Etablierung von Bulttorfmoosen in wiedervernässten Hochmooren nach Abtorfung

Aktuell

DBU fördert Kooperationsprojekt des ILÖK zur Vermehrung und Etablierung heimischer Bulttorfmoose



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[27.10.2014] Ab Januar 2015 können die Arbeitsgruppen Hydrologie und Ökosystemforschung des ILÖK gemeinsam mit dem Kooperationspartner Gramoflor und unter der Trägerschaft der Stiftung Lebensraum Moor die vor einigen Jahren gestarteten Versuche zur Vermehrung und Etablierung von heimischen Bulttorfmoosen in Niedersachsen nun mit finanziellen Mitteln der DBU durchführen. Das Kooperationsprojekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. mehr

Projektbeschreibung (DBU)

Fotos

  • Hintergrund


    In Nordwest-Deutschland wurden über 2.000 km² Hochmoorfläche durch Entwässerung und anschließende landwirtschaftliche Nutzung oder Torfabbau zerstört oder zumindest stark degradiert. Damit ging der Lebensraumverlust von vielen seltenen, hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten einher. Zudem stellen Moore eine langfristige Kohlenstoffsenke bzw. im degenerierten Stadium eine bedeutende Treibhausgasquelle dar, so dass die Renaturierung von Hochmooren auch zunehmende Bedeutung für den Klimaschutz erlangt.

    Auf über 10.000 ha abgetorfter Moore wurden in den letzten 30 Jahren Wiedervernässungsmaßnahmen durchgeführt. Zudem werden in den nächsten Jahren mehr als ein Drittel der 26.000 ha industrieller Abtorfungsflächen in Niedersachsen aus der Nutzung genommen und wiedervernässt. Für Nordwest­deutschland gibt es allerdings keinen aktuellen Leitfaden für die Renaturierungspraxis und das Vorgehen ist stark abhängig vom Stand des Wissens der beteiligten Personen. Darüber hinaus beruht die derzeitige Renaturierungspraxis auf einer relativ kurzfristigen Erfolgskontrolle.

    Wiedervernässungsfläche: es fehlen Birken und Flatterbinse, aber auch Bulttorfmoose und Rosmarinheide

    Voruntersuchungen auf über 50 Wiedervernässungsflächen in Nordwestdeutschland im Rahmen von Abschlussarbeiten und Studienprojekten haben ergeben, dass die meisten hochmoortypischen Pflanzenarten, insbesondere Bulttorfmoose, nahezu vollständig fehlen. Vor allem auf landwirtschaftlich vorgenutzten Flächen kommt es zudem häufig zu Dominanzbeständen der Flatterbinse. Neben zum Teil unpassenden bzw. noch nicht stabilen Standortbedingungen (Hydrologie, Nährstoffversorgung), ist dies vor Allem auf Diasporenmangel zurückzuführen.

    Mittel- bis langfristiges Ziel dieses Projektes ist es diese Ausbreitungslimitierung zu überbrücken und hochmoortypische Pflanzenarten, vor allem die für die Torfbildung wichtigen Bulttorfmoose, aktiv auf Wiedervernässungsflächen auszubringen um so einerseits diese meist seltenen Arten zu fördern, aber auch die Entwicklung der Flächen in Richtung lebendes und torfbildendes Hochmoor zu beschleunigen.

    Dies ist ein gemeinsames Projekt der Gramoflor GmbH & Co. KG, der Stiftung Lebensraum Moor und des Instituts für Landschaftsökologie der WWU Münster, Arbeitsgruppen Ökosystemforschung und Hydrologie.

  • Methode


    Das Konzept dieser Studie ist modular angelegt und in vier Arbeitspakete gegliedert. Die ersten zwei Module wurden als Vorarbeiten bereits aus Eigenmitteln und mit Unterstützung der Gramoflor GmbH & Co. KG begonnen. Für die Durchführung des Gesamtprojektes wird daran gearbeitet Mittel von dritter Seite zu aquirieren.

