„Öko-Islam im Trend“
Islamwissenschaftlerin: Muslime im Westen setzen sich zunehmend für die Umwelt ein
Muslime in westlichen Ländern engagieren sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zunehmend für den Umweltschutz. „Die Bewegung des Öko-Islams breitet sich vor allem in Europa, den USA und Kanada aus“, sagt Islamwissenschaftlerin Monika Zbidi, die ihre Forschungsergebnisse auf dem 32. Deutschen Orientalistentag (DOT) im September in Münster präsentieren wird. Zu der Konferenz werden gut 1.000 Orientforscher aus aller Welt erwartet. „Die Öko-Aktivisten engagieren sich aus religiösen Motiven im Tier- und Pflanzenschutz, warnen vor nachlässigem Umgang mit Ressourcen wie Boden und Wasser und plädieren für Genügsamkeit und Enthaltung. Ihre Überzeugung begründen sie insbesondere mit Textstellen aus Koran und Sunna, mit Aussagen und Handlungen des Propheten Mohammed.“ Noch lasse sich zwar nur von einer Nischenbewegung sprechen, doch durch Websites, Blogs und soziale Netzwerke gewinne die islamische Umweltbewegung an Schwung.
Geistige Väter des „Islamic Environmentalism“, der in den 1960er Jahren seinen Anfang nahm, sind Zbidi zufolge der iranische Philosoph Seyyed Hossein Nasr und der in Großbritannien lebende Umweltaktivist Fazlun Khalid. Derzeit beschränke sich die religiös motivierte Bewegung weitgehend auf westliche Länder. „Das heißt aber nicht, dass es in arabischen oder afrikanischen Ländern kein ökologisches Bewusstsein gibt. In Tunesien etwa sind seit der Revolution 2011 viele Umweltorganisationen entstanden, allerdings weniger aus religiösen Motiven.“ Inwiefern der Öko-Islam in arabischen Ländern Unterstützer finden werde, sei noch nicht abzusehen. Zbidi untersucht für ihr Dissertationsprojekt einschlägige Websites, Weblogs und Aktivitäten in sozialen Netzwerken und wertet Texte muslimischer Forscher und Gelehrter zu Umweltethik und zur Rolle der Umwelt im Koran aus.
Weniger Fleischkonsum nach dem Vorbild Mohammeds
„Bei den islamischen Naturschützern handelt es sich zumeist um junge westliche Akademiker, die mit den Debatten um Umweltzerstörung und Klimawandel aufgewachsen sind und sich als Muslime engagieren wollen“, so Zbidi, die an der Uni Erlangen-Nürnberg zum Thema Islam und Ökologie promoviert. „In Facebook-Gruppen und Blogs, beispielsweise ,The Eco Muslim‘ oder ,khaleafa.com‘, machen sie darauf aufmerksam, dass der Respekt vor der Schöpfung tief im Islam verankert sei, und werben unter Muslimen für eine ökologische Lebensweise. Zum Ramadan wird in den Blogs zum Beispiel vor Lebensmittelverschwendung gewarnt.“ In diesem Rahmen werde auch diskutiert, „ob Massentierhaltung gegen die Prinzipien des Islams verstößt und die Gläubigen nach dem Vorbild Mohammeds weniger Fleisch essen sollten.“
Ökologisches Bewusstsein zeigen auch immer mehr islamische Organisationen und Initiativen, wie die Forscherin darlegt. So setzten sich muslimische Gemeinden wie im britischen Huddersfield für eine nachhaltige Bauweise ihrer neuen Moschee ein. Ähnliche Projekte seien in Cambridge in Großbritannien und in Norderstedt bei Hamburg geplant. „Gerade heute, wo der Islam im Westen ein schlechtes Image hat, sind viele Muslime stolz, dass ihre Religion ein umweltfreundliches Verhalten verlangt und fördert.“
Auch in Broschüren und Projekten werde praktischer Umweltschutz beworben – ob im Alltag oder auf der Pilgerreise. Der „Muslim Green Guide to Reducing Climate Change“ von 2008 etwa gibt Anleitungen zum Recycling, Stromsparen oder zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. „Die einzelnen Kapitel sind mit Koranzitaten überschrieben. Sie sollen den Lesern verdeutlichen, dass Umweltschutz zu ihrem Glauben gehört.“ Zu den Herausgebern gehört die schon 1980 von Fazlun Khalid gegründete „Islamic Foundation for Ecology and Environmental Science“ (IFEES) (Islamische Stiftung für Ökologie und Umweltforschung) mit Sitz in Birmingham, die den islamischen Umweltschutz in ihren Anfängen wesentlich vorangetrieben habe. Eine andere Broschüre, der „Green Guide to Hajj“ (Grüner Pilgerführer), herausgegeben von der britischen Nichtregierungsorganisation „Alliance of Religions and Conservation“ (ARC), richtet sich speziell an Mekkapilger. Sie werden dazu angeregt, während der Pilgerfahrt nur umweltfreundliche Produkte zu nutzen, Müll zu reduzieren und auch nach der Rückkehr nachhaltig zu leben.
Der Öko-Islam basiert auf einer islamischen Umweltethik, die Aussagen des Korans und der Hadith-Werke ökologisch interpretiert, wie die Islamwissenschaftlerin erläutert. „Nach dieser Auslegung besteht die gesamte Welt aus Zeichen Gottes und ist darum schützenswert. Gott hat dem Menschen als Statthalter die Verantwortung über die Schöpfung übertragen. Dieser hat demnach die Aufgabe, das Gleichgewicht auf der Erde wiederherzustellen, das durch den Klimawandel gestört ist.“ Auch der Schutz von Tieren lässt sich der Forscherin zufolge mit dem Koran belegen. Dazu würden Sprüche des Propheten Mohammed zitiert, nach denen er sich gut um Tiere kümmert und ihre Misshandlung bestraft. Der islamische Glaube ist für viele muslimische Umweltaktivisten das wichtigste Motiv ihres Engagements, wie Zbidis Untersuchungen ergeben haben. „Ihr Einsatz für die Umwelt bekommt durch die religiöse Fundierung eine besondere Wertigkeit. Die Aktivisten sehen es als ihre Pflicht an und glauben, dass sie für ihren Einsatz für die Schöpfung im Jenseits belohnt werden.“ Auch das Gemeinschaftsgefühl in Projekten und Kampagnen spiele eine große Rolle für die Motivation.
Entstanden ist der islamische Umwelt-Aktivismus, so Zbidi, in den 1960er Jahren unter anderem als Reaktion auf die kontroversen Thesen des Historikers Lynn White Junior, der die Wurzeln der ökologischen Krise in den monotheistischen Religionen sah. „Muslimische Akademiker und Gelehrte, die in westliche Länder ausgewandert waren, begannen, sich mit Ökologie, Nachhaltigkeit und einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur auseinanderzusetzen“.
Monika Zbidi ist Promotionsstipendiatin der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Bis März 2013 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Orientalische Philologie und Islamwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Dissertationsprojekt behandelt den Öko-Islam als moderne islamische Strömung. Erste Ergebnisse daraus stellt sie auf dem Deutschen Orientalistentag in der Sektion „Islamwissenschaft“ vor. Insgesamt präsentieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in gut 900 Vorträgen und 80 Panels neue Forschungsergebnisse über Kulturen in Asien, Afrika und in arabischen Regionen. (ska/vvm)