Münze des Monats
Abdikationsfolleis der Kaiser Diokletian und Maximian
Diocletianus, 284-305, AE Follis, 10,15 g, 29 mm, Münzstätte Serdica, 305-307 n. Chr., Vs.: D N DIOCLETIANO FELICISSIMO SEN AVG, Konsularbüste mit Lorbeerkranz, Olivenzweig und mappa nach rechts, Rs.: PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG / S - F / HTS, Providentia reicht Quies mit Zweig und Zepter die Hand. RIC 15a (Gorny & Mosch Giessener Münzhandlung, Auction 215, 13.10.2013, Lot 444)
Maximianus Herculius, 285-310, AE Follis, 10,19 g, 27 mm, Münzstätte Trier 305-307 n. Chr., Vs.: D N MAXIMIANO BEATISSIMO SEN AVG, Konsularbüste mit Lorbeerkranz, Olivenzweig und mappa nach rechts, Rs.: PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG / S-B-F / SM SD , Providentia reicht Quies mit Zweig und Zepter die Hand. RIC 675 (Privatbesitz)
Kein antikenbegeisterter Besucher Kroatiens wird es versäumen, den malerisch an der Adriaküste gelegenen Diokletianspalast in Split in seine Routenplanung aufzunehmen und dieses vorzüglich erhaltene spätantike Architekturensemble mit der Grablege des bedeutenden Kaisers (284-312) in Augenschein zu nehmen. Doch selbst bei der ausgiebigen Besichtigung der gewaltigen Substruktionen des Palastes, der verwinkelten Gassen des wehrhaft ummauerten, weitläufig-stadtähnlichen Areals oder des heute als Kirche dienenden Mausoleums wird kaum einem Besucher bewusst sein, dass die Entstehung und Funktion dieser Anlage - der Ruhesitz Kaiser Diokletians - mit einer der bemerkenswertesten Prägungen der römischen Münzgeschichte in unmittelbarer, ja programmatischer Verbindung steht.
In den Jahren 305 bis 310 n. Chr. wurden, zeitgleich in fast allen aktiven Münzstätten des Imperiums, von London bis Karthago, von Antiochia bis Alexandria produziert, zwei Serien von Prägungen in Gold und Bronze emittiert, letztere offenbar in großen Mengen und zur Verbreitung in allen Regionen des Reiches. Ihr Zweck war, der Reichsbevölkerung eine wichtige politische Botschaft zu übermitteln: die freiwillige Abgabe der Macht durch den Begründer des 284 n. Chr. etablierten tetrarchischen Herrschaftssystems, Diokletian, und seinen Mitkaiser, Maximian, nach über 20jähriger Regierung. Die Münzen zeigen auf ihren Vorderseiten motivgleich einen der beiden Herrscher im Amtsgewand eines Konsuls mit Lorbeerkranz und einem Olivenzweig, dem Symbol des Friedens und der Ordnung, sowie einer mappa, ein Zeremonialtuch, als weiterer Amtsinsignie in Händen. Die umlaufende Legende lautet D(omino) N(ostro) DIOCLETIANO FELICISSIMO SEN(iori) AVG(gusto) bzw. D(omino) N(ostro) MAXIMIANO BEATISSIMO SEN(iori) AVG(gusto). Die unterschiedlichen Attribute felicissimus und beatissimus deuten diskret den Vorrang Diokletians vor dem von ihm 286 n. Chr. zum Mitkaiser erhobenen Maximian an. Die traditionelle Herrscherbezeichnung Augustus (in der Spätantike zudem dominus noster, "unser Herrscher") wird hier, einmalig in der römischen Münzgeschichte, um senior erweitert: wie die Rückseite erweist, zu übersetzen nicht mit 'der Ältere', sondern 'im Ruhestand'.
Mindestens ebenso bemerkenswert ist das Münzbild mit seiner Legende auf der Rückseite, das auf allen Prägungen identisch ist. Es zeigt zwei weibliche Personifikationen - diese Doppelung an sich schon nahezu ohne Beispiel auf römischen Münzen -, die sich gegenüberstehen: PROVIDENTIA DEORVM, die Vorsehung der Götter, streckt ihre Hände nach der rechts stehend QVIES AVGG(ustorum) aus, der Rast der Kaiser (von den Anstrengungen der Herrschaft), welche Zweig und Szepter hält, sie gleichsam auffordert, ihre Wirksamkeit zu entfalten. Versinnlicht ist mithin der Ruhestand, der Rückzug ins Privatleben, der beiden Kaiser, der göttlicher Planung folgend nun vollzogen wird, wobei sie ihre Augustus-Titel aber, wie die Prägungen zeigen, nicht aufgeben. Die völlige Übereinstimmung von Münzbild und Legende in allen Münzstätten beweist, dass die Offizinen alle nach einer zentralen Vorlage ihre Münzstempel fertigten, die Gleichzeitigkeit der Prägung, dass sie aus Anlass des Rücktrittes der Kaiser - ein nie dagewesenes Ereignis in der Geschichte der römischen Kaiserzeit - versandt worden war. Die Ausgabe der Münzen über mehrere Jahre hinweg verkündete den Reichsbewohnern nicht nur die Bedeutung dieses Rücktrittes; sie legitimierte zugleich die Herrschaft der den beiden Senioraugusti folgenden Kaiser, Galerius und Constantius Chlorus: Ihr Aufrücken zu Augusti, nachdem sie zuvor als Caesares bereits an der Herrschaft partizipiert, mithin als Tetrarchen Teile des Reiches regiert hatten, folgte ebenfalls der Vorsehung, der planenden Weitsicht der Götter.
Die Entscheidung zum Amtsverzicht war keine kurzfristige gewesen. Diokletian hatte sie unzweifelhaft von langer Hand vorbereitet und so seinen künftigen Altersruhesitz bei Salona in seiner alten dalmatischen Heimat in jener begünstigten Küstenlage bereits über Jahre hinweg errichten lassen. Tatsächlich verbrachte er nach seinem und Maximians öffentlich inszenierten Rücktritt am 1. Mai 305 samt Ernennung der Nachfolger dort bis zu seinem Tod 312 seine letzten Lebensjahre - musste dabei allerdings erleben, dass heftige Kämpfe unter den Nachfolgern ausbrachen und das tetrarchische Herrschaftssystem faktisch zerbrach. Maximian, sein Herrscherkollege, der nur widerstrebend zugleich mit ihm seine Macht abgegeben hatte, mochte sich allerdings nicht der in den Münzen propagierten QVIES anbequemen und ernannte sich im Februar 307 erneut zum Augustus, wurde aber auf Intervention Diokletians 308 wieder zur Abdankung gezwungen. Ein erneuter militärischer Versuch, die Herrschaft zu ergreifen, scheiterte 310. Maximian wurde nach seiner Gefangennahme von der Person zum Selbstmord gezwungen, die schließlich das von Diokletian errichtete tetrarchische System endgültig zerstören sollte: Konstantin, der Sohn des Constantius Chlorus. Es ist derselbe Konstantin (306-337), der 324 nach weiteren Bürgerkriegen sich die Alleinherrschaft sicherte, zudem die Herrschaft der alten Götter und ebenso den Glauben an ihre PROVIDENTIA beseitigen sollte: Er bahnte dem einen Gott, dem der Christen den Weg.
Johannes Hahn
Münze des Monats
LWL-Museum für Kunst und Kulturgeschichte / Westfälisches Landesmuseum, Münzkabinett
Merseburg, Pfennig 1014-1024
1.107 g 17 mm
Inv.Nr.45724Mz (obere Münze)
und 1.107 g 17 mm
Inv.Nr.45724Mz (untere Münze)
Unter den deutschen Münzen der ottonischen und salischen Kaiserzeit fällt ein Typ aus dem Rahmen insofern als eine Seite nur ein Christogramm und die andere Seite drei horizontal geordnete Schriftzeilen zeigt, während es sonst üblich war, Schrift um den Rand herum zu führen. Wenngleich die Münzen des Hochmittelalters ganz wesentlich von christlicher Ikonographie geprägt sind, findet sich das Christogramm auf ihnen doch nur sehr selten. In verkürzter Form findet es sich in einer Kirchendarstellung in Mainz in der Zeit Konrads II. und Heinrichs III.
Ausnahmen sind in dem Standardwerk von Dannenberg Nr.1243 und der hier behandelte Typ Dannenberg 1190. Letzterer wurde von Julius Menadier 1891 als „vielleicht“ aus der Benediktinerabtei Prüm stammend bezeichnet, welche Einschränkung in der Nachfolgezeit häufig fortgefallen ist. Nicht weiter beachtet wurde ein Hinweis von Hermann Dannenberg in Auseinandersetzung mit älterer Literatur, die die Heimat dieser Münzen in Italien suchte, auf einen „hohen scharfen Rand“. Ein solcher Hochrand ist ein Caracteristicum für Münzprägungen dieser Zeit im äußersten Osten des Herzogtums Sachsen (übertragen auf moderne Verwaltungseinheiten Westfalen, Niedersachen und westliches Sachsen-Anhalt) und kommt anderen Orts nicht vor. Damit ist die Zuweisung an Prüm, das eher dem Umfeld von Trier zuzurechnen ist, hinfällig. In diesem Zusammenhang ist es auch von Belang, dass entsprechende Münzen in erster Linie in Polen, vereinzelt auch in Russland und im Baltikum, in Schweden jedoch bisher nicht gefunden worden sind. Auch diese Beobachtung zeigt, dass der Typ am ehesten im deutsch-slawischen Grenzgebiet entstanden ist. Hinsichtlich der Datierung ergeben die Fundvorkommen eine Entstehung in der Zeit Heinrichs II. als Kaiser (1014-1024).
