"Konzil setzte entscheidende Impulse"
Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf zur Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils
Das vor 50 Jahren eröffnete Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat nach Worten des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf „wirklich entscheidende Impulse gesetzt“. „Wie sähe der heute selbstverständliche Umgang mit evangelischen Christen aus ohne das Konzil, das die Protestanten als Christen akzeptiert und nicht mehr als Häretiker betrachtet?“, fragte Wolf im Interview der münsterischen Bistumszeitung „Kirche + Leben“ (Sonntag). Ohne die Kirchenversammlung wäre auch die Bejahung von Religionsfreiheit und Demokratie durch die Kirche oder die Bezeichnung der Juden als die „älteren Brüder im Glauben“ nicht vorstellbar.
Wolf bedauerte, dass im öffentlichen Bewusstsein nicht mehr präsent sei, wie das kirchliche Selbst-verständnis vor 1961 ausgesehen habe. Das Konzil sei eine „absolute Überraschung“ und die Einberufung eine alleinige und souveräne Entscheidung von Papst Johannes XXIII. gewesen. Er habe die moderne Welt positiv gesehen und überhaupt erst einmal anerkannt, dass es eine geschichtliche Entwicklung auch in der Kirche gebe. Das sei zuvor immer negiert worden. Das Selbstverständnis sei gewesen, die Kirche Jesu Christi „bleibt so, wie er sie gestiftet hat“.
Als „Tragik des Konzils“ bezeichnete Wolf den Kompromisscharakter der Konzilsbeschlüsse. Papst Paul VI. habe in der Schluss-Session versucht, die Minderheit der am rechten Rand stehenden Konzilsväter einzubinden. So habe es möglichst einmütige Beschlüsse gegeben, damit keine Opposition entstehe. In den Kompromisstexten lägen nun Aussagelinien nebeneinander, „die schwer zu versöhnen sind“. So lehre das Konzil das „Priestertum aller Getauften“ sowie ein besonderes Priestertum. „Und wie stehen diese zueinander?“, fragt Wolf. „Man kann sich bei der Auslegung auf das eine oder auf das andere konzentrieren und berufen.“ Zum Zweiten Vatikanischen Konzil äußerte sich der Experte für Kirchengeschichte auch in der ZDF Dokumentation „Revolution im Vatikan“. (KNA)