Laufende Promotionsprojekte

„Genus: Kongruenz und Klassifikation. Eine Zweitspracherwerbsstudie mit türkisch- und russischsprachigen Lernern.“ (Anja Binanzer)   -   abgeschlossen 
Genuserwerb ist Kongruenzerwerb. Erstmals wird der Erwerb der grammatischen Kategorie Genus systematisch aus diesem Blickwinkel betrachtet und dabei der Frage nachgegangen, wie die beiden zu unterscheidenden Erwerbsaufgaben - Kongruenz- und Klassifikationserwerb - miteinander interagieren. Auf der Basis einer funktionalen Beschreibung des Lerngegenstandes fokussiert diese Untersuchungsperspektive, wie durch Genus eindeutige Referenzbezüge an und zwischen verschiedenen sprachlichen Einheiten (Artikel, Adjektive, Pronomen) hergestellt werden können und inwiefern diese morphosyntaktisch in unterschiedlich starkem Maß an das kongruenzauslösende Nomen gebunden sind. Vor diesem Hintergrund wird ein funktionalistisch basiertes Genuserwerbsmodell entwickelt, dessen empirische Überprüfung durch Daten von 195 kindlichen Lernern des Deutschen als L2 erfolgt. Obwohl sich die L1 und L2-Lerner (Türkisch, Russisch) typologisch unterscheiden, entwickeln sie - zwar zeitlich versetzt, aber unabhängig von ihren L1 - schrittweise die gleichen semantischen und formalen Strategien der Form-Funktions-Verknüpfung, wodurch der Genuserwerb als eine systematische Abfolge eines Semantisierungs- und Grammatikalisierungsprozesses modelliert werden kann. Betreuer der Dissertation sind Prof. Dr. Köpcke und Dr. Bittner.

„Der Erwerb des deutschen Numerussystems durch Kinder mit türkischer und russischer Ausgangssprache“ (Verena Wecker)   -   abgeschlossen
In der Dissertation wird untersucht, wie Grundschulkinder mit türkischer und russischer Ausgangssprache und Deutsch als Zweitsprache das deutsche Numerussystem erwerben. Das Numerussystem im Deutschen ist deshalb ein komplexer grammatischer Gegenstand, da es viele Formen für die Markierung der Funktion Plural gibt und die Zuordnung dieser Formen zu den Nomen nur tendenziellen Regularitäten folgt. Das Ziel der Dissertation ist, den Erwerbsverlauf nachzuzeichnen und Strategien, die die ProbandInnen der Untersuchung bei der Pluralbildung zu ihnen unbekannten deutschen Nomen einsetzen, aufzuzeigen. Mit der Wahl der zwei typologisch verschiedenen Ausgangssprachen Türkisch und Russisch kann außerdem der Einfluss der Ausgangssprache überprüft werden. Betreuer der Dissertation sind Prof. Dr. Köpcke und Dr. Bittner.

„Der Erwerb des deutschen Kasussystems durch Grundschulkinder mit russischer Erstsprache“ (Jana Gamper)   -   abgeschlossen
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern russischsprachige Lerner Kasusmarkierungen und damit verbundene Wortstellungsvariationen erkennen und interpretieren können. Es soll herausgefunden werden, ob und inwiefern die Kenntnisse der Erstsprache den Erwerb des deutschen Kasussystems beeinflussen und welche Strategien für die Interpretation von Sätzen dafür ausgebildet werden. Betreuer der Dissertation sind Prof. Dr. Köpcke und Dr. Bittner.


"Zur Distribution von haben und sein bei der Formenbildung der Perfekttempora im Deutschen" (Christian Hinze)
Die deutsche Sprache besitzt zwei Auxiliare, mit denen die analytischen Perfekt-tempora gebildet werden. Allerdings werden die meisten Vollverben in ihrer Perfektlesart entweder nur mit haben oder mit sein verwendet. Dieser Umstand zwingt den Sprecher des Deutschen dazu, bei der Bildung der entsprechenden Zeitformen zu wählen. Die Arbeit fokussiert auf die Frage, wodurch die Wahl des Hilfsverbs motiviert ist. Dabei geht es in erster Linie um eine synchrone Perspektive: Es wird angenommen, dass sich die gegenwärtige Distribution der Perfektauxiliare anhand einiger weniger, letztlich ausschließlich semantischer Faktoren beschreiben lässt. - Es ist ein wesentliches Ziel der Dissertation, ein Modell zu entwickeln, das die relevanten Faktoren in ihrer dynamischen Wechselwirkung erfasst und ihren variablen Einfluss auf die Auxiliarselektion abzubilden in der Lage ist. Die theoretische Basis der Arbeit liegt im Bereich der Valenzgrammatik, deren Beschreibungs- und Erklärungspotenziel konsequent durch die Annahmen der Prototypentheorie erweitert werden soll. Ungeachtet des synchronen Fokus greift die Arbeit darüber in grundlegenden Aspekten auf Erkenntnisse der Grammatikalisierungforschung zurück. Betreuer der Dissertation ist Prof. Dr. Köpcke.