Der Münztyp kommt sowohl mit flachen Schrötlingen als auch bei etwas kleinerem Durchmesser mit aufgestauchtem Rand vor. Dieses technische „sowohl als auch“ findet sich auch bei anderen Münzen des beginnenden 11.Jahrhunderts im Großraum Magdeburg, während Ausgaben aus den nachfolgenden Jahrzehnten dort grundsätzlich den „hohen scharfen Rand“ haben.
Die eingangs genannte Schriftseite besteht aus dem zwei geteilten „Cae - sar“ ober- und unterhalb von IVICT, wobei der Kontraktionsstrich über dem mittleren Wort dieses zu INVICTUS (der Unbesiegte) auflöst. Ein Personenname erscheint nicht. Angesichts der Zeitstellung ist es aber klar, dass Heinrich II. gemeint ist, auch wenn es ebenso auf Christus bezogen werden kann. 1007 begann Heinrich einen Feldzug gegen Polen, der aber den Erfolg hatte, dass Truppen des polnischen Königs Bolesław Chrobry in den Raum nahe Magdeburg vordrangen und die Lausitz zurückeroberten. Da es Heinrich II. nicht gelang, den sächsischen Adel zu einem erneuten Zug nach Polen zu bewegen, schloss er 1013 mit Polen in Merseburg einen Frieden, der aber nur von kurzer Dauer war. Im Juli 1015 zog Heinrich II., inzwischen zum Kaiser gekrönt, erneut nach Polen, und überquerte die Oder, während gleichzeitig polnische Kämpfer die Elbe überquerten. 1018 wurde schließlich in Bautzen ein neues Friedensabkommen geschlossen, das bis zum Tode Heinrichs 1024 hielt. Auch das Verhältnis zu den Elbslawen, deren Gebiet zwischen Polen und dem deutschen Reich lag, war gespannt. Sie paktierten teilweise mit Polen, teilweise mit Heinrich II. Der Bund mit den Lutitzen im Raum Ostmecklenburg/Vorpommern geriet in Gefahr, als 1017 ein Gefolgsmann Heinrichs ein mit einem Göttinnenbild verziertes Heerzeichen der Lutitzen durch einen Steinwurf beschädigte, was als Provokation aufgefasst wurde. Das Bündnis konnte nur durch Zahlung eines Bußgeldes gerettet werden.
Das Wort Caesar ist auf Münzen dieser Zeit völlig ungewöhnlich. Normal war der Begriff Imperator zur Bezeichnung eines Kaisers, der auch in der Kanzlei des Herrschers gebraucht wurde. Caesar Invictus kann sowohl auf Heinrich II. als auch auf Julius Caesar bezogen werden. Mehrere sächsische Stammeslegenden sahen in diesem den Gründer. Der Chronist Widukind von Corvey hielt Caesar um 970 für den Gründer von Jülich und Thietmar von Merseburg, gleichermaßen Geschichtsschreiber und Bischof (†1018), war um 1015 der Meinung, die Stadt Merseburg habe ihren Namen von dem römischen Kriegsgott Mars und sei von Julius Caesar begründet worden. In seiner Chronik benutzt er für Heinrich II. nebeneinander die Begriffe Caesar und Imperator.
Es ist wahrscheinlich, dass diese Münzen in Merseburg geprägt worden sind. Dieses lag abseits des Nordhandels, was die Abwesenheit entsprechender Münzen in Schweden erklärt, war aber seit 968 Mittelpunkt eines später wieder suspendierten Bistums. 1004 hatte Heinrich II. dieses mit Thietmar, aus dem Hause der Grafen von Walbeck als Bischof wiederhergestellt und durch Schenkungen gefördert. Zu Anfang des 11.Jahrunderts war die Königspfalz Ausgangspunkt mehrerer Züge gegen Böhmen und Polen.
Dem Titelheiligen des Bistums Merseburg, dem hl. Laurentius, widmet Thietmar in seiner Chronik keine große Bedeutung zu. Dagegen sieht er den Konflikt zwischen dem Deutschen Reich und den Slawen als Kampf zwischen den Dienern Christi und den Antichristen. Als schlimmste Tat der Slawen berichtet er zum Jahr 1018, dass diese nicht nur Kirchen zerstört hätten, sondern „quod miserabillimum fuit, imago crucifixi truncata est“ (dass es am schlimmsten war, dass das Bild des Kreuzes verstümmelte wurde). Eine zweite Hand fügte in die Chronik ein, dass Heinrich II. dem Bischof eine Kreuzreliquie (victoriosissimae crucis partem; einen Teil des allersiegreichsten Kreuzes) schenkte. Das Christusmonogramm Chi-Ro hatte eine mehrfache Symbolkraft und ließ sich in Bezug zu dem Invictus setzen, da Constantin 312 unter diesem Zeichen seinen Sieg an der Milvischen Brücke erlangt hatte.
Sehr groß kann die Ausprägung des diskutierten Münztyps nicht gewesen sein. Sieben miteinander verglichene Stücke stammen eindeutig auf der Christogrammseite aus demselben Prägestempel. Für die Seite mit der Schrift sind dagegen drei sich geringfügig unterscheidende Stempel erkennbar. Diese müssen die einem stärkeren Verschleiß unterliegenden Oberstempel sein, deren Lebensdauer kürzer war. Das Vorhandensein weiterer Stempel ist zumindest für die Seite mit dem Chi-Ro äußerst unwahrscheinlich. Als Quintessenz ergibt, dass die Münzprägung nur von beschränktem Umfang war. Umso stärkeres Gewicht, hat ihr gehäuftes Vorkommen in den polnischen Schatzfunden.
Peter Ilisch
Literatur:
Peter Ilisch, Oberlothringen oder sächsisch-slawisches Grenzgebiet? Geldgeschichtliche Nachrichten 37, 2002, S. 5-7.
Hermann Dannenberg, Die Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit. Berlin 1876-1905.
Julius Menadier, Deutsche Münzen. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des deutschen Münzwesens. Bd. I. Berlin 1891.
Manfred Mehl, Die Münzen und Medaillen von Merseburg von den Anfängen bis 1738. Hamburg 2015.
Münze des Monats
Eine missglückte ikonographische Innovation
Das 11. Jahrhundert stellte für das byzantinische Kaisertum eine große Herausforderung dar, da nach der langen und erfolgreichen Regierung von Basileios I. (976-1025) zunehmend dynastische Probleme den politischen Alltag prägten. Mit einher ging eine langsame Geldentwertung, die sich im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts dramatisch verschärfte.
Nach dem Ende der so genannten makedonischen Dynastie (867-1056) übernahm mit Isaakios Komnenos kurzfristig eine neue der Militäraristokratie zuzurechnende Familie die Macht, welche erst im Jahre 1081 durch Alexios Komnenos endgültig den Thron für sich sichern konnte.
Isaakios stammte aus einer angesehenen Militärfamilie; sein Vater Manuel Erotikos Komnenos diente unter dem Kaiser Basileios II. (976-1025). Aufgrund seiner loyalen Dienste erhielt Manuel Land in der Gegend von Kastamon in Kleinasien. Als er im Jahre 1020 starb, vertraute er seine beiden Söhne Isaakios und Johannes der Fürsorge des Kaisers an. Beide erhielten eine umfassende Erziehung im Studionkloster in Konstantinopel, die ihre folgende Karriere beförderte. Nach dem Tod Kaiser Basileios‘ II. durchlief Isaakios mehrere Stationen im Militärdienst, von 1042 bis 1057 wirkte er als Oberkommandant der byzantinischen Armee in Anatolien. Nach dem Tod der Kaiser Theodora (1056), der letzten Vertreterin der makedonischen Dynastie, übernahm Michael VI. Stratiotikos die Regierungsgeschäfte. Rasch überwarf er sich mit der militärischen Führung; dem Strategen Nikephoros Bryennios gab er zwar seine militärische Position wieder, aber er restituierte nicht seine von Kaiserin Theodora eingezogenen Besitzungen. Bryennios begann einen Umsturzversuch gegen Michael VI. zu planen, sein Vorhaben wurde aber aufgedeckt. Die Unzufriedenheit der Militärs nützte Isaakios, der am 8. Juni 1057 zum Kaiser proklamiert wurde. Kurz darauf wurde die Armee Michaels VI. nahe Nikaia geschlagen, und Isaakios näherte sich der Hauptstadt des Reiches, deren Kontrolle ausschlaggebend für die Anerkennung des Kaisertums war. Michael VI. wollte den Usurpator auf dem Verhandlungsweg befrieden, der Gelehrte und hohe Funktionär Michael Psellos führte die Gespräche. Der Vorschlag war, Isaakios als Sohn des Kaisers zu adoptieren und ihm zweithöchsten Titel kaisar zu verleihen. Isaakios verweigerte dies öffentlich, führte parallel dazu aber Geheimgespräche über eine höhere Einstufung als basileus. Gleichzeitig brachen in der Hauptstadt gegen Michael VI. gerichtete Unruhen aus, der Patriarch Michael Kerularios (1043-1059) konnte den Kaiser zur Abdankung und zum Eintritt in ein Kloster überreden. Isaakios zog am 31. August 1057 siegreich und anerkannt in Konstantinopel ein, um am 4. September vom Patriarchen gekrönt zu werden. Bald entstand ein Konflikt zwischen dem Patriarchen und dem neuen Kaiser, da Isaakios, welcher sich um die Restrukturierung der Reichsfinanzen kümmerte, auch fiskalisch in Kirchenbesitzungen eingriff. Der Patriarch unterstützte die Opposition gegen Isaakios, der ihn nun absetzen, exilieren und der Häresie anklagen ließ. Von seiner Militärkampagne gegen die Petschenegen und den ungarischen König András I. (1059) kam Isaakios krank zurück; er war dort beinahe von einem Blitz getroffen worden, als er sich gegen einen Baum lehnte. Er sah dies als einen göttlichen Wink und war sich der Fortführung seines Kaisertums unsicher. Der immer noch am Hof wirkende Michael Psellos nutzte dies aus, um den Kaiser zur Abdankung und zur Bestimmung des Konstantinos Dukas als Nachfolger zu überreden.
