„Auch Rot-Rot-Grün würde Religionspolitik beibehalten“
Politologe Sven W. Speer erwartet gemäßigtere Kirchenpolitik der Linkspartei
Münster, 23. September 2009 (exc). Die Bundestagswahl am Sonntag wird dem Münsteraner Politologen Sven W. Speer zufolge nichts an der Religionspolitik verändern. Auch eine rot-rot-grüne Bundesregierung würde die bisherige Linie nach seiner Einschätzung beibehalten. Trotz der zunehmenden Zahl von Religionslosen werde keine der möglichen Koalitionen eine stärkere Trennung von Kirche und Staat durchsetzen, schreibt der Wissenschaftler in einem Beitrag für die Homepage www.religion-und-politik.de des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU). Die politisch erstarkende Gruppe der Muslime werde daran ebenfalls nichts ändern. Ihre Verbände wollten „keine Reform der Religionspolitik, sondern in den Genuss ihrer Vorzüge kommen“. Mit Nichtreligiösen würden sie daher nicht kooperieren.
Von der Linkspartei erwartet der Experte eine Mäßigung in Sachen Kirchenpolitik. Sie könne die Kapitalismuskritik vieler engagierter Christen für sich nutzen, um vor allem in Westdeutschland neue Anhänger zu gewinnen. Von der Forderung nach einer strikten Trennung von Staat und Kirche müsse die Partei dann abrücken, so der Politologe. Er erforscht in der Graduiertenschule des Exzellenzclusters die deutsche Religionspolitik und wertet dazu Parteiprogramme und Medienberichte aus.
Die Grünen haben sich laut Speer „mittlerweile mit der Trennung von Kirche und Staat im Sinne des Grundgesetzes arrangiert“. Von Fragen der Abtreibung und der Homo-Ehe abgesehen, deckten sich ihre moralischen Positionen überraschend weitgehend mit denen der großen christlichen Kirchen. Die Grünen würden sie bei Themen wie Gentechnik und solidarischer Wirtschaftspolitik immer mehr als Partner erleben.
Die SPD stellt nach den Worten des Politologen zwar mit dem Regierenden Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit den „aktuell wohl kirchenkritischsten“ Ministerpräsidenten, auf Bundesebene stehe die Partei aber für den „Status quo der Religionspolitik“. Mehr Bewegung beobachtet Sven W. Speer auf Ebene der Länder, wo es schon jetzt große Unterschiede gebe. Langfristig sei auch auf Bundesebene mit einer stärkeren Trennung von Kirche und Staat zu rechnen. Mit den Jusos, den Jungen Liberalen, der Grünen Jugend und der Linksjugend hätten sich bis auf die Junge Union alle Nachwuchsorganisationen der Parteien dafür ausgesprochen. „Sie werden ihre Ideen auf Bundesebene jedoch erst umsetzen können, wenn die Kirchenbindung und der Bevölkerungsanteil der Christen weiter sinken“, prognostiziert Speer. (arn)