"Zur Integration nicht-nativer Nomina in die deutsche Sprache - Die Dynamik unbetont vollvokalisch auslautender Nomina" (Jonas Furchert)

Das im Sommersemester 2016 begonnene Dissertationsprojekt hat zum Ziel, vor dem Hintergrund der Usage-Based-Theory (Barlow/Kemmer 2000); Bybee 2010, 2015) Variation und Wandel in der deutschen Plural- und Kasusmorphologie zu beschreiben und Vorhersagen darüber zu treffen, in welche Richtung sich ein angenommener Wandel vollziehen wird. Eine grundsätzliche Hypothese lautet, dass sich morphologischer Wandel im alltagssprachlichen Gebrauch von Lexemen vollzieht und er bei strukturell nicht-nativen Wörtern, in diesem Fall Nomina mit unbetont vollvokalischem Auslaut, im Laufe der Zeit zu nativen Wortformen führt, sie also ihren vollvokal im Auslaut abschwächen oder gar verlieren. Der Weg hin zur nativen Nennform, die das vorläufige Ende des Integrationsprozesses darstellt, verläuft über einen Plural der Form Xen, in der die Abschwächung der Vorsilbe quasi vorweggenommen und ein geläufiges Schema (vgl. Köpcke 1993: 71f.) aktiviert wird. Ob diese und weitere Annahmen zutreffen und welche Bedingungen den Integrationsprozess begünstigen oder hemmen, soll an den unbetont vollvokalisch auslautenden Nomina exemplarisch herausgearbeitet werden.
Flexionsklassen werden morphologisch definiert: Durch die Kombination von Kasus- und Pluralformen, derer es im Deutschen eine Vielzahl gibt, lassen sich zu Nomina je nach Auffassung von sechs bis zu 30 Gruppen klassifizieren. Den Mitgliedern dieser Flexionsklassen können außermorphologische Klassenmerkmale (Wurzel 1984: 123) zugeordnet werden, die ihnen graduell gemein sind. Dazu werden das Genus wowie phonologische, phonotaktische, semantische und pragmatische Bedingungen ihres Gebrauchs betrachtet. Außerdem werden Flexionsklassen grundsätzlich in produktive und unproduktive unterteilt, also in diejenigen, die offen für neue Mitglieder sind und an Größe eher zunehmen (z.B. schwache Feminina: Blume - Blumen), und diejenigen, die keine neuen Mitglieder aufnehmen und eher schrumpfen (starke Nicht-Feminina: Mann - Männer) (ebd.: 153). Bei der Betrachtung des Integrationsprozesses werden die (durchaus auch aus anderen Gründen) produktiven Flexionsklassen als dessen Zielklassen angesehen. Nomina, die einen unbetonten Vollvokal im Auslaut aufweisen, sind bis auf sehr wenige Ausnahmen (z.B. Uhu) allesamt entlehnt. Bei ihnen zeigt sich in Bezug auf ihre Flexionsklassenzugehörigkeit ein breites Bild: Zu erwartende s-Flexion (Gorilla - Gorillas) steht neben Paradigmen mit n-haltigen Formen (Thema - Themen) und solchen, die noch aus ihrer Ursprungssprache stammen (Schema - Schemata, Cello - Celli etc.). In einigen Fällen variieren die Paradigmen und sind (noch) nicht eindeutig gefestigt (Schemata, Schemen, Schemas). Es bleibt zu beschreiben, welche Art Nomina variiert und warum einige dies tun, andere jedoch nicht.
Belege liefert das DeReKo des IdS Mannheim, da mit den Methoden der Korpuslinguistik ausgewertet werden soll. Die dort annotierten Zeitungstexte wurden für die Untersuchung gewählt, da sie als Einfallstore für Fremdwörter in den alltäglichen Sprachgebrauch angesehen werden (vgl. Eisenberg 2011: 108), und außerdem gilt der Stil der Presse "vielfach als besonders gut geeignete Grundlage für allgemeinere [...] Sprachbeschreibungen" (Lüger 1995:22).
Betreuer der Dissertation sind Prof. Dr. Köpcke und Dr. Bittner



"Untersuchung zum Einfluss syntagmatischer, morphosyntaktischer und semantischer Faktoren auf den Erwerb der satzinternen Großschreibung in der Grundschule" (Anja Heitmann)

Obschon die satzinterne Großschreibung im Kernbereich systematisch und regelhaft zu beschreiben ist (vgl. Maas 1988; Eisenberg 1998) - was sich in Form eines zügigen und unproblematischen Erwerbs abbilden sollte - gehört dieser syntaktisch geregelte Teilbereich der deutschen Orthographie bis in die Sekundarstufe II und darüber hinaus zu den prominent fehlerträchtigen Bereichen der deutschen Orthographie (vgl. Menzel 1985; Rhieme & Zimmermann 1986; Schübel & Pießnach 2005). Das bestehende Paradoxon hat das Dissertationsprojekt motiviert, welches auf eine empirisch fundierte Durchdringung der Erwerbsproblematik abzielt, indem die qualitative Entwicklung des Erwerbsprozesses in der Primarstufenzeit mittels Querschnittuntersuchungsdesign abgebildet werden soll.

Die Studie zielt auf die Identifikation leistungsgruppenspezifischer überindividueller Gemeinsamkeiten von Lernern im Umgang mit der Groß- und Kleinschreibung, um die auf den Regelbildungsprozess einflussnehmenden Größen zu erfassen. Im Fokus dieser Analysetätigkeit wird neben der Wirkungsmacht derivations- und gestaltmorphologischer sowie syntagmatischer und syntaktischer Merkmale eine kritisch konstruktive Auseinandersetzung mit der gemeinhin wortartenbasierten Vermittlungspraxis nach referenzsemantischen Kriterien stehen. Letztlich will die Forschungsarbeit einen Beitrag zur Optimierung orthographischer Lehr- und Lernprozesse leisten, indem vor dem Hintergrund einer quantitativen und qualitativen Datenanalyse unmittelbar unterrichtsrelevante Überlegungen zu einer nachhaltigen und lernfreundlichen Steuerung des Erwerbs der satzinternen Groß- und Kleinschreibung angestellt werden sollen.
Erstbetreuer der Dissertation ist Prof. Dr. Köpcke