Die byzantinische Goldmünze kann bis ins Hochmittelalter als europäische Leitwährung verstanden werden. Vom 4. bis zum 11. Jahrhundert blieb der Goldgehalt fast unverändert stabil. Die hier vorzustellende Münze ist ein sogenanntes nomisma histamenon (νόμισμα ἱστάμενον), die Standardmünze mit (4,55g = 24 Karat / keratia). Diese Bezeichnung wird ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts gebraucht, um sie vom nomisma tetarteron (νόμισμα τεταρτηρόν), eine Münze dickerer Ausprägung von einem leicht reduzierten Gewicht zu unterscheiden (nur 22 Karat). Das nomisma histamenon wird zunehmend dünner und leicht gewölbt ausgeprägt (ab Michael IV. [1034-1041]) und begegnet als histamenon trachy (ἱστάμενον τραχύ, „roh“, „uneben“) in den schriftlichen Quellen (insbesondere in Urkunden).
Auffallend ist hier die Ausprägung imperialer Insignien des Kaisers: Sowohl auf seinen Goldmünzen als auch auf seinen Siegeln wählte Isaakios eine neue Ikonographie. Auf der Vorderseite sitzt Christus sitzt auf einem Thron ohne Lehne, während sich der Herrscher auf der Reversseite stehend in einer martialischen Pose abbilden ließ (+ ΙΣΛΛΚΙΟΣRΛΣΙΛΕΥΣRΩ’ / Ἰσαάκιος βασιλεὺς Ῥωμ[αίων] / „Isaakios, Kaiser der Römer“). Das gezückte Schwert stellte eine Novität dar, die auch in den zeitgenössischen Quellen reflektiert wird. Johannes Zonaras (12. Jahrhundert) schreibt in seinem Geschichtswerk folgendes: „Das nun nahm sich der Komnenos zu korrigieren vor, doch ging er nicht ruhig und allmählich an die Besserung, sondern wie er sich auf der Münze mit ausgestrecktem Arm und bloßem Schwert darstellen ließ, so wandte er sich auch den Staatsgeschäften zu und schickte sich an, die Geschwüre sogleich zu operieren und nicht die Wunden zu lindern oder zu bepflastern“. (Johannes Zonaras 667; Übersetzung E. Trapp 1986). Die bis dahin ungesehene Darstellung verschwand nach der Abdankung des Kaisers, das Schwert wurde wieder in die Scheide gesteckt.
Michael Grünbart
Literatur
Jean-Claude Cheynet, Pouvoir et contestations à Byzance (963–1210). Paris 1996, S. 68–70 Nr. 80.
Philip Grierson, Catalogue of the Byzantine coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection. Vol. 3. Leo III to Nicephorus III, 717 - 1081, Pt. 2: Basil I to Nicephorus III (867 - 1081). Washington D.C. ²1993, 762.
John Nesbitt, Catalogue of Byzantine seals at Dumbarton Oaks and in the Fogg Museum of Art. Vol. 6: Emperors, Patriarchs of Constantinople, Addenda. Washington, D.C. 2009, 127-129.
Münze des Monats
Ein Notgeldschein der Stadt Münster mit dem Fingerabdruck des Bürgermeisters
Notgeldschein zu 5 Millionen Mark, hg. vom Magistrat der Stadt Münster (Westfalen) am 11. August 1923, gültig bis zum 1. Oktober 1923, mit der mitgedruckten Unterschrift des Oberbürgermeisters Dr. Georg Sperlich (1877–1941) und des Bürgermeisters Wilhelm Kiwit (1883–1959)
schwarzer Druck auf weiß/gelblichem Wasserzeichenpapier über einem violetten Unterdruck mit dem von zwei Löwen gehaltenen Stadtwappen von Münster, oben mit einem Teilabdruck eines Prägetrockenstempels (STADT MÜNSTER und Wappen, Dm 25 mm) und unten dem originalen Fingerabdruck des Bürgermeisters Wilhelm Kiwit mit grüner Stempelfarbe, Maße 10,0 x 15,2 cm
Serie C mit aufgedruckter roter Kontrollnummer (No 8821), Rückseite unbedruckt
Entwurf: Architekt Heinrich Benteler (1892–1975), Münster
Druck: Westfälische Vereinsdruckerei Münster, Königstraße
Auflage: 9.000 Stück
Stadtmuseum Münster, Inv. Nr. MZ-PG-00099
Literatur: Döll S. 33; Topp Nr. 648.7; Thier S. 210.
Dieser Notgeldschein stellt innerhalb der in der Kriegs- und Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs (1914–1918) und der anschließenden Wirtschaftskriese mit einer „galoppierenden“ Inflation im Jahr 1923 herausgegebenen Ersatzwährungen eine kuriose Besonderheit dar: Er wurde als Kennzeichen für die Echtheit und als Fälschungsschutz mit einem „Daumenabdruck“ versehen (s. u. Abb. Detail). In Zeiten von angeblich fälschungssicheren „Hightech-Banknoten“ heute ein Grund, sich diesem Phänomen zu widmen und sich auf die Suche nach den historischen Ursachen für die Herausgabe dieses Geldscheins 1923 zu begeben. Sie führen fast ein Jahrzehnt weiter zurück:
Das Deutsche Reich war im Jahr 1914 einer der wirtschaftlich stärksten Staaten in Europa. Das Volumen der umlaufenden Zahlungsmittel betrug fast 6 Milliarden Mark. Die Verpflichtung der Reichsbank, jederzeit Banknoten in Goldmünzen umzutauschen, wurde, bedingt durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914, bereits durch ein neues Gesetz am 4. August aufgehoben. Im Bankgesetz war ursprünglich festgeschrieben, dass ein Drittel des Bargeldes durch Golddeckung gesichert sein musste.
Unmittelbar nach Kriegsbeginn kam es dann sehr schnell, unter anderem zur Finanzierung der enormen Kriegskosten und für Soldzahlungen, zu einer verstärkten Ausgabe von Banknoten ohne die erforderliche Golddeckung. Nach dem verlorenen Krieg 1918 wurden im Versailler Vertrag enorme Reparationszahlungen an die Siegermächte festgelegt, die über 42 Jahre, beginnend im Mai 1921, bis 1963 erfolgen sollten.
Insgesamt betrug die festgelegte Summe 132 Milliarden Goldmark, zahlbar in Devisen. Der stetig steigende Dollarkurs erhöhte daher die Kosten, die jährlich aufzuwenden waren. Das Deutsche Reich musste bereits 1921 enorme Kredite aufnehmen, um die erste Zahlung in Höhe von 1 Milliarde Goldmark erfüllen zu können.
Der Banknotenumlauf wuchs daraufhin unaufhaltsam, die Preise und Löhne stieg von Woche zu Woche. Die Reparationszahlungen wurden zwar teilweise gestundet, aber nicht aufgehoben. Zur Deckung wurden immer mehr Banknoten verausgabt, und die Zwangslage, unbedingt Devisen beschaffen zu müssen, trieb den Dollarkurs weiter nach oben. Eine unaufhaltsame Spirale hatte sich in Gang gesetzt. Der wertbeständigen „Goldmark“ auf der einen Seite standen nun unendliche Mengen immer wertloser werdender, nicht gedeckter „Papiermark“ gegenüber.
