Ringvorlesung „Religion und Geschlecht“
Exzellenzcluster befasst sich im Wintersemester mit Geschlechterrollen
Die öffentliche Ringvorlesung des Exzellenzclusters befasst sich im kommenden Wintersemester ab dem 18. Oktober mit dem Verhältnis von Religion und Geschlecht. Wohl jede Religion enthält Normen, die die Ordnung der Geschlechter betreffen. Die Relevanz von Religion im Alltagsleben ist kaum irgendwo so deutlich greifbar wie in den Konsequenzen für das Geschlechterverhältnis. Geschlechterrollen werden durch mythische Erzählungen in einer fernen Vergangenheit verankert, durch rituelle Praktiken stets aufs Neue reproduziert und durch kirchliche Organisationsstrukturen auf Dauer gestellt. Angriffe gegen eine andere Religionsgemeinschaft treten nicht selten als Diffamierung von deren Geschlechternormen auf: Religiöse Reinheit wird oft mit sexueller Reinheit, abweichender Glaube mit sexueller Zügellosigkeit gleichgesetzt.
Kurzum: Religiöse Sinnsysteme und kirchliche Institutionen tragen in erheblichem Maße dazu bei, den Unterschied der Geschlechter symbolisch aufzuladen, die jeweiligen Normen als selbstverständlich, „natürlich“ und unverfügbar erscheinen zu lassen und eine bestimmte Ordnung des Geschlechterverhältnisses auf diese Weise gegen Wandel zu schützen. Umgekehrt können Glaubensvorstellungen aber auch dazu beitragen, die herrschende Geschlechterordnung in Frage zu stellen oder zu unterlaufen.
Wenn es zutrifft, dass alle Religionen Aussagen über die Geschlechterordnung enthalten und diese zugleich beeinflussen, dann fragt sich, was das für den historischen Wandel des Geschlechterverhältnisses bedeutet, das ja zugleich auf vielfältige Weise mit den jeweiligen wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Strukturen verflochten ist. Die Frage ist: Inwiefern stützen sich Geschlechterordnung, soziale, politische und religiöse Ordnung wechselseitig, inwiefern kollidieren sie miteinander? Inwiefern gehen Brüche der religiösen Ordnung mit Brüchen der Geschlechterordnung einher?
Solchen Fragen soll die Ringvorlesung im Hinblick auf verschiedene historische Epochen und aus der Perspektive verschiedener Disziplinen nachgehen: von der Geschichtswissenschaft über Soziologie, Theologie, Jurisprudenz bis hin zu Ethnologie und Literaturwissenschaft. Die Vorträge sind jeweils Dienstag von 18-20 Uhr in Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20-22, zu hören.
Programm
18.10.2011 | Jochen Martin, Freiburg | Männerwelten – Frauenwelten – Zwischenwelten in der römischen Republik |
25.10.2011 | Khola Maryam Hübsch, Frankfurt am Main | Zwischen Gewaltopfer und Haremsphantasie: Zum Selbst- und Fremdbild der muslimischen Frau |
08.11.2011 | Eva Schlotheuber, Düsseldorf | Neue Grenzen und neue Möglichkeiten – Religiöse Lebensentwürfe geistlicher Frauen in der Umbruchszeit des 12. und 13. Jahrhunderts |
15.11.2011 | Thomas Bauer, Münster | Männerliebe in vormodernen und modernen islamischen Kulturen |
22.11.2011 | Sita Steckel, Münster | Perversion als Argument. Wissensordnungen und Geschlechterordnung in religiösen Kontroversen des Hoch- und Spätmittelalters |
29.11.2011 | Werner Freitag, Münster | Trösterin der Betrübten, Jungfrau, Mutter und Möhne. Pastorale Konzepte und weibliche Frömmigkeit im Bistum Münster um 1900 |
06.12.2011 | Elisa Klapheck, Frankfurt am Main | Frauen im Rabbinat – Feministische Aufbrüche im Judentum von der ersten Rabbinerin Regina Jonas bis heute |
13.12.2011 | Titia Loenen, Utrecht | Women, law and religion: dealing with (potential) conflicts between freedom of religion and gender equality from a human rights perspective |
20.12.2011 | Bruce Dorsey, Swarthmore | Religion, Gender and the Politics of Conspiracy in Nineteenth-Century America |
10.01.2012 | Jürgen Martschukat, Erfurt | „Every thing that can be shaken will be shaken”. Die „Oneida Community” und die Familien- und Geschlechterordnung in den USA des 19. Jahrhunderts |
17.01.2012 | Christina von Braun, Berlin | Die Funktion von Geschlecht in den fundamentalistischen Bewegungen |
24.01.2012 | Marianne Heimbach-Steins, Münster | „...nicht mehr Mann und Frau“ (Gal 3,28).Geschlecht und Geschlechterverhältnisse – Provokation für Kirche und Theologie |
31.01.2012 | Manuel Borutta, Köln | Kulturkampf als Geschlechterkampf? Grenzen der Säkularisierung im 19. Jahrhundert |
07.02.2012 | Bijan Fateh-Moghadam, Münster | Religiöse Neutralität und Geschlechterordnung – Europäische „Burka-Verbote“ zwischen Gender Mainstreaming und Rechtspaternalismus |
Wintersemester 2011/2012
Dienstag 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster