Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts | ||
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WECHSELKURSE
(ml) Ein Wechselkurs bildet sich deshalb, weil es für die Einwohner eines Währungsgebietes in der Regel nicht möglich ist, in einem anderen Währungsgebiet mit der eigenen Währung wirtschaftlich aktiv zu werden (Handel, Geldanlage). Die eigene Währung muss dazu zunächst in die fremde umgetauscht werden. Hierzu muss es jemanden im anderen Währungsgebiet geben, der bereit ist, eine bestimmte Anzahl von Einheiten der gewünschten Währung gegen eine Anzahl von Einheiten der eigenen einzutauschen. Dieser Tausch organisiert sich auf aggregierterer Ebene auf Devisenmärkten. Das Umtauschverhältnis zwischen Währungen, das sich auf Devisenmärkten bildet, ist der Wechselkurs.
Wechselkursbildung
Um zu verstehen, wie sich dieser bildet, ist es nützlich, zu betrachten,
wie die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Aktivität auf Angebot und
Nachfrage von Währungen auswirken. In der Theorie werden insbesondere
das Preis- und das Zinsverhältnis zwischen Währungszonen betrachtet. Aus
ihnen ergeben sich das Kaufkraft- und das Zinsparitätentheorem zur
Erklärung von Wechselkursentwicklungen.
Das Kaufkrafttheorem für die Wechselkursentwicklung besagt, dass ein
Wechselkurs sich insbesondere ändert, wenn in einem Währungsgebiet „A“
die Preise schneller steigen als in einem anderen „B“ (z.B. um 10%
[nicht Prozentpunkte!] höhere Inflationsrate). Für die Einwohner des
Gebietes A mit höherer Inflationsrate und teureren Gütern lohnt es sich
dann, die Güter des Währungsgebietes B, die für sie relativ günstiger
geworden sind, zu erwerben. Da sie diese in der Währung von B bezahlen
müssen, steigt die Nachfrage nach B-Währung, während die nach A-Währung
zurückgeht, weil es für die Einwohner von B unattraktiver geworden ist,
Güter aus A (und A-Währung) zu erwerben. Die gestiegene Nachfrage nach
und das gesunkene Angebot an B-Währung für den Tausch mit A-Währung
führt zu einer Veränderung des Wechselkurses: Betrug er vorher z.B. 1,00
B-Geld = 1,00 A-Geld, so steigt er z.B. auf 1 B-Geld für 1,10 A-Geld.
Hierdurch werden die Waren in B für A-Bürger auch wieder teurer, so dass
sich ein neues Gleichgewicht bei Wiederherstellung der Kaufkraftparität
ergibt.
Neben Gütertransaktionen finden zwischen A und B aber auch
Kapitaltransaktionen statt, für die ein wichtiger Bestimmungsgrund das
jeweilige Zinsniveau ist. Steigt z.B. das Zinsniveau in B um 10% an,
während es in A konstant bleibt, so wird es für A-Bürger um 10%
attraktiver, ihr Geld in B anzulegen. Nach demselben Mechanismus wie im
Güterpreisfall steigt nun die Nachfrage nach B-Geld, während die nach
A-Geld abnimmt. Der Wechselkurs wird sich wiederum zugunsten von
B-Währung im Vergleich zu A-Währung verändern, wodurch die Geldanlage in
B für A-Bürger wieder an Attraktivität einbüßt.
Weder die Entwicklung von Zinsen noch die von Preisen, die sich zudem
untereinander bedingen (da Zinsen auch verhindern sollen, dass die
Inflation dazu führt, dass real weniger Geld zurückgezahlt wird als
angelegt wurde, was Sparen im Vergleich zum sofortigen Konsum
unattraktiv macht), können allerdings Wechselkursentwicklungen
zweifelsfrei erklären, da eine Reihe von weiteren Faktoren auf
Devisenmärkten eine Rolle spielen, darunter die Spekulation auf die
Entwicklung von Preis-, Zins- oder Wechselkursniveaus selbst, die
Devisenmärkten eine kaum vorhersehbare Eigendynamik verleiht.
In der Praxis unterscheidet man verschiedene Typen von Währungsregimes:
Floaten
Sind Währungen untereinander frei umtauschbar (= konvertibel) und sind die Devisenmärkte frei von staatlicher Beeinflussung, so findet so genanntes „freies Floating“ statt, d.h. der Wechselkurs bildet sich allein aus Angebot und Nachfrage nach den verschiedenen gehandelten Devisen. Daneben gibt es sog. „kontrolliertes“ oder „schmutziges“ (manipuliertes) Floaten, bei dem Währungsinstitutionen (i.d.R. Zentralbanken) durch Kauf und Verkauf von Devisenreserven das Geschehen auf dem freien Markt zu beeinflussen versuchen, insbesondere um zu starke Schwankungen von Wechselkursen zu verhindern. Beim Floating sind Edelmetalle grundsätzlich demonetisiert, d.h. nur Devisen (Guthaben in Fremdwährung) dienen als Reservemedium.
Systeme der Wechselkursfixierung
Wenn das kontrollierte Floaten nicht nur dem Ziel dient, bestimmte Wechselkurse zwischen Ländern zu stabilisieren, sondern in einem Verbund von verschiedenen Währungszonen (Ländern) bestimmte feste Wechselkursziele verfolgt werden, so spricht man von Systemen der Wechselkursfixierung. Hierbei wird, wie z.B. im System von Bretton Woods (1944-1973) oder im Europäischen Währungssystem (seit 1979, 1999 weitgehend in der EWU aufgegangen), zwischen verschiedenen Ländern ein Zielwechselkurs (Parität) fixiert, dessen Aufrechterhaltung innerhalb bestimmter Schwankungsbreiten (Bretton Woods: ursprüngl. +/- 1%, EWS: bis 1993 +/- 2,25%, ab 1993 +/- 15%) durch An- und Verkäufe von Devisenreserven auf dem freien Markt die Zentralbanken zu sichern haben. Die Stabilität solcher Währungssysteme ist –s.o.- insbesondere davon abhängig, dass die Preis- und Zinsentwicklung der verschiedenen Teilnehmer nicht zu unterschiedlich verlaufen, weil sonst ständige Anpassungsnotwendigkeiten (Auf- und Abwertungen des Leitkurses) das System auf Dauer destabilisieren und anfällig für Spekulationen machen, was das Ziel solcher Währungsregimes (Entscheidungssicherheit für Wirtschaftssubjekte durch stabile Kurse) bedroht.
Currency Board Systeme
Neben bi- oder multilateralen Fixkurssystemen gibt es auch die Möglichkeit, dass Länder ihre Währung einseitig an die eines anderen Landes binden. Eine extreme Form ist das Currency-Board-System, in dem die eigene Währung (die Geldbasis M1) vollständig durch Devisenreserven der Ankerwährung (bzw. der Ankerwährungen bei Koppelung an einen Währungskorb) gedeckt wird. Dies führt dazu, dass das Handeln der Zentralbank dieses Landes sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Deckung der eigenen Währung durch die Reservewährung zu gewährleisten, indem sie neues Geld nur im Umtausch gegen Ankerwährungseinheiten in Umlauf bringt. Die Institution, die dies erledigt, heißt Currency Board. Solche Anbindung wird heute meist gewählt, wenn die eigene Währung stark inflationsgefährdet und/oder national wie international nicht ausreichend vertrauenswürdig ist (Bsp.: 1 Argent. Peso = 1 US-$ von April 1991-Januar 2002). Früher diente sie v.a. im britischen Kolonialreich dazu, die (Anker-)Währung des Mutterlandes nicht den Risiken der Zirkulation in den Kolonien auszusetzen.
Währungsunion
Die Europäische Währungsunion (EWU, seit 1999) ist kein Wechselkurssystem mehr, sondern geht einen Schritt weiter, indem sie die Währungen der Mitgliedsländer ohne Schwankungs- und Kursanpassungsmöglichkeiten fixiert und damit bereits vor der Einführung von Euro-Bargeld (2002) de facto vereinheitlicht hatte. Die nationalen Zentralbanken haben hierbei ihre geldpolitischen Handlungsspielräume vollkommen an die Europäische Zentralbank abgetreten. Die nationalen Währungen verschwanden.
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