Die Banknoten verloren innerhalb kürzester Zeit ihren Wert. Kostete etwa ein Liter Milch 1914 noch 23 Pfennig, waren es 1920 schon 1,10 bis 1,50 Mark, 1922 dann 4,80 bis 38 Mark und im Februar 1923 bereits 360 Mark. Im September stieg der Preis je Liter auf etwa 8 Millionen Mark, im Oktober auf 200 Millionen Mark. Seit Beginn des Jahres 1923 vertraute die Bevölkerung immer mehr auf Devisen, und der Dollar war die eigentliche Währung im Deutschen Reich.
Das Geld wurde körbeweise transportiert, mit Geldscheinen vollbepackte Autos pendelten zwischen den Betrieben und der Landesbank hin und her. Die Lohnzahlungen erfolgten nicht mehr wöchentlich, sondern täglich. Die Druckmaschinen kamen mit der Produktion der Banknoten kaum nach.
In Münster wurde am 13. August 1923 durch den Magistrat der Stadt der Beschluss gefasst, eigene Notgeldscheine herstellen zu lassen, da unter anderem die Gehaltszahlungen der städtischen Mitarbeiter gefährdet waren. Zunächst war eine Ausgabe im Gesamtbetrag von 100 Milliarden Mark geplant in Scheinen zu 500.000 Mark sowie 1, 3 und 5 Millionen Mark. Es folgten allerdings zahlreiche Auflagen, zusammen wurden schließlich, obwohl eigentlich nicht genehmigt, Scheine im Gesamtwert von 526 Milliarden Mark gedruckt: 12.000 Scheine zu 500.000 Mark; 205.000 Scheine zu 1 Million Mark, 90.000 Scheine zu 3 Millionen Mark und schließlich 9.000 Scheine zu 5 Millionen Mark. Die Entwürfe fertigte, quasi über Nacht unter enormen Zeitdruck, der Architekt und Grafiker Heinrich Benteler, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Dombaumeister den Wiederaufbau des kriegszerstörten Doms leitete. Den Druck über nahm die Westfälischen Vereinsdruckerei in Münster, die in jenen Monaten rund um die Uhr Notgeldscheine, nicht nur für die Stadt Münster, fertigte.
Alle (!) 9.000 ausgegebenen 5 Millionen Mark-Scheine dieser Edition tragen als Echtheitsbeweis den erwähnten originalen, jeweils einzeln angebrachten angeblichen „Daumenabdruck“ des damaligen Bürgermeisters Wilhelm Kiwit.
Der in Oberhausen geborene und studierte Jurist war zunächst Kreissyndikus in Prenzlau, Beigeordneter der Stadt Osterfeld, Bürgermeister der Stadt Arnsberg, ehe er 1922 zweiter Bürgermeister und Finanzdezernent der Stadt Münster wurde. 1926 übernahm er das Amt des ersten Bürgermeisters der neu gebildeten Stadt Wanne-Eickel.
In der allgemeinen Überlieferung, in Zeitungsartikeln (W. Werland) über diesen kuriosen Geldschein und sogar in der Fachliteratur (J. Topp) wurde immer behauptet, dass Kiwit alle Scheine mit seinem „Daumenabdruck“ versah. Vermutet wurde sogar, dass dieser maschinell mitgedruckt wurde (G. Dethlefs).
In einem Gespräch mit der Tochter von Wilhelm Kiwit, Hildegard Vollmer, am 29. Januar 2001 berichtete diese dem Autor, dass am 75. Geburtstag ihres Vaters (31. Juli 1958), wenige Monate vor seinem Tod, die Kriminalpolizei eher scherzhaft seine Fingerabdrücke abgenommen habe, um zu sehen, ob sich zwischen 1923 und 1958 sein „Daumenabdruck“ eventuell verändert habe. Die in der Kriminaltechnik bereits damals intensiv eingesetzte Daktyloskopie war noch nicht so weit ausgereift, dass die Möglichkeit ausgeschlossen worden war, dass Fingerabdrücke sich mit der Zeit noch leicht verändern könnten. Es stellte sich dabei aber heraus, dass die immer wieder – selbst von Kiwit –behauptete Angabe, dass es ich um einen „Daumenabdruck“ handele, nicht zutrifft. Tatsächlich nutzte er 1923 den Zeigefinger der rechten Hand. Bei der Abstempelung von 9.000 Scheinen kann man dies leicht nachvollziehen, da dies schneller erfolgen konnte und der häufige Druck auf den Daumen sicherlich mit der Zeit Schmerzen verursacht hatte. Daher ist die „Legende“ vom Daumenabdruck des Bürgermeisters zu korrigieren.
Es sind nur sehr wenige weitere Notgeldscheine aus der Inflationszeit 1923 bekannt, bei denen ebenfalls Finger- oder sogar echte Daumenabdrücke angebracht wurden So tragen Scheine zu 200 Milliarden Mark vom 26. Oktober aus dem Amt Haßlinghausen den Daumenabdruck des dortigen Amtmannes und Scheine zu 20, 50, 100 und 500 Milliarden Mark des Kreis Olpe, ebenfalls vom 26. Oktober, jeweils einen Fingerabdruck. Möglicherweise dienten die Scheine aus Münster hier als Vorbild.
Mit der Ausgabe der Notgeldscheine im August 1923 war der Schrecken der Inflation noch lange nicht beendet, im Gegenteil, Scheine zu 5 Millionen Mark waren bald kaum das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren. Die Löhne und Preise „galoppierten“ immer weiter in schwindelerregenden Höhen.
Die Lösung konnte nur in einer Währungsreform gefunden werden, indem eine neue Währung geschaffen wurde, die nicht durch den Staat gestützt wurde, sondern durch die Wirtschaft. Ausgehend von einer Idee von Karl Helfferich (1872–1924) wurde daher in Berlin am 15. Oktober 1923 die Deutsche Rentenbank gegründet. Die neuen „Rentenbanknoten“ wurden am 15. November 1923 in Werten zu 1 bis 1.000 Mark ausgegeben. Am Tag der Währungsreform wurde folgender Umtauschkurs festgelegt: 1 Billion Papiermark = 1 Goldmark = 10/42 (0,24) Dollar = 1 Rentenmark.
Die Inflation war aber nicht sofort beendet, erst im Januar 1924 stabilisierte sich die Lage. In Münster wurde am 28. Dezember 1923 das auf „Papiermark“ lautende Notgeld zur Einlösung aufgerufen und musste – zum entsprechenden Wechselkurs – bis zum 31. Januar 1924 gegen Rentenmark umgetauscht werden.
Bernd Thier
Literatur
Wilhelm Döll: Notgeldscheine aus der Stadt und von der Landesbank Münster i./W. 1918–1947. Ein Beitrag zur Heimatgeschichte (Selbstverlag Dülmen 1988) (hier S. 30–33).
Gerd Dethlefs: Münsterische Münzen und Medaillen. Führer durch das Münzkabinett im Stadtmuseum Münster. Münster 1987 (hier Nr. 30, S. 24).
Richard Gaettens: Geschichte der Inflationen vom Altertum bis in die Gegenwart, Nachdruck der 2. Aufl. von 1957, München 1982.
Tilman Pünder: Georg Sperlich, Oberbürgermeister von Münster in der Weimarer Republik (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 23) Münster 2006 (hier S. 103–104).
Herbert Rittmann: Deutsche Geldgeschichte seit 1914, München 1986.
Bernd Thier: Notgeldscheine der Inflation 1923, in: Verein Münster-Museum e.V. (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, Stadtmuseum Münster, Münster 2005, S. 210–211.
Jochen Jos. Topp: Das Papiernotgeld von Westfalen 1914–1948, Dülmen 1998.
Walter Werland: Bürgermeister Wilhelm Kiwit stempelte Notgeld mit dem Daumen, in: Westfälische Nachrichten vom 28. Oktober 1972.
Münze des Monats
Drei Sultane in Gold und Silber, Konya 1250-1251
Inschrift (arabisch):
Obv. Dīnār (zu Abweichungen im Dirham siehe unten):
(Ornament) lā ilāha illā llāh Muḥammadun rasūlu llāh al-imām al-Mustaʿṣim bi-llāh amīr al-muʾ- minīn ḍuriba d-dīnār fī sanat ṯamān-ʾarbaʿīn-sittmiʾa bi-Qūniya |
(Ornament) Es gibt keinen Gott außer Gott. Muḥammad ist der Gesandte Gottes. Der Imām al-Mustaʿṣim bi-llāh, Befehlshaber der Gläu- bigen. Dieser Dīnār wurde geprägt im Jahr Sechshunderachtundvierzig in Konya. |
Rev.:
(Ornament) as-salāṭīn al-aʿāẓim ʿIzz ad-dunyā wa-d-dīn Kaykāʾūs wa-Rukn ad-dunyā wa-d-dīn Qiliǧ Arslān wa-ʿAlāʾ ad-dunyā wa-d-dīn Kayqubād banū Kayḫusraw barāhīn amīr al-muʾminīn |
(Ornament) Die großmächtigen Sultane ʿIzzaddīn Kaykāʾūs und Ruknaddīn Qılıǧ Arslān und ʿAlāʾaddīn Kayqubād, Söhne Kayḫusraws, Bekräftiger des Beherrschers der Gläubigen |
Unter den Sultanen Kaykāʾūs I. (1211-1220), seinem Bruder Kayqubād I. (1220-1237) und dessen Sohn Kayḫusraw II (1237-1246) hatte das Reich der Rūm-Seldschuken seine politische und wirtschaftliche Vormachtstellung in Anatolien ausgebaut und gefestigt. Als es durch den Erwerb der Hafenstädte Sinop am Schwarzen Meer (1214) und Alanya am Mittelmeer (1220) direkten Zugang zum internationalen Seehandel bekommen hatte, vermehrte sich sein Reichtum und ermöglichte eine eindrucksvolle kulturelle Blüte. In den Städten entstanden spektakuläre Paläste und Moscheen, Bildungsstätten (Medresen) und Krankenhäuser, auf den Handelsrouten ein Netz von Karawansereien.
