Transkulturelle Verflechtungen
Neue Publikation zu kulturellen Austauschprozessen in der Vormoderne
Die wechselseitigen Austauschprozesse zwischen Kulturen der Vormoderne stehen im Mittelpunkt eines neuen Bandes, den die Historiker Prof. Dr. Wolfram Drews vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ und Dr. Christian Scholl vom Historischen Seminar der WWU herausgegeben haben. „Im Zuge der verstärkten Auseinandersetzung mit globalgeschichtlichen Ansätzen hat die Erforschung von Verflechtungsprozessen in den vergangenen Jahren eine Konjunktur erlebt“, erläutern die Herausgeber. Allerdings seien die meisten Arbeiten, die sich mit Austauschprozessen zwischen Bevölkerungs- und Religionsgruppen befassen, der Moderne gewidmet. „Der Sammelband kann so dazu beitragen, eine Forschungslücke zu schließen, indem er neuere Forschungsansätze zu Verflechtungsprozessen vorstellt und auf das Mittelalter und die Frühneuzeit anwendet.“
Der Sammelband „Transkulturelle Verflechtungsprozesse in der Vormoderne“ ist jüngst im Verlag de Gruyter erschienen. Er bündelt die Beiträge einer internationalen Tagung am Exzellenzcluster mit dem Titel „Processes of Entanglement. Agents, Junctures, Interpretations and Conceptualizations of Mutual Interaction in the Premodern Period” („Verflechtungsprozesse. Vermittler, Verbindungen, Interpretationen und Konzeptualisierungen gegenseitiger Beeinflussung in der Vormoderne“).
Austausch zwischen Christen, Juden und Muslimen
„Die vielfältigen ethnischen und religiösen Gruppen des vormodernen Europa standen in permanentem Kontakt sowohl untereinander als auch zu Kulturen außerhalb Europas“, erläutern die Herausgeber. Die Autorinnen und Autoren des Buches analysieren diese Verflechtungen, wobei sie neben Austauschprozessen zwischen Christen, Juden und Muslimen auch die Beziehungen zwischen Westeuropa, dem byzantinischen Reich, dem Nahen Osten und Indien in den Blick nehmen. Sie gehen der Frage nach, unter welchen Voraussetzungen sich Verflechtungen ereigneten, worin sich diese zeigten und ob oder wie sie wahrgenommen wurden.
Ferner richtet sich der Blick in dem Sammelband auf Trägergruppen von Verflechtungsprozessen sowie auf Objekte, die als Bedeutungsträger solche Prozesse konstituierten. In Fallstudien zeigen die Wissenschaftler, unter welchen historischen Bedingungen und in welchen Kontexten Verflechtungen funktionieren konnten. Sie beleuchten sowohl Verflechtungsprozesse zwischen weiter entfernt liegenden Regionen wie dem byzantinischen Reich und Skandinavien, Europa und dem indische Mogulreich, als auch solche in geographisch am Rande liegenden Gebieten Lateineuropas, etwa den Kreuzfahrerherrschaften, Kreta und Kastilien.
Histoire croisée und entanglement
„Methodisch folgen die Beiträge dem Ansatz der histoire croisée, der Verflechtungsgeschichte, der stärker als die ältere Kulturtransferforschung die Wechselseitigkeit von Austauschprozessen betont“, so die Mittelalter-Historiker. Nach diesem Ansatz könnten mehr als zwei oder drei am Transfergeschehen beteiligte Akteure oder Gruppen untersucht werden. Trotz ihrer begrifflichen und methodischen Vorzüge habe der Ansatz der histoire croisée noch nicht lange Einzug in die mediävistische Forschung gehalten, weil die Debatten und methodischen Diskussionen um die älteren Ansätze ausschließlich unter Historikern der Moderne ausgetragen worden seien. „Für die vormodernen Epochen fehlen in vielen Bereichen noch immer empirisch unterfütterte Einzelstudien, wozu der Band einen Beitrag leisten soll.“
Prof. Dr. Wolfram Drews leitet am Exzellenzcluster das Projekt C2-4 „Monarchische Herrschaft und religiöse Vergemeinschaftung“ und gehört der Arbeitsplattform „Transkulturelle Verflechtungen“ an. (maz/vvm)