Universitätsgesellschaft wird 100 Jahre alt
Im Interview berichten der Vorsitzende und sein Stellvertreter über die Vereinsarbeit
Seit 100 Jahren unterstützt die Universitätsgesellschaft Projekte und Initiativen an der WWU. Das Jubiläum soll groß gefeiert werden. Im Gespräch mit Julia Harth blicken der Vorsitzende Dr. Paul-Josef Patt und sein Stellvertreter Hilmar Welpelo in die Vergangenheit und in die Zukunft der Gesellschaft.
Welche Bedeutung hat die Universitätsgesellschaft für die WWU?
Hilmar Welpelo: Viele Drittmittel werden heutzutage eng zweckgebunden vergeben. Es gibt immer Projekte, die dabei durch das Raster fallen, obwohl sie förderungswürdig sind. Hier setzt unsere Arbeit an. Die Tatsache, dass Rektor und Kanzler immer Mitglied im Vorstand sind, zeigt, wie wichtig unsere Unterstützung für die Universität ist.
Paul-Josef Patt: Die Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster – so hieß sie damals – entstand in den Wirren der Nachkriegsjahre, als wirtschaftliche Not herrschte. Ziel der Gründungsmitglieder war es, die wissenschaftliche Lehr- und Forschungsarbeit der Dozenten und Studenten zu fördern, Lehrmittel anzuschaffen, aber auch Einrichtungen aus- und aufzubauen. Die Forschung sollte dort unterstützt werden, wo staatliche Mittel nicht ausreichen – das ist damals wie heute der Hauptzweck der Universitätsgesellschaft.
Was waren die Meilensteine der vergangenen 100 Jahre?
Patt: Nach dem Ersten Weltkrieg gab es große Engpässe bei den Universitätsgebäuden und den Wohnheimen für Studenten. Die Universitätsgesellschaft hat zum Beispiel dabei mitgeholfen, die Mensa am Aasee und die Sportanlagen am Horstmarer Landweg zu bauen. Beides wird heute ganz selbstverständlich von den Studenten genutzt. Einen starken Einbruch gab es mit dem Zweiten Weltkrieg, als die Universitätsgesellschaft einen großen Teil ihrer Besitztümer verlor. Der langjährige Vorsitzende Dr. Ernst Hellmut Vits hat sich dafür eingesetzt, das Vermögen wiederaufzubauen. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 1968 hat er ein Grundvermögen gestiftet, aus dem bis heute alle zwei Jahre ein Preis für herausragende Wissenschaftler vergeben wird. Ein weiterer Meilenstein in den 1960er-Jahren war schließlich die Einrichtung des Landhauses Rothenberge als Tagungsstätte für die WWU.
Welpelo: Der Charakter der Universitätsgesellschaft macht sich aber nicht nur an den Meilensteinen fest, die eine große Außenwirkung haben. Es gibt viele kleine Projekte, die in der Öffentlichkeit nicht so intensiv wahrgenommen werden. So unterstützen wir beispielsweise Initiativen, die das studentische und junge wissenschaftliche Leben fördern wie Veranstaltungen der Musikhochschule oder die MUIMUN-Konferenzen.
Was waren die Schwerpunkte in den vergangenen Jahren?
Patt: Die größte Herausforderung bestand darin, das Landhaus Rothenberge für die Nutzung durch die Universität zu erhalten. Es gab einen erheblichen Investitionsstau und Probleme mit dem Brandschutz. Mit der Hilfe vieler Unterstützer haben wir es letztlich geschafft, knapp eine Million Euro für die Sanierung zu mobilisieren. Auch finanziell sah es zu Beginn meiner Amtszeit vor neun Jahren nicht rosig aus: Durch den Rückgang der Zinserträge waren die Rücklagen aus dem Stiftungsvermögen aufgebraucht. Wir mussten deshalb die Kosten einfrieren und einen Weg finden, um die Einnahmen zu steigern. Zur Neuausrichtung des Vereins seit 2012 zählt auch der neue Name „Universitätsgesellschaft“ und das Corporate Design mit neuem Logo.
Das klingt nach viel Arbeit …
Patt: Das ist wohl wahr. Besonders schön ist jedoch, dass wir inzwischen wieder in der Lage sind, Mittel auszuschütten. Wir verfügen im Jubiläumsjahr über ein Rekordbudget deutlich oberhalb von 100.000 Euro. Und wir können auch spontan reagieren, wenn es nötig ist. In Zeiten der Flüchtlingskrise haben wir beispielsweise zusätzlich 50.000 Euro für Sprachkurs-Stipendien mobilisiert. Wir beschäftigen uns also nicht nur mit der Wissenschaft.
