Katholiken damals – Muslime heute. Religiöse 'Parallelgesellschaften' im Vergleich
Streitgespräch mit Wilfried Loth, Schirin Amir-Moazami, Marc Breuer und Levent Tezcan anlässlich des 52. Deutschen Historikertags
Donnerstag, 27. September 2018, 11-13 Uhr
F2, Fürstenberg-Haus, Domplatz 20, 48143 Münster
'Parallelgesellschaft': Keine andere gesellschaftliche Gruppe in Deutschland sieht sich so oft mit diesem Etikett versehen wie Musliminnen und Muslime. Auch wenn häufig unklar bleibt, was sich mit dem Begriff tatsächlich verbindet, enthält er fast ohne Ausnahme eine kritische Stoßrichtung: Die Mitglieder der 'Parallelgesellschaft' separieren sich, so der kleinste gemeinsame Nenner, von der Mehrheit der Bevölkerung. Auf diese Weise leben sie nicht nur in eigenen sozialen und wirtschaftlichen, kulturellen und kommunikativen Strukturen, sondern angeblich verweigern sie sich auch den Gepflogenheiten, Regeln und Gesetzen der Mehrheitsgesellschaft. Gelegentlich gipfelt die Unterstellung in dem Verdacht, sie ließen sich für die Zwecke der Regierungen ihrer Herkunftsländer instrumentalisieren.
Die Kritik, die heutzutage in Deutschland gegenüber Musliminnen und Muslimen unter dem Schlagwort der 'Parallelgesellschaft' formuliert wird, ähnelt in ihrer Struktur Vorbehalten, wie sie im 19. und frühen 20. Jahrhundert im Deutschen Reich gegenüber Katholikinnen und Katholiken vorgebracht wurden. Auch ihnen wurde von der protestantischen Mehrheitsgesellschaft vorgeworfen, in einer 'Parallelgesellschaft' zu leben. Sie manifestiere sich - so der allgemeine Tenor - unter anderem in einem katholischen Vereins- und Verbandswesen sowie eigenständiger katholischer Parteiarbeit. Eine in lateinischer Sprache abgehaltene Liturgie wurde als undeutsch angesehen. Katholikinnen und Katholiken wurden darüber hinaus unter den Generalverdacht gestellt, unter dem Einfluss einer fremden Macht, namentlich dem Papst in Rom, zu stehen.
Das geplante Streitgespräch zum Thema "Katholiken damals – Muslime heute: Religiöse 'Parallelgesellschaften' im Vergleich" soll dazu dienen, aktuelle Diskussionen um eine 'muslimische Parallelgesellschaft' und (historische) Erkenntnisse der katholischen Milieuforschung zusammenzubringen. In der Diskussion sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Konzepte und historischen Begebenheiten herausgearbeitet werden und Möglichkeiten erörtert werden, wie öffentliche und wissenschaftliche Diskussionen über eine '(muslimische) Parallelgesellschaft' heute von Erkenntnissen der historischen Forschung profitieren können. Dazu diskutieren der Historiker Wilfried Loth, die Islamwissenschaftlerin Schirin Amir-Moazami, der Religionssoziologe Marc Breuer und der Religionswissenschaftler Levent Tezcan miteinander.