Ganz ohne Lonely Planet und AirBnB
© Universität Münster | Stefan Klatt
Antrittsvorlesung zum Reisen im Amerika des 17. Jahrhunderts

Im Herbst 2022 ist Frau Professor Dr. Sarah Albiez-Wieck zur Hochschullehrerin für Außereuropäische Geschichte an der Universität Münster ernannt worden. Bei ihrer Antrittsvorlesung am 12. Oktober 2023 hatte das Publikum nun Gelegenheit, ihre Forschungsgebiete und -perspektiven kennenzulernen, und zwar anhand ganz neuer Ergebnisse, die sie in diesem Jahr bei einem Forschungsaufenthalt als Feodor-Lynen-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung in Südamerika gewonnen hatte.

© Universität Münster | Stefan Klatt

Doch zunächst hieß Professor Dr. Reinold Schmücker, der Dekan des Fachbereichs Geschichte/Philosophie, Frau Professor Albiez-Wieck ganz herzlich willkommen. In seinem Grußwort skizzierte er ihren Werdegang und verlieh seiner Freude Ausdruck, dass es dem Fachbereich mit ihrer Berufung zum fünften Mal in Folge gelungen sei, die erstplatzierte Person der Berufungsliste zu gewinnen. Ihn persönlich hätten an ihrer Bewerbung nicht zuletzt die Vielzahl internationaler Kontakte und die große Erfahrung bei der Beantragung von Forschungsprojekten überzeugt.

Professor Albiez-Wieck eröffnete ihren Vortrag „Reisen im Amerika des 17. Jahrhunderts“ mit einem Verweis auf das zeitliche Zusammenfallen der Antrittsvorlesung mit dem Jahrestag der Anlandung von Kolumbus auf der Insel Guanahani, der in Spanien und in den lateinamerikanischen Staaten heute eine ganz unterschiedliche Bedeutung hat. Sodann gab sie Einblick in die gegenüber früheren wie auch späteren Epochen vergleichweise dünne Quellenlage zu Reisen im 17. Jahrhundert in Südamerika und stellte einige der wichtigsten Reisenden vor.

© Universität Münster | Stefan Klatt

Als Besonderheit strich Albiez-Wieck die zentrale Rolle von Gastfreundschaft in allen untersuchten Reiseberichten heraus. Obwohl sich die Reisenden selbst nicht zu deren Bedeutung äußerten, war Gastfreundschaft wohl unabdingbar für das Gelingen der Reisen, unabhängig davon, ob sie durch Bereitstellung von Unterkunft, von Wissen oder von anderen materiellen Ressourcen gewährt wurde. Gastfreundschaft wurde den Berichten zufolge allerdings offenbar vor allem von Europäer*innen für Europäer*innen gewährt und war damit ein Privileg, das der indigenen Bevölkerung verwehrt blieb. 

Zugleich nahmen die Reisenden gleichwohl bei Indigenen kostenlos Unterkunft, auch wenn Albiez-Wieck in solchen Fällen nicht von Gastfreundschaft sprechen mochte. Vielmehr griffen die Gäste hierbei oft auf ein System von tambo genannten Wegstationen zurück, das die spanische Krone aus dem Inkareich adaptiert hatte und das von Einheimischen in Zwangsarbeit (mita) betrieben wurde. Solche Zwangsarbeit spielte darüber hinaus beim Wegebau eine tragende Rolle, und auch hierbei profitierten vor allem die Kolonisierer*innen vom Ergebnis der Arbeit.

Am Beispiel des spanischen Bauern Gregorio de Robles zeichnete Albiez-Wieck schließlich nach, wie man als zwar europäischer, aber doch armer Mensch das Reisen in jener Zeit gewissermaßen erlernen konnte. Grundlage für diese Überlegungen war eine umfangreiche, georeferenzierte Datenbank, die Albiez-Wieck zusammen mit ihrer argentinischen Kollegin Raquel Gil Montero auf der Grundlage von Robles' Reisebericht erstellt hat. Fast alle Kontaktpersonen, die Robles erwähnt, stellten ihm in der einen oder anderen Art Ressourcen für seine Reise zur Verfügung. Allerdings erwähnt der Spanier erst bei seiner zweiten Reise regelmäßig das Überbringen von Briefen und Botschaften zwischen verschiedenen Kontaktpersonen. Robles hatte offenbar ab einem bestimmten Zeitpunkt verstanden, dass ihm diese Kontakte zu weiteren Ressourcen für seine Reise verhalfen und ihm so ermöglichten, sein kostspieliges Unterfangen überhaupt zu realisieren.

© Universität Münster | Stefan Klatt

Das Publikum hingegen konnte im Anschluss an den Vortrag ganz entspannt die Gastfreundschaft der Neuberufenen genießen und den Abend bei einem Glas Sekt und kleinen Gaumenfreuden ausklingen lassen.

Stefan Klatt

 

 

 

Videomitschnitt der Antrittsvorlesung

© Universität Münster | Stefan Klatt

Zum Abspielen des Videos wird dieses von einem Webserver der Firma Google™ LLC geladen. Dabei werden Daten an Google™ LLC übertragen.