Das hätte noch länger so weitergehen können, wären nicht die Mongolen gekommen, die im Jahr 641/1243 ein Heer Kayḫusraws vernichtend schlugen. Zwar konnte sein Wesir durch Verhandlungen den Weiterbestand des Reichs sichern, doch nur als Protektorat der Mongolen. Als Kayḫusraw im Jahr 644/1246 verstarb, hinterließ er das Reich in einer denkbar kritischen Lage, zumal seine drei Söhne erst 7, 9 und 11 Jahre alt waren. Der Vater hatte sich den kränklichen ʿAlāʾaddīn Kayqubād II., den Jüngsten, als Nachfolger gewünscht, aber die Emire und hohen Beamten, die alle politischen Entscheidungen trafen, setzten ʿIzzaddīn Kaykāʾūs II., den Ältesten, auf den Thron, rivalisierten selbst aber untereinander bis hin zum Mordkomplott. Infolge diverser Intrigen kam es schließlich soweit, dass Ruknaddīn Qılıǧ Arslān IV., der Mittlere der Drei, im Jahr 646/1248 von einer Mission zum Mongolenkhan als neuernannter Sultan zurückkehrte. Sofort wurden Münzen geprägt, die ihn nicht nur als Sultan proklamierten, sondern auch ein Münzbild mit einem bogenschießenden Reiter (nach einem mongolischen Vorbild) zeigten (s. u. Abb.). Damit brachen sie mit der Rūm-Seldschukischen, ja mit der islamischen Münztradition insgesamt und setzten ein deutliches promongolisches Signal. Da ʿIzzaddīn Kaykāʾūs und seine Hofpartei aber nicht weichen wollten und eine dauerhafte Spaltung des Reichs drohte, einigte man sich 647/1249 – nicht ohne vorheriges Gefecht –, alle drei Söhne Kayḫusraws gemeinsam zu Sultanen zu machen.
Diese ungewöhnliche Konstruktion eines Triumvirats ging eine Weile ganz gut, endete aber 655/1257, als ʿAlāʾaddīn auf einer Gesandtschaftsreise zu den Mongolen ermordet wurde. Das verbliebene Duumvirat endete zunächst schon 657/1259, als die Rivalitäten der promongolischen Partei, die hinter Ruknaddīn Qılıǧ Arslān stand, und deren Opposition im Namen ʿIzzaddīns (der eine griechische Mutter hatte) wieder gewaltsam ausbrachen. Ruknaddīn regierte dann zumeist allein, bis er dem mongolischen Bevollmächtigen (Parwāna) zu eigenständig geworden war und dieser ihn 663/1265 töten ließ. ʿIzzaddīn starb 678/1279-1280 im Exil auf der Krim. Damit war auch der dritte der Brüder dahin.
Auf unserer Münze sind alle drei noch friedlich vereinigt. Die Drei-Brüder-Münze wurde von 647/1249 an als Silbermünze (Dirham) in großer Stückzahl in Konya, Sivas und anderen Orten geprägt (vereinzelt sogar noch im Jahre 657/1259, als es weder ʿAlāʾaddīn noch den Kalifen mehr gab) und gehört zu den häufigsten Rūm-Seldschukischen Münzen. Wesentlich seltener ist die korrespondierende Goldmünze (Dīnār), wie überhaupt Rūm-Seldschukische Dīnāre so selten sind, dass man bis vor kurzem glaubte, man habe sie nur zu Repräsentationszwecken geprägt. Tatsächlich sind die Dīnāre sowohl ausgesprochen repräsentativ als auch selten, doch ist jüngst eine größere Anzahl ans Licht gekommen, die auf eine regelmäßige Prägung von Goldmünzen hindeutet. Möglicherweise wurden solche Münzen auch geprägt, um den Tribut an die Mongolen zu bezahlen, die die Münzen nach Erhalt sicherlich einschmelzen ließen.
Wie bei abbasidischen Münzen zwischen 206/821 und 334/946, aber kaum sonst irgendwo, unterscheiden sich Rūm-Seldschukische Gold- und Silbermünzen nur in Metall, Gewicht, Größe und der Bezeichnung als Dīnār oder Dirham. Ansonsten ist der Text völlig identisch. Bei den beiden hier vorgestellten Münzen findet sich der einzige Unterschied in den letzten Zeilen des Obv. nach (muʾ)minīn. Während die Münzbezeichnung dirham in der Silbermünze weggelassen wird und das Wort „acht“ des Prägejahrs noch in der vorletzten Zeile steht, fügt die Goldmünze das Wort ad-dīnār nach ḍuriba ein und verschiebt das Wort „acht“ in die letzte Zeile.
Bemerkenswert an Rūm-Seldschukischen Silbermünzen (und nur diesen) ist auch, dass sie die längste Zeit ein Gewicht aufweisen, das mit wenig Abweichung um das Normgewicht (2,97 g) des abbasidischen Dirhams oszilliert. Offensichtlich wurde wieder nach Stücken, nicht nach Gewicht bezahlt, was auch schon lange nicht mehr der Fall gewesen war, wie überhaupt Silbermünzen in der wirtschaftlichen Krisenzeit vor 1100 fast ganz außer Gebrauch gekommen waren.
Die Vorderseite (wobei es diskutabel ist, welche Seite bei einer bildlosen Münze die Vorderseite ist) beginnt mit dem islamischen Glaubensbekenntnis, gefolgt von Namen und Titel des Kalifen al-Mustaʿṣim (reg. 640-656/1242-1258), des letzten (von den Mongolen ermordeten) Bagdader Abbasidenkalifen. Der politisch nur noch in der Region um Bagdad einflussreiche Kalif war nach wie vor die Legitimationsinstanz, auf die sich die meisten sunnitischen Herrscher beriefen. Die Rūm-Seldschuken, große Förderer sunnitischer Gelehrsamkeit, waren den Kalifen innig zugetan und erwiesen ihnen stets großen Respekt. Das Wort al-muʾminīn „der Gläubigen“ wird auf zwei Zeilen aufgeteilt. Es folgt die Angabe von Prägejahr und Prägeort. Wie schon in vorislamischer Zeit bei den Sassaniden, sind fast alle islamischen Gold- und Silbermünzen datiert, was Historiker zu schätzen wissen. Das Prägejahr wird sechshundert Jahre lang ausschließlich in Worten, nicht in Ziffern geschrieben. So im Prinzip auch hier, doch hat es sich bei den Rūm-Seldschuken eingebürgert, die Jahreszahl in der Kanzleischrift Dīwānī gewissermaßen in Stenographie anzugeben. „Acht“ (voll ausgeschrieben ثمان) wird zu einem kühnen Zickzack, von اربعين „vierzig“ ist ein stark abgeschliffenes اٮعں geblieben, während „sechshundert“ deutlicher ist. Für den Nichtkenner ist das schwer zu lesen; es sieht aber interessant aus und verleiht der Münze dynastisches Kolorit, weil es niemand sonst so machte.
Verso nennt die Prägeherren, die „großmächtigen Sultane“, die in der damaligen Situation alles andere als großmächtig waren. Die wirklich Mächtigen treten nicht in Erscheinung, auch nicht der Großkhan. Die Sultane werden mit ihren Beinamen (laqab) wie „Macht/Pfeiler/Ruhm der Welt und der Religion“ und ihren Namen genannt (Kaykāʾūs und Kayqubād sind, ebenso wie Kayḫusraw, Namen aus der persischen Literatur, nur Qılıǧ Arslān ist türkisch). Der kollektive Vatersname „Söhne Kayḫusraws“ beginnt die letzte Zeile, gefolgt von einem Titel, der erneut ihre Nähe zum Kalifen bezeugt.
