Von der Suche nach den richtigen Handlungsmaßstäben
Öffentliche Ringvorlesung des Exzellenzclusters lädt zum Nachdenken über Normen ein
Die Entstehung von Normen in Geschichte und Gegenwart steht im Zentrum der öffentlichen Ringvorlesung „Gewohnheit, Gebot, Gesetz“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster (WWU). Die Reihe beleuchtet ab dem 13. April 2010, welche Normvorstellungen in früheren Epochen galten und welche Probleme die Begründung solcher Handlungsmaßstäbe heute bereiten kann, wie die Organisatoren, Prof. Dr. Nils Jansen und Prof. Dr. Peter Oestmann vom Institut für Rechtsgeschichte, am Mittwoch in Münster ankündigten.
Die Bandbreite der 13 Vorträge reicht von den Zehn Geboten über Häresie und politische Spielregeln im Mittelalter bis zur Toleranz des Islam von früher und heute. „Die Ringvorlesung soll Wissenschaftler und Studierende aller Fächer sowie interessierte Laien ansprechen“, betonte Jurist Prof. Dr. Oestmann. „Die Vorträge sind bewusst interdisziplinär und thematisch breit angelegt - beteiligt sind Rechtshistoriker, Theologen, Philosophen, Historiker und Islamwissenschaftler.“
Die Forscherinnen und Forscher schlagen einen zeitlichen Bogen von der jüdischen Antike über Mittelalter und Frühneuzeit bis zum modernen Verfassungsrecht. Sie fragen auch nach der theologischen und philosophischen Begründung von Normen und ihrer Durchsetzbarkeit in der Realität. „Wie kann der Staat heute Normen begründen? Lassen sich angesichts der Globalisierung weltweit gültige Maßstäbe finden? Fraglich ist auch, ob sie noch religiös zu rechtfertigen sind“, erläuterte Jurist Prof. Dr. Oestmann.
Die Forderung der Philosophen nach Handlungsmaßstäben, die faktisch alle teilen, werde in der Realität wohl nie möglich sein, sagte der Wissenschaftler. Allerdings sei die Verhärtung, die heute zwischen der westlichen und arabischen Welt in Wertefragen bestehe, erst in der Moderne entstanden. „Ursprünglich pflegte die islamische Welt eine Kultur der Doppeldeutigkeit und Offenheit, die ein Gespräch über Normen ausdrücklich wünschte“. Das werde in der Ringvorlesung anhand alter Quellen dargelegt.
Diskutiert werden soll in der Ringvorlesung auch, wie in pluralistischen Gesellschaften unterschiedliche Normen konfliktfrei nebeneinander bestehen können. Das sei in der Geschichte immer wieder gelungen, so Prof. Dr. Oestmann. „Heute sollte die Politik aus meiner Sicht nur die Einhaltung eines Minimalkonsenses sicherstellen, aber keine detaillierten ethischen oder religiösen Normen vorgeben“.
Die Vorträge sind jeweils dienstags ab 18 Uhr c.t. im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses, Domplatz 20-22, zu hören. Die Veranstaltungsreihe präsentiert die Themen-Säule „Normativität“ des Exzellenzclusters, einen von vier Schwerpunkten des Forschungsverbundes. (vvm)