„Es geht nicht nur um den Kinderwunsch“
Frauen in der Wissenschaft sind insbesondere in den zukunftweisenden MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – unterrepräsentiert. Hierauf weist der "Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft" am 11. Februar hin, der 2015 von der UNESCO initiiert wurde. Dr. Kerstin Neuhaus (38 Jahre), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Helmholtz-Institut Münster des Forschungszentrums Jülich, und Iris Dienwiebel (27 Jahre), Doktorandin am MEET Batterieforschungszentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, berichten über ihre Erfahrungen während des Studiums und geben eine Antwort auf die Frage, wie mögliche Hindernisse für Frauen in der Wissenschaft abgebaut werden können.
Warum haben Sie sich für die Batterieforschung entschieden?
Iris Dienwiebel: Mich haben die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel in Kombination mit Chemie gereizt. Die Batterieforschung bietet hier spannende Ansätze, das MEET Batterieforschungszentrum hat einen sehr guten Ruf. Daher bin ich für das Masterstudium an die WWU gewechselt und habe entschieden, mein Promotionsstudium in den MEET Laboren zu absolvieren. Mir ist es wichtig anwendungsbezogen und interdisziplinär zu arbeiten. Genau das ist hier möglich.
Kerstin Neuhaus: Ursprünglich war mein Plan ein ganz anderer. Ich habe zunächst Geowissenschaften studiert, weil ich an Vulkanen forschen wollte. Während des Studiums habe ich meine Leidenschaft für die Mikroskopie entdeckt. Wichtig war auch mir, dass meine Forschung einen Anwendungsbezug hat. Als ich eine Promotionsstelle gesucht habe, befand sich die Batterieforschung in Münster gerade im Aufschwung und bot für mich die idealen Voraussetzungen, Mikroskopie und angewandte Forschung zu verknüpfen.
Welche Ratschläge geben Sie Studierenden, die sich für eine Karriere in der Chemie entscheiden?
Iris Dienwiebel: Wie wichtig eine gute*r Mentor*in ist! Das habe ich anfangs definitiv unterschätzt und kann ich nur allen raten, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft entscheiden. Gegenseitige Unterstützung und ein gutes Netzwerk sind essenziell. Seid offen und geht auf Andere zu. Sich selbst langfristige Ziele zu setzen, ist wichtig. Außerdem sollte man möglichst früh Praktika in unterschiedlichen Bereichen absolvieren, um herauszufinden, welcher Karriereweg am besten für einen selbst geeignet ist.
Kerstin Neuhaus: Netzwerken ist das A und O. Besucht Tagungen und knüpft Kontakte. Wenn ich zum Beispiel eine Messung benötige, die ich nicht selbst durchführen kann, hilft es mir unheimlich, wenn ich weiß, wen ich dafür ansprechen kann – gerne auch über den kurzen Dienstweg. Der zweite Punkt ist: Blickt über den Tellerrand und macht nicht nur das, was auf dem Lehrplan steht. Ich habe während meines Studiums in Vorlesungen aus dem chemischen Bereich reingeschnuppert. Nur dadurch bin heute in der Batterieforschung.
Weltweit wird Forschungspotenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft, da noch zu wenige hoch qualifizierte Frauen in der Forschung arbeiten. Wie kann dies geändert werden?
Iris Dienwiebel: Interessant ist, dass bei Studierenden und Promovierenden das Geschlechterverhältnis an den Hochschulen noch relativ ausgeglichen ist. Das ist eine gute Entwicklung. Erst danach gehen immer mehr Frauen der Wissenschaft "verloren". Befristete Arbeitsverträge sind sicherlich eine Hürde – unabhängig vom Geschlecht. Es muss eine größere Unterstützung geben, insbesondere für Wissenschaftler*innen, die eine Familie gründen möchten oder Angehörige pflegen.
Kerstin Neuhaus: Genau, gerade mit Blick auf die Familienplanung fehlt vielen Beschäftigten in der Wissenschaft die Sicherheit. Gerade während der Schwangerschaft braucht es viel Unterstützung. Ich hatte das große Glück, dass ich auf Messtechnik spezialisiert bin und dadurch auch während meiner Schwangerschaft noch viel im Labor arbeiten konnte. Mein Labor wurde dafür extra "schwangerschaftskonform" eingerichtet. Arbeiten mit Chemikalien, die ich nicht selbst erledigen konnte, haben Kolleg*innen für mich gemacht. So viel Unterstützung ist – leider – nicht selbstverständlich. Es braucht feste Strukturen, welche Unterstützungsangebote Schwangere bekommen und wie der Wiedereinstig gelingen kann. Dazu gehören auch ganz lapidare Dinge wie ein Still- und Wickelraum im Institut.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft mit Blick auf Frauen und Mädchen in der Wissenschaft?
Iris Dienwiebel: Mehr Professorinnen, sodass Studierende bereits im Bachelorstudium auf entsprechende Vorbilder treffen. Ich habe in meinem Studium selbst nur wenige, aber sehr beeindruckende Professorinnen kennengelernt. Und dass Pflegetätigkeiten mitgedacht werden. Denn die häusliche Pflege von Angehörigen übernehmen häufig Frauen. Es geht also nicht nur um den Kinderwunsch, wenn wir uns die Frage stellen, wie Frauen für die Wissenschaft gewonnen werden können und wie Familienfreundlichkeit gestaltet werden kann.
Kerstin Neuhaus: Dass Frauen in der Wissenschaft sichtbarer werden. Auf Tagungen ist der Großteil der Vortragenden immer noch männlich. Häufig wird das Renommee eines*r Wissenschaftlers*in an der Anzahl der Publikationen gemessen. Wissenschaftler*innen, die in Elternzeit waren und in dieser Zeit nicht publiziert haben, fallen dabei automatisch zurück. Solche Denkweisen müssen wir aufbrechen und mehr Raum für Individualität geben.