Das eigentliche Wunder dieser Münzen ist aber ihre ästhetische Gestaltung. Zunächst ist es keine Kleinigkeit, das Glaubensbekenntnis, einen amtlichen Vermerk sowie Titulatur und Namen von vier Personen samt Rand und Ornamenten auf 7,6 bzw. 9,8 cm2 unterzubringen. Die Kaligraphie ist aber nicht nur leicht und vollständig lesbar, sondern auch von äußerster Schönheit. Als man diese Münzen in der Rūm-Seldschukischen Hauptstadt Konya prägte, wurden dort gleichzeitig die Karatay-Medrese und wenig später die Inca Minare-Medrese erbaut, zwei Weltwunder islamischer Baukunst. Die Münzen zeigen, dass auch Kaligraphie und Metallkunst auf demselben Niveau waren. Die Präzision der Ausführung, die geschickte Ausnützung des knappen Raums, die die Wörter elegant ineinanderfließen lässt und, ohne dass die Schrift gestaucht wirkt, noch Platz für Verzierungen findet (man beachte den Schnörkel am auslautenden m des Kalifennamens al-Mustaʿṣim), besticht bei beiden Münzen. Die Goldmünze nützt ihre etwas größere Fläche, um noch mehr elegante Ligaturen (z.B. zwischen dem d von Muḥammad und dem r von rasūl Obv. Zeile 2) anzubringen und mit diakritischen und ornamentalen Zeichen Leerräume zu füllen. Die Schrift wirkt so gleichzeitig kompakt als auch filigran. Dieser (häufig stempelfrisch erhaltene) Drei-Brüder-Dīnār gehört sicherlich zu den attraktivsten islamischen Prägungen.
Thomas Bauer
Literatur:
Michael Broome: A Survey of the Coinage of the Seljuqs of Rūm. London 2011.
Rudi Paul Lindner: The Challenge of Qilich Arslan IV. In: Dickran Kouymjian (Hg.): Near Eastern Numismatics, Iconography, Epigraphy and History: Studies in Honour of George C. Miles. Beirut 1974, 411-418.
Münze des Monats
Men Karou. Zur Verehrung des Mondgottes im südlichen Mäandertal
Archäologisches Museum der WWU, Inv. M 1192
AE aus Attouda (Karien), ca. 193-211 n. Chr., 4,83g, 22mm
Vs. ΜΗΝ ΚΑΡΟΥ. Gewandbüste des Mȇn n. r. mit phrygischer Mütze, auf Mondsichel – Rs. ΑΤΤΟΥΔΕΩΝ. Altar mit Pinienzapfen und kleinen flammenden Rundaltärchen obenauf
Foto: Robert Dylka
Die Münze des Monats September stammt aus dem antiken Kleinasien und wurde während der römischen Kaiserzeit geprägt. Viele Städte auf dem Gebiet der heutigen Türkei münzten damals ihr eigenes Kleingeld aus – große und bedeutsame Poleis genauso wie kleine und heute fast vergessene Städtchen. Alle nutzten die Rückseiten ihrer Münzen, um hier anschaulich Lokalgeschichte zu illustrieren. Die Bronzeprägungen zeigen die am Ort verehrten Gottheiten und Heroen, gelegentlich berühmte Söhne der Stadt, besondere Bauten, zeugen von Festen und Feierlichkeiten, weisen auf die naturräumliche Lage hin, nennen Ehrentitel und Städtepartnerschaften: Auf den sogenannten Roman Provincials begegnen wir ausgedehntem Lokalpatriotismus.
Die vorliegende Kleinbronze wurde Ende des zweiten beziehungsweise zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrhunderts von einem kleinen Städtchen im kleinasiatischen Hinterland herausgegeben. Die Aufschrift ΑΤΤΟΥΔΕΩΝ („‹Münze› der Attoudeer“) auf der Rückseite nennt die Bürger von Attouda als Prägeherrn. Attouda lag im Grenzgebiet zwischen den beiden antiken Landschaften Karien und Phrygien, südlich des Mäandertals, am Nordabhang des Salbakosgebirges an der Stelle des heutigen türkischen Örtchens Hisar.
Es handelt sich um eine sogenannte pseudo-autonome Münze, denn sie zeigt nicht den sonst üblichen Kaiserkopf auf der Vorderseite, sondern eine lokale Gottheit: den in Kleinasien vielerorts verehrten Mondgott Mȇn (anders als mit Selene in der griechischen oder mit Luna in der römischen Tradition ist der Mond in Kleinasien traditionell männlich). Er hat einige Attribute, anhand derer man ihn erkennen kann: Auf dem Kopf trägt er eine phrygische Mütze, die auf seine kleinasiatische Heimat verweist, und seine Schultern ruhen auf einer nach oben geöffneten Mondsichel, die ihn als Mondgottheit ausweist. Die Beischrift ΜΗΝ ΚΑΡΟΥ („Mȇn Karou“) verdeutlicht, dass es sich um eine ganz spezielle Erscheinungsform des Mondgottes handelt. Allerdings wirft die Bezeichnung ΚΑΡΟΥ auch Fragen auf: Handelt es sich um einen speziell „karischen Mȇn“, um einen „Mȇn des Karos“ (ein Karos als Begründer des Kultes) oder um einen Mȇn, der eigentlich zu Karou(ra) gehörte?
Eine Verbindung nach Karoura, einer nahegelegenen Ortschaft im Mäandertal (ohne eigene Münzprägung) ist literarisch überliefert, wenn sie auch nur der Lokalisierung dient. Der antike Autor Strabon berichtet von einem kleinen, aber angesehenen Heiligtum: „Zwischen Laodikeia und Karoura befindet sich ein Heiligtum des sogenannten Mên Karou, das in großen Ehren gehalten wird. In meiner Zeit wurde eine große herophilische Ärzteschule von Zeuxis eingerichtet, später wurde sie von Alexandros, dem Sohn des Philalethes weitergeführt“ (Strab. 12,8,20 [p. 580]).
Wir entnehmen dem Text indirekt, dass das Heiligtum Mên Karou außerhalb des Stadtgebiets von Attouda lag und dass ihm zu Strabons Zeiten (am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts beziehungsweise zu Beginn des ersten nachchristlichen Jahrhunderts) eine Ärzteschule und damit vermutlich auch ein Kurbetrieb, in dem die (angehenden) Ärzte praktizierten, angegliedert waren. Quellen, die dort entsprangen (Athenaios 2,43a spricht von heißen, aber spärlichen Quellen in Karoura und den raueren und mehr Natron enthaltenden Wassern der Μηνὸς κώμην, eines „Mȇn-Dorfes“, also wohl des Heiligtums mit den dazugehörigen Infrastrukturen), werden – wenn sie nicht sogar Anlass für die ursprüngliche Einrichtung gewesen sind – ihren Teil zur Attraktivität dieses Kurbetriebs beigetragen haben. Eine Verbindung von Mên und Medizin sowie das Verständnis von Mên als einem Heilgott ist häufiger belegt, auch wenn meist Asklepios oder Apollon als Götter der Heilkunst galten.
Auf der Rückseite unserer Münze ist eine große profilierte, mit Girlanden und Omphalosschalen geschmückte Basis abgebildet, auf der sich zwischen Pinienzapfen kleine ebenfalls verzierte und flammende Rundaltäre befinden. Die Pinienzapfen, die neben der Mondsichel das zweithäufigste Attribut des Mên sind, charakterisieren die Gesamtanlage als dem Mên zugehörig. Dasselbe Rückseitenmotiv findet sich auf Münzen von Attouda mit Mên Karou (wie in unserem Fall) sowie mit Demos (der Personifikation des „Volks“) oder später (253-268 n. Chr.) mit dem Porträt der Kaisergattin Salonina auf der Vorderseite.
Da das Mên-Heiligtum nicht genauer lokalisiert ist und damit kein Baubefund vorliegt, ist schwer zu entscheiden, wie genau das ungewöhnliche Rückseitenbild zu verstehen ist. Vorstellbar sind zwei Möglichkeiten:
- Das Rückseitenbild kann rein sinnbildlich verstanden werden; es zeigt einen monumentalen Altar, der als Synonym für die Verehrung des Gottes in der Stadt steht. Die Pinienzapfen zwischen den kleinen Altärchen wie auch die Kombination des Motivs mit dem Bildnis des Mên Karou auf der Vorderseite verdeutlichen, dass es sich nicht um irgendeinen Altar, sondern um ein zur Stadt gehöriges Heiligtum handelt, Möglicherweise ging es Attouda nicht um die Wiedergabe von realer Architektur, sondern man wollte lediglich auf einen bedeutenden lokalen Kult des Heilgottes hinweisen.
- Eine andere, konkretere, Lesbarkeit ist ebenso möglich: Dass nicht ein Tempel, sondern ein Altar abgebildet ist, muss einen Grund haben. Das Münzbild ist dementsprechend „wörtlich“ zu verstehen. Ein richtiger Tempel war vielleicht gar nicht existent, dafür stand im Mên-Heiligtum ein monumentaler Altar, an dem Opferhandlungen vollzogen wurden. Für individuelle Trank- oder Rauchopfer standen kleine (evtl. tragbare) Altäre im Heiligtum zur Verfügung. Dies wäre ein seltener numismatischer Hinweis auf „private Kultpraxis“.
Die Pinienzapfen mögen zudem auf den medizinischen Aspekt des Kultes und den angegliederten Kurbetrieb hier am Ort hinweisen. Auf die heilende Wirkung der Kerne des Pinienzapfens weist im ersten nachchristlichen Jahrhundert der Arzt und Autor eines pharmakologischen Werkes Pedanios Dioskurrides aus Anazarbos hin (Dioskurrides 1,69).
