von der jeweiligen Interaktionssituation Sinn verliehen und sich dabei bemüht, Gegensätze zwischen konkurrierenden Sinngebungen auszutarieren. „Dabei waren Widersprüche unvermeidlich, nicht nur zu den Observanzgeboten der Orden, sondern auch zu Positionen der nachtridentinischen Kirche in zentralen Fragen der Sakramentsverwaltung.“ Berichte darüber gelangten nach den Worten des Historikers auf unterschiedlichen Wegen vor die Propagandakongregation und das Heilige Offizium.
Prof. Windler leitet am Historischen Institut der Universität Bern die Abteilung für Neuere Geschichte. Seit seiner Berufung im Jahre 2004 hat er mehrere Drittmittelprojekte betreut, deren Ergebnisse entscheidend zur Erneuerung von Fragestellungen und Methoden der Geschichte von Außenbeziehungen und Diplomatie in der Frühen Neuzeit beigetragen haben. (exc/ska/vvm)