Das Potenzial Silizium-basierter Anoden in Lithium-Ionen-Batterien

Volumenausdehnung als große Herausforderung für Forschung und Entwicklung

Neue, innovative Materialien nehmen eine Schlüsselrolle ein, um wesentliche Eigenschaften wie Energiedichte, Performanz, Lebensdauer, Sicherheit, Kosten und Nachhaltigkeit von Batterien weiter zu verbessern. Derzeit prominent in Forschung und Entwicklung vertreten sind Lithium-Ionen-Batterien (LIB) mit Siliziumanoden. Sie können pro Volumen und Gewicht mehr Energie speichern als die derzeit gängigen Grafitanoden und scheinen schnellladefähiger zu sein. Darüber hinaus ist das Material vielfach verfügbar. Anlässlich des von den USA ins Leben gerufenen Nationaltags der Batterie am 18. Februar geben Dr. Johannes Kasnatscheew, Leiter des Forschungsbereichs „Materialien“ am MEET Batterieforschungszentrum der Universität Münster, und Dr. Markus Börner, Leiter des MEET Forschungsbereichs „System Zelle“, einen Überblick über die Vor- und Nachteile dieser Energiespeichersysteme.

Wie wird Silizium in Batterien eingesetzt?

Markus Börner: Silizium (Si) kann als Aktivmaterial in LIB-Anoden eingesetzt werden. Derzeit wird es anteilig zu bestehenden Anodenmaterialien, in sogenannten Kompositanoden, beigemischt. Bei diesen Anoden macht das Grafit nach wie vor den Hauptteil der Anode aus. Es wird nur ein geringer Anteil von zwei bis fünf Prozent des Aktivmaterialgewichts an Silizium hinzugefügt. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um reines Silizium, sondern um Siliziumoxid (SiOx). Dieses beinhaltet aktive Si-Nanodomänen, die es ermöglichen, die spezifische Kapazität im Vergleich zu herkömmlichen Grafitanoden zu verdreifachen.

Johannes Kasnatscheew: Erforscht werden solche Kompositanoden auch unter Einsatz von beispielsweise Siliziumnitrid (SiNx) anstelle von Siliziumoxid. Das Material ermöglicht eine hohe Speicherkapazität sowie einen stabilen und sicheren Betrieb. Anoden, die zu 100 Prozent aus Silizium bestehen, haben zwar enormes Potenzial, da sie eine etwa zehnfache spezifische Kapazität im Vergleich zu Grafit aufweisen, befinden sich aber noch in der Forschung.

© MEET/Lessmann

Welche Herausforderungen bringt der Einsatz von Siliziumanoden noch mit sich?

Johannes Kasnatscheew: Einlagerungen von Lithium beim Laden und Auslagerungen beim Entladen sorgen bei Silizium für Volumenänderung von bis zu 300 Prozent und erhöhen drastisch den Materialstress. Zum Vergleich: Die Volumenausdehnungen bei Grafit liegen bei circa zehn Prozent. Der Einsatz von Silizium führt somit dazu, dass die Lebensdauer der Batterien stark verringert wird. Eine der größten Herausforderungen ist, dass die extreme Volumenausdehnung die Grenzschicht, die ‚Solid Electrolyte Interphase (SEI)‘, auf der Siliziumoberfläche aufreißt. Die SEI ist essenziell, um parasitäre Reaktionen der geladenen und damit reaktiven Siliziumoberfläche mit dem Elektrolyten zu verhindern und Verluste von Lithium und somit der Kapazität zu vermeiden. Um die gerissene SEI rekonstruieren zu können, braucht es allerdings Lithium, das dadurch nicht mehr für die Kapazität zur Verfügung steht. Dieser Prozess ist ursächlich für die verringerte Lebensdauer dieser Batteriesysteme.

Markus Börner: Siliziumoxid kann die Volumenänderungen des aktiven Siliziums während des Ladens und Entladens zu einem gewissen Grad abfangen, da das Silizium von einer Quarz-Matrix (SiO2) umgeben ist. Diese hat wiederum den Nachteil, dass sie stark elektronisch isolierend ist, was eine Kohlenstoffbeschichtung ausgleichen kann. Unter anderem deswegen wird Siliziumoxid derzeit nur in sehr geringen Mengen eingesetzt.

Welche Forschungsansätze gibt es, um diese Herausforderungen zu lösen?

Johannes Kasnatscheew: Aktuell arbeitet die Forschung intensiv an Elektrolyten, um indirekt eine geeignete, im Idealfall flexible, SEI zu designen, die den Volumenausdehnungen des Siliziums besser standhalten kann. Weiterhin wird an speziellen Beschichtungen und Bindersystemen geforscht, die die mechanische Stabilität der Anode erhöhen sollen. Vielversprechend ist aber auch die Modifikation des Silizium-Partikels selbst, vor allem die Skalierungen in Richtung Nano-Dimensionen.

Am MEET Batterieforschungszentrum erforschen wir darüber hinaus interessante Konzepte basierend auf Kompositmaterialien. Ziel ist es, den direkten Kontakt des Siliziums mit dem Elektrolyten zu verhindern, um einer Siliziumüberladung, und damit dem maximalen Materialstress, entgegenzuwirken. Damit wäre ein Kapazitätsverbrauch für SEI-Rekonstruktionen nicht mehr notwendig.

Markus Börner: Ein für uns wichtiger Ansatz in der Forschung ist außerdem die Prä-Lithiierung. Diese Strategie zielt darauf ab, die unvermeidbaren Lithium- und Kapazitätsverluste, die die Volumenausdehnung in der LIB-Zelle auslöst, zu kompensieren. Von uns entwickelte Ansätze zur Prä-Lithiierung von Kompositanoden mit Siliziumanteil basieren zum Beispiel auf bekannten elektrochemischen Prozessen, aber auch auf neuartigen chemischen Verfahren sowie der thermischen Bedampfung der Si-Anoden mit Lithium-Metall.

Kommen Siliziumanoden trotz aller Herausforderungen bereits zum Einsatz?

Markus Börner: Anoden mit geringen Anteilen an Siliziumoxid werden seit einigen Jahren bereits kommerziell in Hochenergieanwendungen wie Elektrofahrzeugen eingesetzt, wobei die geringe Lebensdauer vor allem bei höheren Gehalten von mehr als zehn Prozent des Aktivmaterialgewichts noch eine große Herausforderung darstellt.