    (i) Experimente zur optimalen Produktion von Spendermaterial, Vermehrung vorhandener Diasporen
    Um Bulttorfmoose zukünftig in größerem Maßstab auf wiedervernässten Flächen auszubringen, ist zunächst ein optimales Verfahren zur Vermehrung der vorhandenen Spender-Torfmoose zu testen. Hierzu werden bei permanent hohem Wasserstand (2 cm unter Flur) auf einer Torfmatrix mit guten hydraulischen Eigenschaften (Weißtorf) verschiedene Bulttorfmoosarten einzeln und in Kombination in einem vollfaktoriellen Experiment ausgebracht. Es wird sowohl gezupftes als auch gehäckseltes Material getestet und auch die Auftragsmenge variiert. Die Hälfte der Schalen erhält zusätzlich regelmäßige Bewässerung von oben. Der Zuwachs der Torfmoose wird mittels gebogener Drähte (cranked wires) non-destruktiv bestimmt. Zur Produktion in größerem Maßstab werden die erfolgreichsten Behandlungsvarianten später auf größerer Fläche etabliert.

    (ii) Hydrologisch/biogeochemische Inventur und Monitoring bestehender Renaturierungsflächen
    Um potentielle Renaturierungsflächen hinsichtlich der Erfolgsaussichten für die Etablierung von Bulttorfmoosen einschätzen zu können müssen eine Inventur und ein längerfristiges Monitoring erfolgen. Auf zunächst 12 Wiedervernässungsflächen verschiedenen Alters und unterschiedlicher ehemaliger Abbautechniken werden Pegel zur kontinuierlichen Wasserstandsmessung mit Divern eingerichtet. Zusätzlich werden Torfkerne sowie regelmäßig Proben des Oberflächenwassers für chemische Analysen im Labor entnommen. Neben der hydrologischen und biogeochemischen Charakterisierung erfolgt eine vegetationskundliche Einordnung der Flächen mittels Vegetationsaufnahme und Transektkartierung. Die vegetationskundliche Aufnahmefläche wird für Monitoringzwecke mit Magneten dauerhaft markiert. Perspektivisch sollen weitere Flächen in das Monitoringprogramm aufgenommen werden.

    (iii) Test optimaler Bedingungen zur erfolgreichen Etablierung im Freiland
    Auf den 12 Flächen, die hydrologisch, biogeochemisch und vegetationskundlich charakterisiert werden (ii), werden Torfmoose entlang eines Feuchtegradienten innerhalb der einzelnen Flächen ausgebracht. Die aufzubringende Menge, Mischung oder der Zerkleinerungsgrad richten sich nach den erfolgversprechendsten Behandlungsvarianten von (i). Zudem werden Testflächen an verschiedenen Ammenpflanzen (Scheidiges oder Schmalblättriges Wollgras, Flatterbinse, Pfeifengras) eingerichtet. Der Zuwachs und die Vitalität der ausgebrachten Bulttorfmoose wird anschließend über mindestens zwei Jahre beobachtet. Aus der vergleichenden Analyse mit den Standortortdaten lassen sich die erfolgversprechendsten Flächen(bereiche) identifizieren.

    (iv) Ausbringung von Spendermaterial in größerem Maßstab mit begleitendem Monitoring

    Auf denen unter (iii) ermittelten Flächen mit den größten Erfolgsaussichten werden Bulttorfmoose in größerem Maßstab ausgebracht. Sukzessive werden weitere Flächen beimpft und ein langfristiges Monitoring implementiert. Parallel wird über technische Möglichkeiten nachgedacht die Ausbringung des Spendermaterials effektiv zu gestalten.

  • Laufende Arbeiten

    Auf dem Werksgelände der Firma Gramoflor GmbH & Co. KG wurden 80 mit Weißtorf gefüllte Schalen (40x60 cm) mit Fragmenten von Bulttorfmoosen versehen. Der Wasserstand wird konstant nahe Flur gehalten. Je 40 dieser Schalen werden regelmäßig gleichmäßig von oben befeuchtet während die anderen 40 Schalen keine Kopfbewässerung erhalten.