Die Bedeutung des Heiligtums mit seiner Infrastruktur für Attouda steht außer Frage, davon zeugen die verschiedenen Quellen: Nachweislich vom ersten vorchristlichen (durch die Erwähnung bei Strabon) bis in die Mitte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts (belegt durch die oben genannten Münzen mit Kaisergattin Salonina auf der Vorderseite) haben sich Kultstätte und Kurbetrieb über mindestens drei Jahrhunderte hindurch kontinuierlicher Beliebtheit erfreut.
Die Münze Inv.-Nr. M 1192 gehört zur Sammlung des Archäologischen Museums der WWU; Sie finden sie auch im Onlinekatalog unter http://archaeologie.uni-muenster.de/ikmk-ms/object.php?id=ID23; Geschichte und Geschichten hinter den Münzen werden vielfach im Rahmen von Lehrveranstaltungen erarbeitet. Die Erforschung der antiken Türkei hat in Münster lange Tradition durch die Arbeit der Forschungsstelle Asia Minor (https://www.uni-muenster.de/AsiaMinor/).
Katharina Martin
Literatur:
J. Benedum, Zeuxis Philalethes und die Schule der Herophileer in Menos Kome, Gesnerus. Swiss Journal of the history of medizine and sciences 31, 1974, 221-236
S. Hübner, Spiegel und soziale Gestaltungskraft alltäglicher Lebenswelt: Der Kult des Men in Lydien und Phrygien, in: E. Schwertheim – E. Winter (Hrsg.), Religion und Region. Götter und Kulte aus dem östlichen Mittelmeerraum, AMS 45 (2003) 179-200
Münze des Monats
Schatzfund von Selm-Bork, verborgen um 950
65 Pfennige Deutsches Reich, König Otto I. der Große (936/62–973), Münzstätte Köln, 936–962
LWL-Museum für Kunst und Kultur / Westfälisches Landesmuseum Münster, Inv.-Nr. 9318 Mz
Nach wie vor bildet der kleine Schatzfund von Selm-Bork (Kr. Unna) den ältesten mittelalterlichen Münzschatzfund Westfalens. Beim Graben eines Fundamentloches für einen Wäschepfeiler wurden die Münzen am 2. Juli 1981 auf einem Grundstück nördlich der örtlichen St. Stephanus-Kirche entdeckt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellen die 65 Stück alle ursprünglich in diesem Komplex enthaltenen Münzen dar, denn der Bodenaushub wurde bei der Fundbergung sorgfältig durchgesiebt. Reste eines Behältnisses jedweder Art wurden dabei nicht angetroffen; es dürfte sich also um eine Art Beutel aus organischem Material gehandelt haben, das inzwischen restlos vergangen war.
Die 65 Münzen gehören alle einem einzigen Typ aus der Münzstätte Köln unter König Otto I. dem Großen (936/62–973) an. Die Vorderseite zeigt innerhalb eines Perlkreises ein Kreuz mit je einer Kugel in den Winkeln, die Umschrift nennt mit + ODDO + REX Namen und Titel des Münzherrn. Die Rückseite trägt ganzflächig den dreizeiligen Stadtnamen S | COLONIA | A, was als „Sancta Colonia Agrippinensis“ aufzulösen ist. Dieser Typ war unter König Ludwig dem Kind (900–911) eingeführt worden und wurde letztlich – mit Variation nur der Umschrift und unausbleiblichen stilistischen Veränderungen – bis in die Königszeit Heinrichs II. (1002/14–1024) fortgesetzt. Im späten 10. Jahrhundert aber wurde er zum Ansatzpunkt für zahlreiche Nachprägungen vor allem in Westfalen im 11. und 12. Jahrhundert. Zentrum war der kölnische Außenposten Soest, und Ableitungen des kölnisch-soestischen Münztyps finden sich speziell im östlichen Westfalen noch weit im 13. Jahrhundert.
Die Münzen, allesamt Pfennige, sind aus Silber, messen zwischen 19,5 und 21,0 mm im Durchmesser und sind ca. 1,0 bis ca. 1,7 g schwer. Technisch war die Ausführung mangelhaft: Die Schrötlinge sind ungleichmäßig dick ausgehämmert, was zu Fehlstellen bei der Prägung führte; zudem ist der Stempelschnitt als sehr grob zu bezeichnen. Charakteristisch sind das stets spiegelverkehrte S auf der Rückseite und der fehlerhafte Königstitel auf der Vorderseite, indem es nur selten REX heißt, meist – wohl später zu datieren – ERX und einmal XER. Insgesamt lassen sich zahlreiche Stempel feststellen, was anzeigt, dass der Münzbestand vor Ort durch den Umlauf bereits gut durchmischt war.
Stilistisch geben sich die Münzen des Ottonen Ottos I. als Fortentwicklung der Kölner Prägungen des Karolingers Karls des Einfältigen, Königs im Westfrankenreich (893/98–923), der zwischen 911 und 925 auch Lotharingien mit der Stadt Köln beherrschte, zu erkennen. Von Heinrich I., König im Ostfrankenreich (919–936), sind ab 925 keine Kölner Münzen, die seinen Namen tragen, bekannt; vielleicht verstecken sie sich aber hinter Stücken mit verwilderten Karls-Umschriften. Es muss sich demnach um den ersten Typ Ottos I. in Köln handeln, und eine Neubearbeitung der Kölner Münzreihe durch Peter Ilisch hat gezeigt, dass es auch der einzige Typ Ottos I. als König war. Es schlossen sich 962/65 Gemeinschaftsprägungen Kaiser Ottos I. mit seinem Bruder Brun, von 953 bis 965 Erzbischof von Köln, an, danach gab es einen Typ, der jedoch nicht zwischen Otto I. als Kaiser und Kaiser Otto II. (973–983) zu trennen ist. Da der Schatzfund nur den Typ König Ottos I. und keinen seiner Vorgänger bzw. seines Bruders und seiner Nachfolger enthielt, muss die Bildung des Münzbestands spätestens in den frühen 960er Jahren abgeschlossen gewesen sein. Kaum später dürfte das Geld dann spätestens in den Boden gekommen sein – ob zu bewusster Verwahrung oder als Verlust, bleibt unklar.
Dass der Schatzfund von Selm-Bork nach wie vor der älteste mittelalterliche Münzschatzfund Westfalens und zumal der einzige aus dem 10. Jahrhundert ist, ist freilich kein Zufall. Dies hängt mit dem Grad der allgemeinen, d. h. alltäglichen Verwendung von Münzgeld zusammen, der vor der Stauferzeit, also vor der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, insgesamt noch nicht allzu hoch war. Zwar spielte hier – in Germanien, das niemals zum Römischen Reich gehört hat – im 1. bis 4. Jahrhundert römisches Münzgeld in den lokalen Wirtschaftszentren durchaus eine Rolle. Danach, zur Zeit der Merowinger und der frühen Karolinger, fanden aber nur noch wenige Münzen in die Region, die sich oft zudem als Grabbeigaben niederschlugen. Erst nachdem das Gebiet östlich des Rheins, Sachsenland, im Zuge der Sachsenkriege Karls des Großen (768/800–814) bis 804 endgültig ins Frankenreich eingegliedert worden war, konnte sich hier eine Münzgeldwirtschaft allmählich entwickeln. Eine Münzstätte sollte es im westlichen Westfalen allerdings erst seit dem späten 10. Jahrhundert mit Dortmund geben; bis dahin war Köln, die wichtigste Stadt im ostfränkisch-deutschen Reich, der nächstgelegene Prägeort. Insofern verwundert es nicht, dass ein Schatzfund an der Mitte des 10. Jahrhunderts ausschließlich Münzen aus Köln, das auch Westfalen mitversorgte und so beim Beginn einer tieferen Monetarisierung der Region zum Ansatzpunkt für Nachprägungen werden konnte, enthielt.
In Westfalen werden Kölner Münzen seit dem späten 9. Jahrhundert gefunden, allerdings nur als Einzelstücke. So ein Pfennig Ludwigs des Kindes in Münster, ein Pfennig Karls des Einfältigen in Castrop-Rauxel (Kr. Recklinghausen), ein Pfennig Kaiser Ottos I./II. in Iserlohn (Märkischer Kreis). Aber auch der Typ König Ottos I. liegt vor: in Geseke (Kr. Soest), zweimal in Lippstadt-Bökenförde (Kr. Soest), in Höxter, sogar eine zeitgenössische Fälschung in Bad Lippspringe (Kr. Paderborn). Diese wenigen Fundstücke, zu denen in Lippstadt-Bökenförde auch ein entsprechender Halbpfennig/Obol, den es in Köln als eigenständige Münze auch unter Otto I. sowie allen seinen Vorgängern gab, kommt, liefern einen weiteren Hinweis auf den nur geringen Grad des Münzgeldgebrauchs dieser Zeit. Der Pfennig/Denar und nur gelegentlich auch der Obol waren seit den frühen Karolingern die einzigen Nominale im mitteleuropäischen Münzsystem, was dem damaligen Bedarf offensichtlich genügte. Der nächstälteste – und sicher überlieferte – mittelalterliche Münzschatzfund Westfalens ist erst der große Schatzfund von Halver (Märkischer Kreis), verborgen um 1100/10, mit seinen 207 ganzen und 29 halbierten Pfennigen der näheren und weiteren Region, darunter auch Köln, aus dem späteren 11. Jahrhundert. Die Fundsituation in den anderen Regionen des Reichs östlich des Rheins gestaltet sich übrigens ganz ähnlich, so dass es sich hierbei nicht um Zufälle der Fundüberlieferung handelt.