Welpelo: Und das bezieht sich nur auf die Universitätsgesellschaft. Dahinter stehen auch zehn Stiftungen, deren Vermögen die Universitätsgesellschaft zwar verwaltet, die ihrerseits aber eigenständig Projekte fördern.
Kommen Sie sonst gut mit dem zur Verfügung stehenden Budget zurecht?
Welpelo: Natürlich können wir nicht alle Förderanträge bewilligen, aber das würde ich gar nicht nur negativ sehen. Aus der großen Zahl an Initiativen können wir zahlreiche Dinge fördern, die es ohne unsere Unterstützung so nicht geben würde. Darüber hinaus motivieren wir auch dazu, andere Förderquellen anzuzapfen.
Wie binden Sie die Förderer in die Vereinsarbeit ein?
Welpelo: Für unsere Mitglieder haben wir verschiedene Veranstaltungsformate etabliert, die an das universitäre Leben andocken. Auf diese Weise bekommt man immer wieder neue Einblicke. Der Nachwuchsförderpreis beispielsweise bereichert mich sehr. Es ist einfach klasse zu sehen, was junge Leute leisten und auf die Beine stellen. Außerdem besuchen wir mit unseren Mitgliedern regelmäßig verschiedene Unternehmen in der Region oder laden hochkarätige Personen zu Vorträgen ein.
Aber jetzt denken Sie mit Blick auf das Jubiläum vor allem an die Feier, die sicher groß ausfällt, oder?
Patt: Zum Auftakt des Jubiläumsjahres haben wir bereits das 50. Jubiläum des Ernst-Hellmut-Vits-Preises gefeiert. Als nächstes steht die Verleihung des Nachwuchsförderpreises an. Höhepunkt am 3. November ist ein Festakt im Schloss mit anschließender Abendveranstaltung. Prominenter Festredner des Festaktes wird der ehemalige Bundesinnenminister und WWU-Alumnus Thomas de Maizière sein.
Versuchen Sie doch bitte, noch weiter nach vorne zu blicken: Wie geht es in den nächsten 100 Jahren weiter?
Patt: Mit ein bisschen Stolz können wir sagen, dass wir unsere Ziele, die wir uns für unsere Amtszeit gesteckt haben, weitgehend erreicht haben. Wir haben die Universitätsgesellschaft neu ausgerichtet und ihr ein klares Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit gegeben. Die Mitgliederzahlen haben wir hingegen nicht signifikant steigern können. Das ist das Ziel für die nächsten zehn Jahre, weiter möchte ich gar nicht schauen.
Welpelo: Dazu wollen wir die Universitätsgesellschaft noch weiter in der Stadt verankern und bekannter machen, um weitere Unterstützer zu finden und noch mehr Projekte fördern zu können.
Die Universitätsgesellschaft
Die Universitätsgesellschaft zählt aktuell rund 750 Mitglieder. Neben Professoren, Alumni, Beschäftigten und Studierenden der WWU vereint sie viele Persönlichkeiten und Institutionen aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Sie verwaltet das Vermögen von insgesamt zehn Stiftungen mit einem Vermögen von über 2,6 Millionen Euro, deren Zweck jeweils in der Förderung verschiedener universitärer Einrichtungen liegt. Zudem werden vier Stiftungspreise verliehen. Mitglied kann jeder werden, der die WWU in ihren Projekten und Aktivitäten unterstützen möchte – Einzelpersonen ebenso wie Unternehmen. Gefördert werden Forschungs- und Lehrprojekte mit hoher Außenwirkung (Leuchtturmprojekte) sowie Kunst und Kultur an der WWU und Studierendeninitiativen.
Meilensteine der Geschichte
1918: Gründung durch Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, unter anderem durch Wilhelm Beukenberg, Generaldirektor der Phönix AG, und Prof. Dr. Julius Smend, Rektor der WWU
1918-1945: Einrichtung und Erwerb mehrerer Gebäude für die Universität
1945-1960: Wiederaufbau des Vermögens nach Kriegszerstörung und Währungsreform
1960-1970: Unterstützung des Studentenwerks beim Bau von Wohnheimen, Einrichtung der Studentenbücherei sowie des Landhauses Rothenberge als Tagungsstätte
1968: Stiftung des Ernst-Hellmut-Vits-Preises
1984: Eröffnung des Alexander-von-Humboldt-Hauses als Gästehaus
1981: Schaffung des Preises zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
1991-1993: Initiierung des Archäologischen Museums im Foyer des Fürstenberghauses
2000: Eröffnung der Villa Terfloth als Gäste- und Tagungshaus
2012: Neuausrichtung und Umbenennung in „Universitätsgesellschaft“
2018: Wiedereröffnung des Landhauses Rothenberge nach Sanierung
Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 3, 16. Mai 2018