    Anzucht verschiedener Sphagnum-Arten in mit Weißtorf gefüllten Schalen. (Foto: Till Kleinebecker)

    Folgende Varianten wurden in je dreifacher Wiederholung angelegt:

    • Sphagnum papillosum aus intakten Bulten (150g Frischgewicht)
    • Sphagnum magellanicum aus intakten Bulten (150g Frischgewicht)
    • Sphagnum capillifolium aus intakten Bulten (150g Frischgewicht)
    • Sphagnum papillosum aus bereits nachgezogenen Rasen (150g Frischgewicht)
    • Sphagnum magellanicum aus bereits nachgezogenen Rasen (150g Frischgewicht)
    • Sphagnum capillifolium aus bereits nachgezogenen Rasen (150g Frischgewicht)
    • Mischung verschiedener Sphagnen (150g Frischgewicht)
    • gehäckselte Fragmente verschiedener Sphagnen (150g Frischgewicht)
    • gehäckselte Fragmente von Sphagnum papillosum (150g Frischgewicht)
    • gehäckselte Fragmente von Sphagnum magellanicum (150g Frischgewicht)
    • gehäckselte Fragmente von Sphagnum capillifolium (150g Frischgewicht)
    • gehäckselte Fragmente von Sphagnum papillosum (75g Frischgewicht)

    Zusätzlich wurden je eine Schale mit Sphagnum imbricatum und eine Schale mit gehäckselten gemischten Sphagnen (75g) sowie zwei Schalen mit Sphagnum rubellum beimpft. Darüber hinaus wurden auf weiteren 30m2 verschiedene Sphagnen und Mischungen mit etwa 600g Frischgewicht / m2 ausgebracht.

    Parallel wurden insgesamt 12 wiedervernässte Flächen im Vechtaer Moor und im Campemoor mit Pegelrohren versehen und mit automatischen Wasserstandsdatenloggern ausgestattet. Zur Charakterisierung der Flächen ist noch geplant Torf- und Wasserproben zu nehmen und anschließend im Labor zu untersuchen.

    Pegelrohr in einer wiedervernässten Fläche (Foto: Peter Raabe)
  • Voruntersuchungen


    Die AG Ökosystemforschung hat seit 2010 im Rahmen von Abschluss- und Projektarbeiten zu verschieden Themenbereichen Untersuchungen in wiedervernässten Hochmooren Nordwestdeutschlands durchgeführt. Hierbei wurden auf über 50 Wiedervernässungsfächen in etwa 20 Mooren in 10 Landkreisen Niedersachsens Daten erhoben. Diese Untersuchungen fanden mit Unterstützung und in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Hofer & Pautz, dem BUND Diepholzer Moorniederung, der Staatlichen Moorverwaltung Meppen, der Gramoflor GmbH & Co. KG sowie anderen Torfabbauunternehmen statt.

    Impressionen Vorarbeiten Quer 480

    Folgende Arbeiten werden/wurden in diesem Zusammenhang angefertigt:

    • Bachelorarbeit: Vertikale Phosphatverlagerung in Hochmoorgrünland (Jakob Huber)
    • Masterarbeit: Renaturierungspotential von industriell abgetorften Hochmoorflächen in NW-Deutschland (Eva Rosinski)
    • Masterarbeit: Schalenamöben als Indikatoren für Wasserregime und Trophie in wiedervernässten Hochmooren NW-Deutschlands (Peter Raabe) Poster [pdf 8,7 MB]
    • Masterarbeit: Evaluation der Hochmoorrenaturierung in NW-Deutschland anhand der Libellenfauna (Annemarie Krieger)
    • Masterarbeit: Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung von Torfeigenschaften mittels Nahinfrarotspektroskopie (Manuel Goerke)
    • Forschungsprojekt: Wasserregime und Nährstoffe in wiedervernässten Hochmooren Nordwestdeutschlands (Eva Rosinski & Claudia Tillmann) Abschlussbericht [pdf 2,6 MB] Fotodokumentation [pdf 5,8 MB]
    • Forschungsprojekt: Wasserregime und Nährstoffe in wiedervernässten Hochmooren Nordwestdeutschlands (Peter Raabe) Poster [pdf 0,6 MB]
    • Bachelorarbeit: Samenbanken von wiedervernässten Hochmoorflächen (Praxis) (Svenja Agethen)
    • Bachelorarbeit: Wiedervernässte Hochmoore: Samenbanken und Ausbreitungspotential von Zielarten (Theorie) (Susanne Schild)
    • Bachelorarbeit: Quadrocopter-gestützte Evaluation der Hochmoorrenaturierung durch multitemporale Luftbilder (Birte Klein) (Erstbetreuer T. Prinz)