Angesichts seiner Singularität bildete der Schatzfund von Selm-Bork 1981 eine echte Sensation, doch eben aufgrund dieser Singularität braucht seine Existenz eine Erklärung. Diese könnte im Fundort liegen, einem Grundstück im direkten Umfeld des Schultenhofes Bork mit seiner St. Stephanus-Kirche, dem herrschaftlichen Nukleus des Ortes. Befunde, die die Fundsituation erhellen könnten, scheinen bei der Bergung der Münzen nicht beobachtet worden zu sein, doch dürfte das Geld mit einiger Sicherheit irgendwie mit diesem Schultenhof zu tun gehabt haben. Der Fund ist somit eher ein Zeugnis für den Münzgeldgebrauch im grundherrschaftlichen Milieu und weniger der einfachen Bevölkerung auf dem Lande, die eben noch selten bis gar nicht mit Münzgeld in Berührung kam. Welchem Realwert die 65 Pfennige an der Mitte des 10. Jahrhunderts entsprachen, was man damals also dafür kaufen konnte, ist mangels Quellen sehr schwer abzuschätzen – anderthalb Jahrhunderte später erhielt man für die gut 220 Pfennige des Schatzfundes von Halver immerhin etwa 14 Schweine.
Stefan Kötz
Literatur
- Hävernick, Walter: Die Münzen von Köln. Die königlichen und erzbischöflichen Prägungen der Münzstätte Köln sowie die Prägungen der Münzstätten des Erzstifts Köln. Vom Beginn der Prägung bis 1304 (Die Münzen und Medaillen von Köln, Bd. 1), Köln 1935, Nr. 29
- Ilisch, Peter: Fundchronik [1981] – Münzfunde, in: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 1 (1983), S. 329–368, hier Nr. 1 auf S. 330 (Fundnotiz)
- Ilisch, Peter: Zur Datierung der in nordischen Funden vorkommenden ottonischen Münzen von Köln, in: Nordisk Numismatisk Årsskrift 1983/84 [1990], S. 123–144, hier bes. S. 124–131
- Ilisch, Peter: Münzschatzfunde aus Westfalen (Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Bd. 30), Münster 1991, S. 8
- Kötz, Stefan: Schatzfund von Selm-Bork, verborgen um 950, in: Werdendes Ruhrgebiet. Spätantike und Frühmittelalter an Rhein und Ruhr (Ausstellungskatalog RuhrMuseum Essen 2015), hrsg. von Heinrich Theodor Grütter / Patrick Jung / Reinhild Stephan-Maaser, Essen 2015, Kat.-Nr. 157 auf S. 129f.
- Kötz, Stefan: Monetissimo! Aus den Tresoren des Münzkabinetts. 27 Jahrhunderte Münzen, Medaillen & Co. (Ausstellungskatalog LWL-Museum für Kunst und Kultur / Westfälisches Landesmuseum Münster 2016/17), Petersberg 2016, S. 74
Münze des Monats
Ein Aureus des Geta Am 21. Juni 2017 öffnet im Israel Museum in Jerusalem eine numismatische Ausstellung mit 75 römischen Goldmünzen aus der Victor A. Adda Collection. Die Aurei stammen aus einer alten Sammlung und sind allesamt von höchster Qualität und vorzüglichem Erhaltungszustand, mehrere der Goldstücke Unikate. Unter den Münzen ist auch ein Aureus des Geta, der aufgrund seines außergewöhnlichen Themas auf der Rückseite auffällt (RIC IV.1, 318 Nr. 33). Das Stück wurde wohl 206 n. Chr. ausgegeben. Die Vorderseite zeigt die barhäuptige Büste des Geta nach links. Geta war der Sohn des Kaisers Septimius Severus und sein älterer Bruder war Caracalla. Die beiden Prinzen, Caracalla und Geta wurden von Septimius Severus als Nachfolger aufgebaut, beide regierten kurze Zeit nach dem Tod des Vaters 211 n. Chr. gemeinsam, bevor Caracalla seinen Bruder beseitigte und Alleinherrscher wurde.
Septimius Severus (193-211 n. Chr.) hatte nach dem Tod des Commodus 192 n. Chr. und einem kurzen Bürgerkrieg ab 193 n. Chr. begonnen, eine neue Dynastie zu etablieren. Dieses Unterfangen war nicht einfach, denn der neue Kaiser stammte nicht aus einer der alteingesessenen aristokratischen Familien Roms, sondern aus Nordafrika, aus Lepcis Magna. Schon vor ihm kamen Kaiser wie Trajan oder Hadrian aus provinzialen Familien, doch Septimius Severus war tatsächlich in der Provinz aufgewachsen und dort tief verwurzelt. Septmius Severus versuchte daher gar nicht erst seine Herkunft zu verschleiern und ging offensiv damit um. In seiner Münzprägung propagierte er gleich zu Beginn seiner Herrschaft die Heimatgötter von Lepcis Magna, Liber Pater und Hercules, die romanisierte punische Gottheiten waren und als solche das Götterpaar von Lepcis Magna. Auf seinen Münzen zeigte Septimius Severus die beiden als Paar und benannte sie die „väterlichen Götter“ (Di Patrii). Jedem Betrachter war klar, dass diese Götter, die in der römischen Reichsprägung zuvor nur äußerst selten und in der Paarkonstellation gar nicht auftraten, dass diese nicht traditionelle Götter Roms waren, sondern die punischen Lokalgötter von Lepcis Magna. Ein solches Bild war ein absolutes Novum und ein Bruch mit der traditionellen Ikonographie kaiserlicher Schutzgötter.
Auch wenn in der antiken Literatur kritischer Wiederhall der vermeintlichen Bevorzugung Nordafrikas zu fassen ist, bewegte sich doch die Propagierung der heimatlichen Gottheiten im Rahmen einer kaiserlichen Demonstration von Frömmigkeit (pietas) gegenüber den Vorfahren. Trotzdem schien irgendwann der Bogen überspannt. Nachdem Liber Pater und Hercules noch ausgiebig im Rahmen der Säkularspiele 204 n. Chr. propagiert wurden, kam es 206 n. Chr. zu einem abrupten Ende der Darstellung der Heimatgötter in der Münzprägung. Kurz vorher, 205 n. Chr. stürzte der mächtige Prätorianerpräfekt Plautianus, der wie Septimius Severus aus Lepcis Magna stammte. Über die Gründe können wir nur spekulieren, doch verlor der allmächtige Mann das Vertrauen des Kaisers. Fortan werden Liber Pater und Hercules aus der Münzprägung massiv zurückgenommen und die beiden treten erst einmal nur noch einzeln auf. In dieses veränderte Programm gehört der Aureus des Geta aus dem Jahr 206 n. Chr., der auf der Rückseite Dionysos und Ariadne begleitet vom tanzenden und musizierenden dionysischen Thiasos zeigt. Ariadne ist die zweite von links, neben ihr lagert Dionysos. Es ist eine mythologische Idylle, die thematisch und vom Bildschema voll und ganz griechisch-römischer Ikonographie entspricht. Jeglicher Hinweis auf eine Verbindung des Weingottes zur Heimatstadt des Septimius Severus fehlt, und es ist bemerkenswert, dass gleichzeitig für Getas Bruder Caracalla ein ebenso feiner Aureus geprägt wurde. Dieser zeigt auf der Rückseite Hercules in einem urrömischen Mythos mit Pinarius und Potitiius. Auch hier fehlt jeglicher Hinweis auf die Paarkonstellation mit dem Weingott und eine mögliche Verbindung zu Lepcis Magna. Diese beiden Aurei für die Prinzen sind deutliche Hinweise darauf, dass Septimius Severus und seine Familie nach 206 n. Chr. einen radikalen Umschwung in ihrer Münzikonographie machten, und es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser damit zu tun hatte, dass das Kaiserhaus sich gezwungen sah, nordafrikanische Themen zurückzunehmen. Auch wenn die genauen Gründe dafür im Dunkeln bleiben, so sind die Aurei doch eindrückliche Zeugnisse dafür, wie das Kaiserhaus seine Selbstdarstellung anpassen musste und nicht jede gewünschte message einfach so sein Zielpublikum erreichte. Darüber hinaus ist der Aureus des Geta so wie die anderen Aurei der Adda Collection ästhetisch überaus ansprechend, und sollten Sie im Sommer in Jerusalem sein, sei ein Besuch der von Haim Gitler und Yaniv Schauer kuratierten Ausstellung wärmstens empfohlen.
Achim Lichtenberger
Zum Thema:
A. Lichtenberger, Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septmius Severus und seiner Familie (193-211 n. Chr.) (Leiden – Boston 2011).
Zu der Ausstellung in Jerusalem, „Faces of Power“, zu der auch ein Katalog erscheint.