Wie der jüdische Tempelkult zum Krieg führte
Israelischer Historiker Schwartz sprach in Münster zur Vielfalt des Judentums in der Antike
Der israelische Historiker Prof. Dr. Daniel R. Schwartz hat am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Münster über das Leben jüdischer Minderheiten in der Antike gesprochen. Die Juden seien damals mit einigen Großmächten gut ausgekommen, mit anderen hingegen seien sie in gewalttätige Konflikte geraten, erläuterte der international renommierte Historiker. Als Grund dafür nannte er das Selbstverständnis der jüdischen Gruppen, das sich stark voneinander unterschied, je nachdem, ob sie in der Diaspora oder in Jerusalem lebten.
„Juden in der Diaspora mussten im Exil unter fremder Herrschaft zurecht kommen und lebten daher einen Glauben, der universell und damit überall praktizierbar war“, erläuterte Prof. Schwartz. „Die in Juda lebenden Menschen konnten den Glauben hingegen nur im Jerusalemer Tempel praktizieren.“ Sie hätten ein sehr politisches Verständnis ihrer Religion gehabt und Fremdherrschaft abgelehnt. Als die Römer das Heilige Land 63 vor Christus eroberten und den Tempel mitbenutzen wollten, wurde den Juden dies zur akuten Bedrohung ihrer Religionsausübung, wie der Forscher sagte. „So kam es schließlich zum verheerenden römisch-jüdischen Krieg.“
Der Professor für frühjüdische Geschichte von der Hebrew University in Jerusalem sprach am Exzellenzcluster auf der dreitägigen Konferenz „Zwischen Kooperation und Feindschaft“. Wissenschaftler aus Deutschland, Israel, England und den USA beleuchteten zahlreiche Beispiele des antiken Judentums aus der Zeit der Perser, Ptolemäer, Seleukiden und Römer. Die Forschung habe bislang nicht hinreichend klären können, warum das Zusammenleben etwa mit den Persern friedlich, mit den Römern hingegen feindlich verlaufen sei, erläuterten die Alttestamentler Prof. Dr. Rainer Albertz und Privatdozent Dr. Jakob Wöhrle vom Exzellenzcluster, die die Tagung organisiert hatten.
„Eine Frage des Glaubens oder der Geburtsherkunft“
Historiker Schwartz hob die Bedeutung der unterschiedlichen jüdischen Identitäten je nach Region hervor: „Die Judäer, die seit 165 vor Christus unter priesterlicher Herrschaft in Juda lebten, lehnten eine Fremdherrschaft ab, hießen militärische Gewalt gegen Feinde gut und pflegten einen ausgeprägten Tempelkult in Jerusalem“, sagte der Forscher. „Die Juden der Diaspora, etwa im griechischen Alexandria oder in Persien, praktizierten ihren Glauben ohne solche geographisch-politischen Einschränkungen.“ Sie seien daher friedfertiger und offener für fremde Kulturen gewesen. „Jude zu sein, war hier keine Frage der Landesgrenzen, sondern eine des Glaubens oder der Geburtsherkunft.“
Diese gegensätzlichen Formen des jüdischen Selbstverständnisses finden sich im Alten Testament in den ersten beiden Makkabäerbüchern wieder, die laut Prof. Schwartz im direkten Kontrast zueinander stehen. „Das erste Makkabäerbuch wurde etwa 100 vor Christus in Juda geschrieben und beschäftigt sich damit, wie man mit militärischer Gewalt die politische Eigenherrschaft der Juden sichert und eine Fremdherrschaft verhindert“, so der Experte. Im zweiten Buch, das von Juden im griechischen Exil geschrieben worden sei, werde die Herrschaft fremder Mächte anerkannt und die Religion ohne Tempelkult ausgeübt. „Hier deutet sich bereits an, wieso die Judäer in ihrem eigenen Land in einen militärischen Konflikt mit den römischen Besatzern gerieten.“ Ebenso werde klar, weshalb die Juden in der Diaspora meist besser mit ihrer Lebenssituation zu Recht kamen. (han/vvm)