Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts |
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Der Sozialstaat
3. Historische Paradigmen von Sozialstaatlichkeit
3.4. DER SOZIALE VERSORGUNGSSTAAT: SKANDINAVISCHE LÄNDER
3.4.1. Allgemeines | |
Gemeinsam an den in den 1940er Jahren entstandenen Systemen in Skandinavien und Großbritannien sind (i) der hohe Staatsanteil der Finanzierung einer Reihe von Sozialversicherungen (Staatsanteil Finanzierung Sozialversicherungen 1980 Dänemark 90.2%, Schweden 45.3%, GB 54.8%, europäisches Mittel 40.2%; eher Versorgung statt Versicherung), (ii) Universalität (Einschluss der Landwirtschaft) und (iii) in der Altersversicherung die Gewährung eines uniformen Basissatzes (bei z.T. ungleichen Beiträgen; zusammen mit Staatsbeitrag Umverteilungseffekt).
Erfassung der Sozialversicherung: Deutschland / Schweden (1890er bis 1970er Jahre).
3.4.2. Agrarkapitalistische Ursprünge der Volkspension | |
1891 in Dänemark
Altersversicherung für alle ärmere Schichten (LohnarbeiterInnen, Gesinde,
Kleinbauern) ab 60, nur Leumundstest (d.h. generalisierte, stark aufgeweichte
Fürsorge für ärmere Schichten), v.a. durch indirekte Steuern finanziert.
Hintergrund: großes politisches Gewicht von Großgrundbesitzern u. selbständigen
Bauern mit hoher Exportorientierung. Altersversicherung trägt dazu bei
ländliche Arbeitskräfte vom Abwandern abzuhalten, zudem Kosten von deren
Unterstützung von ländlichen Gemeinden zu städtischen KonsumentInnen
verschoben. Wegen geringer Löhne und häufiger Subsistenzwirtschaft kommt eine Finanzierung über Beiträge nicht
in Frage.
Baldwin,
Politics, Kap. 1.
3.4.3. Das »Volksheim« in Schweden | |
Ab 1931 regiert in Schweden lange Jahre die sozialdemokratische SP (
Per Albin Hanssen, charismatischer Führer
der SP, in einer Parlamentsrede von 1928), z.T. unterstützt durch Zentrum (Kleinlandwirte).
In den 1930er Jahren werden Reformen unternommen, die dazu führen, dass
Bedürftigkeitstests nicht mehr Marginale erfassen, sondern zunehmend den Zweck
haben, die oberen Einkommensklassen auszuschließen (1935 Rentenreform: die
Mehrheit der Pensionierten bezieht Ergänzungsleistungen; 1937
Mutterschaftsunterstützung für 90% aller Mütter). 1946 kommt es schließlich zur Rentenreform
mit einheitlicher Volkspension, die zu 70% durch Steuern finanziert wird. Sie wird zu Beginn
weniger von der SP als von praktisch allen anderen Interessengruppen unterstützt
(Reorientierung der Konservativen zur Mittelschicht: Steuerzahler sollen in
staatliche Leistungen eingeschlossen werden; seit 1930er Jahren artikulierte
Interessen der Pensionäre; Kleinlandwirte). Ende der 1950er Jahre wird die
Pension an Reallohn und Preisentwicklung
gekoppelt, und in großen Konflikten zwischen Gewerkschaften, Unternehmertum
und Landwirtschaft wird eine einkommensbezogene Zusatzpension im
Kapitaldeckungsverfahren, finanziert durch
Staat und Arbeitgeber, geschaffen (d.h. teilweise Abkehr von Basisversorgung
mit Umverteilungswirkung). Ergebnis ist bei Beibehaltung einer kapitalistischen
Wirtschaftsorganisation eine hohe Sozialisierung von Eigentum (staatliche Pensionsfonds)
und geringe Einkommensungleichheit.
Olson in Flora, Growth.
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