„Kirchenpolitischer Kurswechsel nicht zu erwarten“
Sozialethiker und Theologe Karl Gabriel erwartet keinen Reformer als Nachfolger von Benedikt XVI. – Amtsverzicht gebe dem modernen Papstamt aber neue Impulse
Nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. erwartet der Münsteraner katholische Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel keinen kirchenpolitischen Kurswechsel. „Das Konklave dürfte einen Italiener oder einen Nicht-Europäer zum Nachfolger machen. Dass ein weiterer nicht-italienischer Europäer zum Papst gewählt wird, halte ich für unwahrscheinlich“, sagte der Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Uni Münster am Montag. Damit werde es wohl auch nach dem überraschenden Amtsverzicht von Benedikt XVI. keine gravierenden kirchenpolitischen Reformen geben.
Mit seiner Entscheidung zum Amtsverzicht eröffne Papst Benedikt XVI. allerdings „im Umgang mit dem Amt eine ganz neue Tradition“, so Prof. Gabriel. In einer „so traditionalistischen Institution wie der Kirche“ sei das eine große Überraschung. Das Kirchenoberhaupt gebe dem modernen Papsttum damit neue Impulse. „Mit einem solchen Entschluss ist angesichts des medizinischen Fortschritts und der steigenden Lebenserwartung auch bei künftigen Päpsten zu rechnen.“ Benedikt XVI. setze sich auch von seinem Vorgänger Johannes Paul II. ab, „der auf die Frage nach schwerer Krankheit im Papstamt eine deutlich andere Antwort gegeben hat, indem er als charismatischer Mensch sein Leiden bewusst zeigte.“
Mit Blick auf kirchenpolitische Reformen sagte der Wissenschaftler weiter: „Der Vatikan wird auch in Zukunft viel Wert auf Kontinuität legen und das Zweite Vatikanische Konzil – wie Benedikt XVI. – nicht als Umbruch, sondern als vorsichtige Reform deuten. Die aus deutscher Sicht zentralen Fragen bleiben wohl zunächst unerledigt.“ Dazu gehören nach Einschätzung des Theologen eine Reform „der zentralistischen Struktur des Vatikans“, Veränderungen im Verständnis des Bischofsamtes sowie mehr Offenheit im Umgang mit der Ökumene und Sexualethik.
Die Wahl eines Nachfolgers von Benedikt XVI. wird nach Aussagen von Vatikansprecher Federico Lombardi im Verlauf des März erfolgen. Nach dem Kirchenrecht kann ein Papst aus freiem Entschluss auf sein Amt verzichten. In der Moderne hat es keinen solchen Amtsverzicht gegeben. Im Jahr 1294 hatte der fünf Monate zuvor gewählte Papst Coelestin V. abgedankt, weil er sich dem Amt nicht gewachsen fühlte. Amtsverzichte von Päpsten und Gegenpäpsten gab es später auch während des mittelalterlichen Großen Schismas. (vvm)
- Bilanz des Pontifikats (Katholischer Theologe Prof. Dr. Karl Gabriel zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI., in: ZDF „heute journal“ vom 11. Februar 2012, Beitrag bei Minute 8:23)
- Entscheidung Benedikts stößt auf Anerkennung und Respekt (Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI., in: derWesten.de, Portal der WAZ-Mediengruppe, vom 11. Februar 2013)
- Überraschung und Anerkennung für Entscheidung Benedikts. Politiker und Kirchenvertreter zollen Respekt für geplanten Rücktritt des Papstes (Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI., in: Welt.de vom 11. Februar 2013)
- Prof. Gabriel erwartet keinen Kurswechsel (Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI., in: Westfälische Nachrichten vom 12. Februar 2013)