Die Nonnen von Sant'Ambrogio
Im Buch „Die Nonnen von SantʼAmbrogio. Eine wahre Geschichte“ geht es vordergründig um Giftmorde, vorgetäuschte Heiligkeit, Teufelsaustreibungen und verbotenen Sex im römischen Frauenkloster „SantʼAmbrogio“ im 19. Jahrhundert. „Der Fall wirft aber darüber hinaus ein Schlaglicht auf grundsätzliche Richtungskämpfe um die Macht in der katholischen Kirche, die bis heute nicht abgeschlossen sind“, erläutert Hubert Wolf.
Grundlage des Buches ist ein unerwarteter Aktenfund über einen Inquisitionsprozess im Archiv der Glaubenskongregation. Anklägerin war die deutsche Adlige Katharina von Hohenzollern, die als Novizin in SantʼAmbrogio mehrere Giftanschläge überlebte und in letzter Minute gerettet wurde. Die umfangreichen Akten erlauben es, den Prozess im Detail nachzuzeichnen. Hauptangeklagte waren die Novizenmeisterin Maria Luisa Ridolfi, die als wundertätige Heilige verehrt wurde, und ihr Beichtvater Giuseppe Peters.
„Maria Luisa nutzte ihre angeblichen Visionen und Briefe der Gottesmutter Maria, um sich zur absoluten Herrscherin im Kloster aufzuschwingen“, so Wolf. Mithilfe vermeintlicher Wunder habe sie auch einflussreiche Kirchenmänner in ihren Bann gezogen. Hinter Katharina von Hohenzollern und ihrer Anzeige standen ebenfalls hochrangige Kurienmitglieder. „Der Prozess wurde so zu einem Stellvertreterkrieg. Vor Gericht standen quasi auch eine bestimmte Frömmigkeitspraxis sowie eine einflussreiche theologische und kirchenpolitische Partei.“
Die Affäre spielt in der Zeit Piusʼ IX., der von 1846 bis 1878 Papst war. „Er lebte in ständiger Angst vor der Revolution, wandte sich immer mehr einem mystizistischen Weltbild zu und hoffte auf das unmittelbare Eingreifen göttlicher Kräfte in dieser Welt“, so Hubert Wolf. An der Kurie kämpften unterdessen Gegner und Anhänger einer Versöhnung mit der modernen Welt um die Macht. Der Fall „SantʼAmbrogio“ ist Wolf zufolge in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für die Wissenschaft. „Er zeigt auch exemplarisch, wie im 19. Jahrhundert ein Inquisitionsprozess ablief und wie Frauen außerhalb der klerikalen Hierarchie großen Einfluss in der katholischen Kirche gewinnen konnten. Außerdem lässt er die Gefahren eines blinden Gehorsams und einer Verquickung von Heiligkeit, Macht und Sexualität erkennen.“
Um den Fall „SantʼAmbrogio“ aufzuarbeiten, nutzte Hubert Wolf seinen einjährigen Aufenthalt als Fellow am Historischen Kolleg in München. Das Buch „Die Nonnen von Sant’Ambrogio. Eine wahre Geschichte“ ist im Verlag C.H.Beck erschienen und kostet 24,95 Euro.
Weitere Informationen zum Buch in den Rubriken Aktuelles und Service.